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Können Kündigungsgründe nachgeschoben werden?

07.12.2017

von Ra Michael Seitz

Beim Nachschieben von Kündigungsgründen kann eine Kündigung nach § 8 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B 2002 nur dann als wirksam angesehen werden, wenn die in § 4 Nr. 7 VOB/B 2002 genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen.

Dies hat der BGH in einem Beschluss vom 11.10.2017 (Az.: VII ZR 46/15) entschieden.

Der Fall: Die Gemeinde AG beauftragt AN mit Fensterbauarbeiten sowie der Errichtung einer Glasfassade. Die VOB/B ist in den Vertrag einbezogen. Am 29.03.2007 rügt die Gemeinde das Fehlen statischer Nachweise sowie die Verwendung bestimmter bauaufsichtlich nicht zugelassener Dübel (Rüge 1). Sie setzt eine Frist zur Mängelbeseitigung und droht die Auftragsentziehung bei fruchtlosem Ablauf an. Mit weiterem Schreiben vom 12.04.2007 (Rüge 2) fordert die Gemeinde die Vorlage bestimmter Nachweise sowie eines Bauzeitenplans, ebenfalls unter Fristsetzung. Nach Ablauf beider Fristen kündigt die Gemeinde am 18.04.2007 den Vertrag. Sie stützt sich dabei ausschließlich auf die Gründe aus Rüge 2. Anschließend fordert sie von AN Schadensersatz in Höhe von gut 600.000,- Euro. AN verlangt widerklagend gut 450.000,- Euro Werklohn. Landgericht und OLG geben der Klage des AN überwiegend statt, da die Nachweise und der Bauzeitenplan aus der Rüge 2 von AN nicht geschuldet seien.

Die Entscheidung: Ganz anders der BGH! Er hebt das Urteil des OLG auf. Selbst wenn die in Rüge 2 geforderten Unterlagen nicht geschuldet gewesen seien, habe die Gemeinde doch das Recht gehabt, die Gründe aus dem Schreiben vom 29.03.2007 (Rüge 1) zur Begründung der Kündigung „nachzuschieben“. Denn jedenfalls sei einer der dort gerügten Mängel (Verwendung falscher, nicht zugelassener Dübel) im Zeitpunkt der Kündigung am 18.04.2007 noch nicht behoben gewesen. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 VOB/B seien erfüllt, denn bereits im Schreiben vom 29.03.2007 habe AG Mängel gerügt und wegen dieser Mängel die Auftragsentziehung wirksam angedroht. Bei Ausspruch der Kündigung lag jedenfalls eine dieser Mängel auch noch vor. Daher könne AG diesen Kündigungsgrund zur Begründung der ausgesprochenen Kündigung noch nachschieben. Auf dieser Grundlage wird nun das OLG über die Berechtigung der wechselseitigen Ansprüche erneut zu entscheiden haben.

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Fazit: Für den Bauunternehmer ist das Ergebnis des BGH höchst ärgerlich. Im Ergebnis kann der Auftraggeber, die Wirksamkeit seiner Kündigung auch auf Gründe stützen, die er bereits vorher gerügt, auf die er seine Kündigung später aber nicht gestützt hat. Diese Gründe müssen nur bereits vor Ausspruch der Kündigung vorhanden und auch nicht bereits behoben worden sein. Stets ist es allerdings erforderlich, dass die Kündigung zeitnah nach Ablauf der nach § 4 Abs. 7 in Verbindung mit § 8 Abs. 3 VOB/B gesetzten Frist ausgesprochen werden. Das war hier der Fall, denn die erste Mängelrüge, die zunächst nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen wurde, stammte vom 29.03.2007, die Kündigung vom 18.04.2007. Lässt allerdings AG längere Zeit zwischen der Fristsetzung und der Kündigung verstreichen, so kann er seine Kündigung nicht mehr auf den Ablauf dieser Frist stützen. Er muss dann vor der Kündigung erneut eine Frist setzen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Anzahl der Fälle, in denen Kündigungsgründe noch nachgeschoben werden können, überschaubar bleiben.

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