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Kein Ausschluss wegen fehlender Angaben bei Zulassung eines Kurz-LVs!

07.06.2013

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 15. Januar 2013 – X ZR 155/10 – folgendes entschieden:

Legt der Öffentliche Auftraggeber den Vergabeunterlagen ein Kurztextleistungsverzeichnis bei, darf der Bieter als Adressat dies dahin verstehen, bei dessen Verwendung zur Beschreibung der angebotenen Leistung nur die darin geforderten Angaben machen zu müssen. Der Öffentliche Auftraggeber kann in diesem Fall den Ausschluss des Angebotes nicht darauf stützen, er habe sich an anderer Stelle in den Vergabeunterlagen ausbedungen, dass bei Verwendung selbstgefertigter Abschriften oder Kurzfassungen alle im Langtextleistungsverzeichnis geforderten Textergänzungen in das Kurztextverzeichnis übertragen werden müssen.

Bieter A beteiligte sich an einer Öffentlichen Ausschreibung betreffend einer Baumaßnahme zur Sanierung eines Parkhauses. Zu den vom AG für die Angebotserstellung übermittelten Vergabeunterlagen gehörten ein Langtext- und ein Kurztextleistungsverzeichnis (LV). Im Langtext-LV waren bei einzelnen Positionen nicht nur der Einheitspreis und der auf die Position entfallende Gesamtbetrag anzugeben, sondern darüber hinaus in weiteren Rubriken Angaben zum vorgesehenen Material und Hersteller bzw. Lieferwerk zu machen.

Im Kurztext-LV waren entsprechende Eintragungsfelder nicht vorgesehen. In den Vergabeunterlagen hieß es u. a.: „Anstelle des vom AG übersandten LV können selbstgefertigte Abschriften oder Kurzfassungen verwendet werden, wenn der Bieter das vom AG verfasste LV als alleinverbindlich anerkennt. Eine selbstgefertigte Abschrift oder Kurzfassung ist zugelassen. Das vom AG verfasste LV ist alleinverbindlich. Angebote, die diesen Bedingungen nicht entsprechen, können ausgeschlossen werden“. Der Bieter A verwendete lediglich das Kurztext-LV des AG und füllte dieses vollständig aus. Der AG schloss sein Angebot mit der Begründung von der Wertung aus, das eingereichte Kurz-LV enthalte entgegen den Vorgaben nicht die im Langtext-LV geforderten Textergänzungen, also die Angaben zum Material und dessen Herkunft. Darauf erhielt der zweitplatzierte Bieter den Zuschlag. A erhob Klage auf Schadensersatz, die von den Vorinstanzen abgewiesen wurde.
Der BGH ist hier anderer Auffassung als die Vorinstanzen und hebt das Urteil des OLG auf. Für das Verständnis der vom AG vorformulierten Vergabeunterlagen sei der objektive Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters maßgeblich. Bei der Prüfung, welcher Erklärungsgehalt in übermittelten Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit aus Sicht der Bieter zukomme, sei zu berücksichtigen, dass diese Unterlagen ein vom öffentlichen AG selbst vorformuliertes Kurztext-LV einschlossen. Die Verwendung von Kurzfassungen des LV sei im öffentlichen Auftragswesen seit langem eine gebräuchliche Rationalisierungshilfe. Nach der seit 11. Juni 2010 geltenden Fassung der VOB/A könnten Bieter für die Angebotsabgabe stets selbstgefertigte Abschriften oder Kurzfassungen des LV benutzen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A). Die VOB/A selbst bestimme den unabdingbaren Inhalt solcher Kurzfassungen lediglich dahin, dass die Positionen vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie in dem vom AG verfassten LV anzugeben seien. Liege – wie hier – ein vom AG selbst vorformuliertes Verzeichnis bei, dürfe der Bieter als Adressat dies dahin verstehen, bei Verwendung der Unterlage nur die dort geforderten Angaben machen zu müssen. Handele es sich dabei um ein Kurz-LV, in dem Textergänzungen nicht vorgesehen seien, könne der öffentliche AG den Ausschluss des Angebotes nicht darauf stützen, er habe sich an anderer Stelle in den Vergabeunterlagen ausbedungen, das bei Verwendung selbstgefertigter Abschriften oder Kurzfassungen alle im Langtext-LV geforderten Textergänzungen in das Kurztext-LV übertragen werden müssten.

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Anmerkung:
Der BGH zeigt mit dieser Entscheidung wieder einmal auf, dass grundsätzlich Unklarheiten der Vergabeunterlagen nicht zu Lasten des Bieters, sondern zu Lasten des Auftraggebers gehen. Wenn wie hier die vom AG selbst verfassten Unterlagen vorsehen, dass eine Einreichung des Kurz-LV ausreichen soll, kann sich der AG nicht nachträglich darauf berufen, der Bieter müsse alle im Langtext-LV geforderten Angaben machen.

  Quelle: RA Michael Werner


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