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Können fehlende Fabrikatsangaben nachgefordert werden?

23.08.2013

Die Vergabekammer Thüringen (VK) hat mit Beschluss vom 12.04.2013 - 250 - 4002 - 2004/2013 - E - 008 - SOK - folgendes entschieden:

1. Die vom Auftraggeber gewählten Mindestanforderungen zum Nachweis der Eignung müssen (bereits in der Bekanntmachung) möglichst klar und für alle Bieter verständlich formuliert sein. Die Verweisung auf Formulare, in denen eine Aufzählung von Eignungskriterien enthalten ist, reicht als klare und für alle Bewerber/Bieter verständlich formulierte Anforderung nicht aus.

2. Geforderte Fabrikats-, Zeugnis- und Typangaben sind integrale Angebotsbestandteile. Das Fehlen solcher Angaben ist nicht heilbar und führt zum Angebotsausschluss.

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte die Herstellung einer Pfosten-Riegel-Fassade im Offenen Verfahren nach VOB/A europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung hatte der AG speziell zum Eignungsnachweis ausschließlich auf den Präqualifikationsnachweis, das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) und die Bewerbungsbedingungen verwiesen. Die Leistungsbeschreibung im Leistungsverzeichnis (LV) erfolgte teilweise mit Vorgabe eines Leitfabrikats und der Forderung nach Angabe des angebotenen Fabrikats. Im Angebot des Bieters A fehlten zu zwei LV-Positionen die geforderten Angaben zum Fabrikat. Der AG forderte darauf mindestens eine der fehlenden Fabrikatsangaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 EG VOB/A nach, worauf A diese nachreichte. A wurde später wegen Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit mit seinem Angebot ausgeschlossen. A leitete darauf wegen seines Ausschlusses ein Nachprüfungsverfahren ein.

Die Vergabekammer gibt hier Bieter A recht und ordnet die Rückversetzung des Verfahrens an. Wie die Eignungsprüfung zu erfolgen habe, sei in § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A festgelegt. Die Mitteilung über den „zu erfüllenden Anspruch“ (Eignungskriterium) habe in der Bekanntmachung zu erfolgen. Der AG müsse also bereits in der Bekanntmachung, nicht erst in den Vergabeunterlagen, den Bewerbern mitteilen, welche Eignungsvoraussetzungen von diesen zu erfüllen seien, um die Schwelle der Eignung für die Ausführung der ausgeschriebenen Leistung überspringen zu können. Die Verweisung auf Formulare, in denen eine Aufzählung von Eignungskriterien enthalten sei, reiche demzufolge als klare und für alle Bewerber/Bieter verständlich formulierte Anforderungen nicht aus. Maßgebend sei vielmehr die eindeutige Benennung/Aufzählung und verständliche Formulierung der geforderten Eignungskriterien in der Bekanntmachung.

Im Übrigen führe das Fehlen geforderter Fabrikatsangaben zum zwingenden Ausschluss des Angebots. Die geforderten Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben seien integraler Angebotsbestandteil und daher nicht nachzufordern. Das Fehlen solcher Angaben sei nicht heilbar und führe zum Angebotsausschluss. Die Nachforderung von geforderten, im Angebot jedoch fehlenden Fabrikats-, Erzeugnis- und Typangaben falle nicht unter den § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, der den AG zur Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise verpflichte. Bei den nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordernden Nachweisen und Erklärungen sei genau zu differenzieren zwischen:

1. Angaben, die Vertragsgegenstand werden und

2. solchen, die nur der Erläuterung des Vertragsinhaltes (z. B. Erläuterung der Einheitspreise, Aufgliederung von Nebenangeboten in einzelne Positionen, Mengen laut Bewerbungsbedingungen, etc.) bzw. außerhalb des Vertrages stehende Umstände beschrieben (z. B. Eignungsnachweise).

Danach dürften die Angaben, die – wie Fabrikats-, Produkt- und Typangaben – Vertragsgegenstand würden, um die vertragsgegenständliche Leistung zu bestimmen, nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht nachgefordert werden. Da mit dem Angebot nicht dem in den Vergabeunterlagen geäußerten Willen des AG entsprochen werde (hier der Forderung nach Angabe von Fabrikat, Produkt oder Typ), liege wegen der fehlenden Übereinstimmung des Willens von AG und dem Inhalt des vom Bieter eingereichten Angebot eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen vor, die gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A zum Ausschluss des Angebots führen müsse.

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Anmerkung:

Seit Einführung der Nachforderungspflicht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A – EG wurde immer wieder in der Vergabepraxis die Frage gestellt, was unter „geforderten Erklärungen oder Nachweisen“ genau zu verstehen ist. Hier gibt die oben genannte Entscheidung wertvolle Hinweise, welche Angaben fundamentaler Vertragsinhalt und welche Angaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A Nachforderungen zugänglich sind.

  Quelle: RA Michael Werner


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