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Keine vorzeitige Zuschlagserteilung bei fehlerhafter Ausschreibung!

27.10.2015

von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 20.07.2015 – Verg 37/15 – u.a. Folgendes entschieden:

• Steht ein geforderter Eignungsnachweis (hier: die Vorlage einer Erlaubnis im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – AÜG) in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand (hier: Sicherheitsdienstleistungen), leidet das Vergabeverfahren an einem gravierenden Mangel.

•  Leidet das Vergabeverfahren unter erheblichen Mängeln, kommt die Gestattung einer vorzeitigen Zuschlagserteilung nicht in Betracht.

Die Bundeskunsthalle in Bonn (AG) hatte im offenen Verfahren europaweit Sicherheitsdienstleistungen ausgeschrieben. Der AG forderte von den Bietern zum Nachweis der Eignung u.a. die Vorlage einer Erlaubnis gemäß § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Zusätzlich wurde im Rahmen des Zuschlagskriteriums „Qualität“ abgefragt, ob der Bieter dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) angehört und ob er über Referenzen in Bonn verfüge. Diese Fragen, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten waren, sollten bei Bejahung zu einer besseren Bewertung der „Qualität“ des Angebots führen. Ein Bieter rief darauf die Vergabekammer (VK) an. Die VK stellte fest, dass die Forderung des dargestellten Eignungsnachweises und die Abfrage von Eignungskriterien im Rahmen der Angebotswertung vergaberechtswidrig seien. Dagegen wiederum legte der AG sofortige Beschwerde beim OLG ein und beantragte gleichzeitig, ihm den vorzeitigen Zuschlag gemäß § 121 GWB zu gestatten. Die Sicherheitsdienstleistungen hatte der AG aufgrund der durch das Nachprüfungsverfahren verursachten Verzögerung zwischenzeitlich im Wege der Interimsvergabe beauftragt.

Das OLG entscheidet, dass der Antrag des AG auf vorzeitigem Zuschlag unbegründet sei. Bei der gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderlichen Abwägung bei Entscheidung über den vorzeitigen Zuschlag sei das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers ebenso zu berücksichtigen wie die Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag zu erhalten. Unter Berücksichtigung dessen sei hier eine vorzeitige Zuschlagserteilung zu versagen, denn die Ausschreibung leide an gravierenden Mängeln, die so schwer wögen, dass eine vorzeitige Zuschlagserteilung nicht in Betracht komme.

In der Bekanntmachung habe der AG zum Eignungsnachweis die Vorlage einer Erlaubnis im Sinne des § 1a AÜG im Original oder in Kopie gefordert. Ein solcher Eignungsnachweis sei unzulässig, weil er in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehe und ihm nicht angemessen sei. Wie sich aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen ergebe, beschränke sich die Ausschreibung ausschließlich auf einen Auftrag zur Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen. Eine Arbeitnehmerüberlassung, für die es in den Vergabeunterlagen keinerlei Hinweis gebe, sei nicht erfasst. Der geforderte Nachweis sei zudem unangemessen, weil Unternehmer, die Sicherheitsdienstleistungen anböten, nicht zwingend Verleiher von Arbeitnehmern seien. Dass nach langfristiger Planung die Inanspruchnahme von Arbeitnehmerüberlassungsdienstleistungen nicht ausgeschlossen werden könnte, rechtfertige aber noch nicht, einen auf eine ungewisse Planung gerichteten Eignungsnachweis zu verlangen. Des Weiteren würden hier Eignungs- und Zuschlagskriterien unzulässiger Weise vermischt. Die Bewertung der Angebotsqualität anhand solcher Fragen sei unzulässig, weil es sich um Eignungskriterien handele, die einer Qualitätsbewertung nicht zugänglich seien. Damit habe der AG nicht nur in unzulässiger Weise Eignungs- und Zuschlagskriterien vermischt, sondern auch deshalb gegen Vergaberecht verstoßen, weil er den Bietern nicht die Möglichkeit eröffnet habe, anders als durch eine Mitgliedschaft im BDSW die Einhaltung der für die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen aufgestellten Standards nachzuweisen.

Des Weiteren verstoße eine vorzeitige Zuschlagserteilung auch gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit, das auch im Vergaberecht zu beachten sei. Könne – wie hier – ein AG bis zur abschließenden Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen über von Bietern im Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Rügen den Beschaffungsbedarf im Wege einer Interimsvergabe vorübergehend befriedigen, stelle sich dies gegenüber einer vorzeitigen Zuschlagserteilung als das mildere Mittel dar.

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RA Michael Werner
Partner in der Kanzlei

ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb von großem Interesse, da sie klarstellt, dass das Verfahren hier an mehreren gravierenden vergaberechtlichen Mängeln leidet. So kann der AG im Rahmen der Eignungsprüfung nicht Nachweise verlangen, die mit dem Auftragsgegenstand in keinerlei sachlichem Zusammenhang steht. Des Weiteren hat er hier Eignungs- und Zuschlagskriterien miteinander vermischt, was unzulässig ist. Darüber hinaus stellt das OLG fest, dass eine – wie hier – gegebene Möglichkeit einer Interimsvergabe das bessere und mildere Mittel darstellt als die vom AG beantragte vorzeitige Zuschlagserteilung, weshalb letztere ebenfalls zurückgewiesen wurde.

  Quelle:


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