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Keine Nachforderung von Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben!

10.02.2015

Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 13.08.2014 – 3 VK LSA 75/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Geforderte Fabrikats-, Erzeugnis- und/oder Typangaben sind integrale Angebotsbestandteile und nicht nachzufordern. Das Fehlen solcher Angaben ist nicht heilbar und führt zum Angebotsausschluss.

• Entspricht keines der eingereichten Angebote den Anforderungen der Vergabeunterlagen, sind sie einer Zuschlagserteilung nicht zugänglich; das Vergabeverfahren ist aufzuheben.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte bei der Sanierung einer Kindertagesstätte Tischlerarbeiten öffentlich ausgeschrieben. Im LV war unter bestimmten Positionen die Angabe von Fabrikaten explizit gefordert. Zum Submissionstermin lagen zwei Hauptangebote vor. Bei beiden fehlten in den speziellen Positionen die im LV geforderten Fabrikatsangaben. Bieter A, der ein Angebot abgegeben hatte, wurde darauf wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen. Da nach dem Landesvergabegesetz Sachsen-Anhalt Unternehmen auch im Unterschwellenbereich entsprechend § 97 Abs. 7 GWB einen Anspruch darauf haben, dass der AG die Bestimmungen des Vergabeverfahrens einhält, reichte Bieter A nach Rüge Nachprüfungsantrag bei der VK ein.

Nach Ansicht der VK ist hier das Vergabeverfahren nicht rechtmässig und muss gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 und § 16 Abs. 1 Nr.1a VOB/A aufgehoben werden, da kein zuschlagsfähiges Angebot eingereicht worden sei. Beide Angebote seien einer Zuschlagserteilung nicht zugänglich, da sie als unvollständig gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1a VOB/A auszuschließen seien. Es fehlten in den bestimmten LV-Positionen die geforderten Fabrikatsangaben. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1a VOB/A seien Angebote, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorlägen, auszuschließen. Dies gelte sowohl für Komplettangebote als auch für Teile von Angeboten. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A seien Änderungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig; gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A seien Angebote, die Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthielten, auszuschließen.

Eine Nachforderung von geforderten, im Angebot jedoch fehlenden Fabrikats-, Erzeugnis- und/oder Typangaben sei auch nicht möglich nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, der den AG zur Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise verpflichte. Geforderte Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben seien integrale Angebotsbestandteile und könnten nicht nachgefordert werden. Das Fehlen solcher Angaben sei nicht heilbar und führe zum Angebotsausschluss.

Die vergaberechtliche Rechtsprechung gehe davon aus, dass § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nur im engeren Sinne fehlende Unterlagen erfasse. Eine inhaltliche Veränderung, ein Austausch oder eine Ergänzung bereits vorliegender Unterlagen stelle dagegen eine unzulässige Nachbesserung des Angebotes dar. Körperlich fehlende Erklärungen oder Nachweise könnten Gegenstand einer Nachforderung sein, aber körperlich vorliegende unvollständige Erklärungen oder Nachweise dürften nicht nachgebessert werden. Im vorliegenden Falle fehle eine inhaltlich mit dem Angebot verbundene Erklärung über die Herkunft der im Angebot kalkulierten Produkte - und zwar nicht nur im Angebot des Bieters A, sondern auch im Angebot des Bieters B. Entspreche jedoch keines der eingereichten Angebote den Anforderungen der Vergabeunterlagen, seien diese einer Zuschlagserteilung nicht zugänglich, das Vergabeverfahren müsse vielmehr aufgehoben werden.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Nach wie vor herrscht immer wieder Unsicherheit, welche Nachweise und Unterlagen seitens des AG (z.B. gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) nachgefordert werden müssen. Diesbezüglich hilft die Entscheidung weiter: Werden im LV Fabrikats-, Erzeugnis- und sonstige Typangaben gefordert, jedoch nicht vom Bieter beigebracht, können sie nicht nachgefordert werden, weil sie wesentlicher Bestandteil des Angebots sind.

  Quelle: RA Michael Werner


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