zurück

Keine Teilanfechtung wegen falscher Typenbezeichnung!

06.07.2012

Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 30. März 2012 - 1 Verg 1/12 - u. a. folgendes entschieden:

Eine Produkt- oder Typenbezeichnung ist keine isoliert wegen Irrtums anfechtbare
Willenserklärung, sondern Bestandteil der Willenserklärung Angebot.


Nach Ablauf der Angebotsfrist ist eine Teilanfechtung des Angebots mit dem Ziel
der Änderung einer Produkt- oder Typenbezeichnung nicht möglich.

Von RA Michael Werner

RA_Werner_onlineRGB.jpg


Im Zuge einer Umgestaltung und Erweiterung eines Kranken-hauses hatte ein öffentlicher Auftraggeber (AG) das Los „Lüftungsinstallation“ ausgeschrieben und im Leistungsverzeichnis u. a. 8 „Filter der Filterklasse H14 gemäß DIN EN“ unter Angabe der technischen Daten gefordert. Darauf hatte Bieter A sein Angebot abgegeben; die darin eingetragene Produkt- und Typenzeichnung, die er unverändert von den Angaben des Herstellers übernommen hatte, sah allerdings einen sog. „H13-Filter“ vor.

Der AG schloss darauf das Angebot wegen fehlender Ausschreibungskonformität aus und erklärte, den Zuschlag einem Konkurrenten zu erteilen. Im Nachprüfungsverfahren berief sich A auf die Anfechtung der Produktbezeichnung wegen eines durch einen Schreibfehler des Herstellers hervorgerufenen Erklärungsirrtums. Die Vergabekammer folgte dieser Auffassung, hier liege ein Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB vor. Mit der Anfechtungserklärung sei die Typenbezeichnung weggefallen, weshalb sie fehle und vom A gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachgefordert werden müsse. Weil der A inzwischen klargestellt habe, dass er das vom Auftraggeber Gewollte anbiete, sei sein Angebot zu werten.
Hiergegen legte der AG sofortige Beschwerde zum OLG ein.
Das OLG gibt hier dem AG Recht. Hier habe der A keine Abweichung von einer technischen Spezifikation i.S. von § 7 Abs. 5 VOB/A unterbreitet, sondern ein nicht zuschlagfähiges „Aliud“ (Anderes) angeboten, das auch als Nebenangebot schon deshalb nicht hätte gewertet werden können, weil in der Ausschreibung Nebenangebote nicht zugelassen waren. Entscheidend sei allein die Frage, ob die vertraglich geschuldete Leistung exakt dem entspreche, was der Auftraggeber hätte haben wollen, wenn er den Zuschlag auf das Angebot des A erteilt hätte. Es habe somit für einen verständigen und redlichen Erklärungsempfänger auch keinen Anlass gegeben, anzunehmen, die fehlerhafte Eintragung beruhe auf einem Schreibfehler und daraus den Schluss zu ziehen, nach dem wahren Willen des Erklärenden werde entgegen dem Wortlaut der Eintragung doch ausschreibungskonform angeboten. Wenn – wie hier – die Produktbezeichnung integraler Bestandteil der „Willenserklärung Angebot“ sei, weil mit ihr die angebotene (Teil-)Leistung entsprechend dem Wunsch des AG konkretisiert werde, komme zumindest nach Ablauf der Angebotsfrist eine Teilanfechtung gemäß § 139 BGB schon deshalb nicht in Betracht, weil ansonsten eine vergaberechtlich unzulässige nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts vorläge. Bei unterstellter Zulässigkeit und Wirksamkeit der Anfechtung habe diese vielmehr zur Folge, dass der A so zu behandeln sei, als habe er nie ein Angebot angegeben.

Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, welche hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Bieters zu
stellen sind. Er sollte sich daher davor hüten, bei Erstellung seiner Angebote diesbezügliche Herstellerangaben unkritisch und ungeprüft
zu übernehmen. Vielmehr sollte er genau prüfen, welche vom Auftraggeber geforderten Leistungen bzw. Lieferungen exakt anzubieten sind.

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare