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Keine Mängelhaftung; keine Arbeitseinstellung!

10.11.2022

Weist ein Auftraggeber den Auftragnehmer ausdrücklich an, die Arbeiten weiterzuführen, obwohl dieser zuvor ordnungsgemäß Bedenken angemeldet hat, kann der Auftragnehmer die Fortführung der Arbeiten nicht verweigern, es sei denn, es besteht Gefahr für Leib und Leben oder gesetzliche bzw. behördliche Anordnungen stehen entgegen.

Das hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 05.08.2022 (21 U 84/21) entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:

AN führt für AG Bodenbelagsarbeiten auf Basis eines Vertrages unter Einbeziehung der VOB/B aus. Zum Zeitpunkt des vereinbarten Arbeitsbeginns erscheint AN nicht. Daraufhin fordert AG ihn nach § 5 Abs. 3 VOB/B unter Fristsetzung zur Arbeitsaufnahme auf. Nun meldet AG Bedenken an, und zwar wegen vorhandener Restfeuchte im Estrich sowie Schüsselung. AG setzt erneut eine Frist zur Fortsetzung der Arbeiten und droht eine Kündigung an. AN meldet erneut Bedenken an und lässt auch die zweite Frist ungenutzt verstreichen. Daraufhin erklärt AG die Kündigung.

Das Urteil:

Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist die Kündigung wirksam! AN habe die Arbeit trotz Kenntnis des AG vom Bedenkenhinweis und dessen Aufforderung zur Arbeitsaufnahme unter Fristsetzung innerhalb der Frist nicht aufgenommen. Daher habe AG gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kündigen können. Bereits durch seine ordnungsgemäße Bedenkenanmeldung sei AN von der Haftung frei geworden, § 13 Abs. 3 VOB/B. Da er für etwaige Mängel, die ihre Ursache in den geäußerten Bedenken haben, nicht mehr hafte, könne er die Arbeitsaufnahme auch nicht länger verweigern. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Nichtbeachtung des Bedenkenhinweises durch AG und die Durchführung der Arbeiten durch AN zu Gefahren für Leib und Leben führe oder gesetzliche oder behördliche Anordnungen entgegenstehen.

Fazit:

Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B muss der AN die Anordnungen des AG ausführen, auch wenn er diese für unberechtigt und unzweckmäßig hält. Macht er gegen die vom AG verlangte Ausführung ordnungsgemäß (d. h. zur rechten Zeit, in der richtigen Art und Weise, also klar und vollständig und gegenüber dem richtigen Adressaten, im Zweifel also dem Auftraggeber) Bedenken geltend, so wird er gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B von seiner Mängelhaftung frei. Ist er aber von der Haftung frei, so muss er die Anordnung des AG auch ausführen. Tut er dies nicht, kann AG seinerseits kündigen, wie der hiesige Fall anschaulich zeigt. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn entweder Gefahr für Leib und Leben besteht oder wenn (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1, letzter Halbsatz VOB/B) gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegenstehen. Ein solcher Fall ist etwa gegeben, wenn AN durch Ausführung der Anordnung des AG "sehenden Auges" gegen die ihm bekannte Baugenehmigung verstößt.

  Quelle: RA Michael Seitz


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