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Kein Anspruch des Bieters auf Angebotsaufklärung

24.06.2014

Die Vergabekammer (VK) Nordbayern hat mit Beschluss vom 06.03.2014 – 21.VK-3194-59/13 – Folgendes entschieden:

• Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen. Ob die verwendeten Begriffe eindeutig und unmissverständlich formuliert sind, ist für die Frage des Ausschlusses eines Angebots jedoch nicht relevant. Das Angebot eines Bieters darf nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil eine eindeutige und unmissverständliche Formulierung in den Vergabeunterlagen fehlt.

• Die Vergabestelle hat gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A ein Aufklärungsrecht. Die Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen steht im Ermessen der Vergabestelle. Ein Anspruch zugunsten eines Bieters auf Angebotsaufklärung wird durch diese Bestimmung nicht geschaffen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Ausstattung eines Schulneubaus im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung war u.a. die Ausstattung von Fachräumen. Alle Produkte sollten das „GS“-Zeichen (geprüfte Sicherheit) tragen. Nach Mitteilung, dass Bieter B den Zuschlag erhalten sollte, rügte der zweitplatzierte Bieter A angebliche Unzulänglichkeiten im Angebot des B. Das Angebot des B würde den im Leistungsverzeichnis geforderten Leistungen nicht entsprechen. Der AG führte darauf eine schriftliche Aufklärung des Angebots des B im Hinblick auf die gerügten Materialspezifikationen durch – mit dem Ergebnis, dass das Angebot des B den Anforderungen der Leistungsbeschreibung entsprach. Nachdem der AG der Rüge des A nicht abgeholfen hatte, rief dieser die zuständige Vergabekammer an. Nach Akteneinsicht vertrat A die Auffassung, der AG sei verpflichtet gewesen, von B konkrete „Nachweise“ zu verlangen, die belegten, dass B die Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfülle.

Die VK weist den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass B mit seinem Angebot nicht die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfülle. Auch ein Ausschluss des Angebots des B aufgrund Unklarheiten in den Vergabeunterlagen scheide aus. Der AG habe hier die Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A erfüllt. Dabei sei entscheidend, dass das LV für alle Bieter in gleicher Weise zu verstehen sei. Maßgebend sei dabei der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht der potentiellen Bieter. Abgestellt werde dabei auf einen durchschnittlichen, mit der Art der Ausschreibung vertrauten Bewerberkreis; das Verständnis des einzelnen Bieters sei dabei unbeachtlich. Der AG habe über die von ihm gestellten Aufklärungsanfragen hinaus auch keine weitere Nachforschung zur Leistungserbringung der Bieter anstellen müssen. Denn der AG habe gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A keine Aufklärungspflicht, sondern ein Aufklärungsrecht, wobei die Durchführung von Ausklärungsmaßnahmen im Ermessen des AG stehe. Der AG habe die erfolgte Aufklärung im Rahmen seines Ermessens durchgeführt. Ermessensfehler seien nicht feststellbar. Ein Anspruch zu Gunsten eines Bieters würde jedoch durch diese Bestimmung gerade nicht geschaffen.

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RA Michael Werner

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ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Bereits nach ständiger Rechtsprechung ist steht fest, dass ein Anspruch auf Aufklärung des Bieters, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, grundsätzlich nicht besteht. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A („darf der Auftraggeber…. Aufklärung verlangen“) steht dies im Ermessen des AG. Die VK stellt in der o.g. Entscheidung nun klar, dass diese Regelung auch keinen Anspruch eines Bieters auf Aufklärung des Angebotsinhalts anderer konkurrierender Bieter gewährt.

  Quelle: RA Michael Werner


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