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Kein Ausschluss bei erst nachträglich gestellten Mindestanforderungen!

24.02.2015

Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 07.05.2014 – 15 Verg 4/13 – Folgendes entschieden:

• Die Festlegung, welche Leistungsnachweise gefordert werden, muss bereits in der Bekanntmachung benannt werden. Die Anforderungen des Auftraggebers müssen dabei eindeutig und erschöpfend formuliert sein, damit die Bieter anhand des Bekanntmachungstextes unzweideutig erkennen können, welchen Anforderungen die Eignung unterliegt; ein Verweis auf die Vergabeunterlagen genügt nicht.

• Hat der Auftraggeber nachträglich Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit gestellt, kann der Ausschluss eines Bieters nicht darauf gestützt werden, er besitze nicht die notwendige technische Eignung.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Umbau eines zentralen Bundesstraßenverkehrsknotens europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Zum Eignungsnachweis forderte er für die technische Leistungsfähigkeit u.a. „Bescheinigungen und Erklärungen über: (…) die Ausführung von Leistungen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, § 6 Abs. 3 Nr. 2 b VOB/A. Die Vergabestelle behält sich vor, zum Nachweis der Eignung zusätzliche Angaben anzufordern (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A). Nähere Angaben hierzu siehe Vergabeunterlagen.“

Besondere Anforderungen an die Referenzen – speziell zu deren Auftragssummen – waren in der Bekanntmachung nicht enthalten. Bieter A gab fristgemäß ein Angebot ab, das mehrere Referenzen mit Auftragssummen zwischen 3 und 5 Mio. Euro enthielt. Nach Submission lag sein Angebot auf dem ersten Platz. Der AG forderte den A nun zur Vorlage weiterer Unterlagen auf, insbesondere forderte er weitere Referenzen mit Auftragsvolumina zwischen 20 bis 40 Mio. Euro. Der AN ergänzte darauf seine Referenzen nicht und wurde vom AG ausgeschlossen, da sein Angebot nicht die notwendige technische Eignung aufweise.

Nach erfolgloser Rüge wandte sich A wegen des Ausschlusses seines Angebotes an die Vergabekammer. Diese sah den Ausschluss als unberechtigt an. Dagegen legte der AG sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Ebenso wie die erstinstanzliche Vergabekammer bewertet das OLG den Ausschluss des Angebots wegen mangelnder technischer Eignung als vergaberechtswidrig. A habe nicht wegen mangelder technischer Eignung nach § 16 EG Abs. 2 Nr. 1 ausgeschlossen werden dürfen. Dem AG stehe bei der Prüfung, ob die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vorhanden sei, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum sei überschritten, wenn der AG im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung von einer falschen Tatsachengrundlage ausgehe und seine eigenen Vorgaben für die Eignungsprüfung missachte. Wie sich aus § 12 EG Abs. 2 Nr. 2 VOB/A ergebe, müsse die Festlegung, welche Leistungsnachweise gefordert würden, bereits in der Bekanntmachung benannt werden und hierbei die in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 82/20122 der Kommission vom 19.11.2011 eingeführten Standardformulare verwendet werden, die dort abgefragten Angaben seien vollständig zu leisten. Dabei müssten die Anforderungen des AG an die Eignungsnachweise eindeutig und erschöpfend formuliert sein. Denn die Bieter müßten anhand des Bekanntmachungstextes unzweideutig erkennen können, welchen Anforderungen die Eignung unterliege; ein Verweis auf die Verdingungsunterlagen genüge nicht (so ständige Rechtsprechung, z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2012 - Verg 8/12 zur VOL/A).

Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit der Bieter seien hier in der Vergabebekanntmachung nicht enthalten gewesen. Der Verweis auf § 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A ändere daran nichts. Zum einen könnte ein Bieter aus diesem pauschalen Verweis nähere Einzelheiten zum Leistungsgegenstand nicht entnehmen. Im Übrigen meine § 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A andere als die bereits in § 6 EG Abs. 3 Nr. 2a – e VOB/A aufgeführten Eignungskriterien. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („andere“) und deren Stellung im Text.

Damit habe der AG de facto erst nachträglich Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit gestellt. Dies verletze zwingendes Vergaberecht und habe zur Folge, dass der Ausschluss eines Bieters nicht darauf gestützt werden könne, er besitze nicht die notwendige technische Eignung.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Sowohl für Auftraggeber als auch Bieter ist diese Entscheidung von hohem Interesse. Auftraggeber ist noch einmal ins Stammbuch geschrieben, die Eignungsanforderungen bereits in der Bekanntmachung vollständig darzustellen. Ein nachträgliches „Nachbessern“ ist nicht mehr möglich; ebensowenig ein Verweis auf § 6 EG Abs. 3 Nr. 3 VOB/A, der sich auf andere Nachweise bezieht. Bieter sollten daher darauf achten, dass tatsächlich alle Kriterien zum Nachweis der Eignung bereits in der Bekanntmachung enthalten sind.



  Quelle: RA Michael Werner


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