zurück

Kein Nachfordern bei inhaltlicher Unvollständigkeit des Angebots

28.06.2012

Das OLG Dresden hat mit Beschluss vom 21. Februar 2012 - Verg 1/12 - folgendes entschieden:

Ist wegen einer inhaltlichen Unvollständigkeit schon gar kein wirksames Angebot abgegeben worden, so handelt es sich nicht um das Fehlen von Erklärungen oder Nachweisen i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Das Angebot ist vielmehr auszuschließen, ohne dass dem Bieter Gelegenheit gegeben werden darf, es nachzubessern.

Ein Auftraggeber schrieb den Einbau einer küchentechnischen Anlage europaweit nach VOB/A aus. Mit dem Angebot für die Bauleistung sollte auch ein Vertrag für die Wartung und Inspektion der technischen Anlagen entsprechend einem vom Auftraggeber vorgegebenen Vertragsmuster angeboten werden. Dabei wurden die Bieter gebeten, mit dem Angebot eine Arbeitskarte für die von ihnen vorgesehenen Wartungsarbeiten zu erstellen. Die Arbeitskarten sollten nach dem Vertragsmuster Vertragsbestandteil werden. Ein Bieter fügte seinem Angebot den unterschriebenen Wartungsvertrag bei, nicht aber die Arbeitskarten. Diese reichte er erst nach Aufforderung des Auftraggebers nachträglich ein; sein Angebot sollte darauf den Zuschlag erhalten.

Ein Mitbewerber rief die Vergabekammer an mit dem Argument, das Angebot sei wegen der fehlenden Arbeitskarten unvollständig und müsse ausgeschlossen werden. Die Vergabekammer wies seinen Antrag zurück, da die Arbeitskarten nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachgefordert hätten werden können. Dagegen richtet sich seine sofortige Beschwerde zum OLG.

Das OLG gibt hier der sofortigen Beschwerde des Mitbewerbers Recht. Das Angebot des Beigeladenen sei hier gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen.

Eine derartige Änderung liege vor, wenn der Bieter die zu erbringende Leistung abändere und eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbiete. Eine solche Abänderung liege hier vor. Zwar habe der Beigeladene den Wartungsvertrag ausgefüllt, die technischen Geräte, die der Wartung unterfallen sollten, genannt und die dafür angebotenen Preise eingetragen. Jedoch habe er die Arbeitskarten nicht beigefügt. Damit war sein Angebot zum Abschluss eines Wartungsvertrages nicht nur unvollständig i.S. einer Lücke, die noch nachträglich gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A hätte geschlossen werden können. Vielmehr habe das Fehlen der Arbeitskarten dazu geführt, dass in der Angebotsfrist schon gar kein wirksames Angebot auf Abschluss eines Wartungsvertrages abgegeben worden sei.

Denn ausweislich des Wartungsvertrages sollten dem Auftragnehmer die in den Arbeitskarten beschriebenen Leistungen übertragen werden, d. h. die Arbeitskarten sollten Vertragsbestandteil werden. Die in den Arbeitskarten enthaltenen Eintragungen sollten die vertragsgegenständlichen Leistungen überhaupt erst bestimmen. Ohne diese Arbeitskarten sei daher offen geblieben, welche Leistungen überhaupt angeboten würden. Das mache ein Angebot ohne Arbeitskarten nahezu inhaltsleer und führe im Ergebnis dazu, dass eine der Annahme zugängliche Offerte gar nicht vorliege. Dann handle es sich auch nicht lediglich um eine fehlende Erklärung oder einen fehlenden Nachweis, der nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachgereicht werden könnte.

RA_Werner_onlineRGB.jpg


Anmerkung:

Wie dieser Beschluss zeigt, geht die lange Reihe der Entscheidungen zu dem mit der VOB/A 2009 neu eingeführten § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (Nachfordern von fehlenden Erklärungen und Nachweisen) weiter. Wie das OLG Dresden betont, muss man nun genau zwischen Erklärungen und Nachweisen unterscheiden, die Bestandteil des Vertrages sind und solchen, die Angaben, z. B. zur Eignung, nur belegen sollen. Eine für Auftragnehmer mit Sicherheit nicht einfach zu treffende Differenzierung.

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare