zurück

Kontinuität prägt Handwerkskonjunktur

17.07.2013

Handwerkstag lehnt Steuererhöhungen ab und schlägt Meisterbonus vor

Eine ausgesprochen zufriedene Bilanz zog Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle in der Jahrespressekonferenz des Baden-Württembergischen Handwerkstages (BWHT): „2012 war ein gutes Jahr und auch für 2013 erwarten wir ein moderates Wachstum“. Zunehmend Sorge bereitet der Branche dagegen die Ausbildungssituation. Aktuell gibt es noch in allen Ausbildungsberufen offene Lehrstellen. Das Handwerk brauche bessere Rahmenbedingungen und mehr Planungssicherheit, sagte Möhrle weiter: „Steuererhöhungen mit katastrophalen Folgen vor allem für Familienbetriebe gehören jedenfalls nicht dazu“. Außerdem schlägt der Handwerkstag einen Meisterbonus vor, wie ihn ab September die Bayern haben.

Die Handwerksbetriebe im Land erwirtschafteten 2012 einen Umsatz in Höhe von rund 80 Milliarden Euro. Möhrle: „Ein nach wie vor hohes Niveau, auch wenn das exzellente Ergebnis von 82 Milliarden Euro des Jahres 2011 nicht ganz erreicht werden konnte“. Allerdings entwickelten sich die Branchen unterschiedlich. Konsumnahe Handwerke konnten ihre Umsätze halten oder übertrafen sie sogar, während Baubetriebe und gewerbliche Zulieferer Abstriche machen mussten. Die Zahl der Mitarbeiter blieb mit 735.000 nahezu konstant.

Das Jahr 2013 begann für das Handwerk witterungsbedingt leicht holprig. Frost und Schnee haben mehr als drei Monate lang die Baukonjunktur behindert. Die Kfz-Branche meldete sinkenden Neuwagen-Absatz und schwächeres Werkstattgeschäft. Auch in den Handwerken für den gewerblichen Bedarf startete die Nachfrage nicht mehr so dynamisch wie vor Jahresfrist. Trotzdem sind die Erwartungen in allen Handwerken, gerade auch in den von Rückgängen betroffenen, durchweg optimistisch. Besonders positive Stimmung herrscht bei den Baubetrieben: Als einzige Branche sind sie zufriedener als noch vor einem Jahr, muss doch der angesammelte Auftragsstau abgearbeitet werden.

Für das Jahr 2013 erwartet der Handwerkstag bei konstanter Beschäftigung ein leichtes nominales Umsatzwachstum von 0,5 %, das vor allem aus weiter steigenden Investitionen in den Wohnungsbau getragen wird. Nur marginale Veränderungen gab es bei den Betriebszahlen. Ende letzten Jahres waren exakt 132.710 Betriebe in den Handwerksrollen der acht baden-württembergischen Kammern eingetragen und damit nur 81 Betriebe oder 0,1 % mehr als zu Jahresbeginn. Im zulassungspflichtigen Handwerk gab es mit 83.095 Betrieben ein Minus von 648 Betrieben (-0,8 %). Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren wurden weniger als 4.000 Neueintragungen pro Jahr gezählt. Das ist der stärkste Rückgang seit dem Jahr 2003. „Das klingt dramatisch, passt aber ins Bild der Gesamtwirtschaft“, erklärte Möhrle.


Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) sind deutschlandweit die Gründungen im Jahr 2012 um rund 14 %, im baden-württembergischen Handwerk um 10,2 % zurückgegangen. „Gründe dafür sind die gute wirtschaftliche Lage und die Fachkräfteengpässe in einigen Berufen, die viele gute Beschäftigungsmöglichkeiten in abhängiger Beschäftigung bieten, aber auch Verschlechterungen beim Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit“, vermutet Möhrle. Der Betriebsbestand im zulassungsfreien Handwerk ist um 790 (+3,2%) auf 25.288 Betriebe gewachsen. Damit fiel auch hier der Zuwachs geringer aus als in den letzten Jahren. Im handwerksähnlichen Gewerbe waren 24.270 Betriebe eingetragen (-0,2%).

hwp-moehrle-hgf-vogel-print-2.jpg

Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle und BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel.

Foto: www.handwerk-bw.de

„Der handwerkliche Unternehmergeist ist ein wichtiger Motor für Wachstum und Beschäftigung im Lande“, unterstrich Möhrle. Damit dies so bleibt, brauche es eine Neujustierung der Rahmenbedingungen. Als Unsicherheitsfaktoren bezeichnete Möhrle die steigenden Energiekosten, aber auch die Steuererhöhungen, die von der SPD und den Grünen für den Fall ihres Wahlsieges bei der Bundestagswahl angekündigt wurden. Möhrle: „Die Erhöhung des Einkommenssteuerspitzensatzes und der Erbschaftssteuer oder die Wiederbelebung der Vermögenssteuern hätten massive negative Auswirkungen für die kleinen und mittleren Betriebe“. Eine Politik, die den Mittelstand stärke, sei die beste Standortpolitik. Was derzeit in der Steuerpolitik diskutiert werde, sei aber schlichtweg eine Katastrophe. Das Handwerk brauche Planungssicherheit, um weiter für die Zukunft und damit in künftiges Wachstum investieren zu können. Die Handwerker seien steuerehrlich und drohten nicht mit der Flucht hinter die Grenzen, weder die des Kapitals noch der Arbeitsplätze.

Sorgen bereitet Möhrle die Nachwuchs- und Fachkräftesituation im Handwerk. Die Zahl der Schulabgänger sinke demographisch bedingt Jahr für Jahr weiter, während die Studentenquote mit kräftiger Unterstützung der Bildungspolitiker aller Parteien gestiegen sei: „Jetzt beginnen sich die Folgen zu zeigen“. Für das neue Ausbildungsjahr wurden bislang 8.121 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind 2,9 % weniger als noch vor einem Jahr und damals waren es schon 5,5 % weniger als in 2011. Möhrle geht davon aus, dass der Vorjahresstand von 19.900 Verträgen nicht wieder erreicht wird. Im laufenden Ausbildungsjahr konnten mehr als 1.500 Stellen im Handwerk nicht besetzt werden. Für das neue Ausbildungsjahr gibt es noch rund 3.300 offene Lehrstellen. Insgesamt bilden die Betriebe derzeit 51.000 Lehrlinge aus. Wenn es nicht gelinge, mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung im Handwerk zu gewinnen, so Möhrle weiter, drohe im schlimmsten Fall tausenden Handwerksbetrieben das Aus, weil die alt gewordenen Handwerksunternehmer keine Nachfolger finden. Möhrle geht von rund 19.000 Betrieben aus, die in den nächsten zehn Jahren übergeben werden sollen. Demgegenüber stünden jährlich 3500 Meister, wovon sich erfahrungsgemäß aber nur rund die Hälfte selbstständig machen will. Das Handwerk unternehme alle erdenklichen Anstrengungen, erwarte dies aber auch von der Politik. Die Gemeinschaftsschule, die Lehrerausbildung, die Berufsorientierung und der Erhalt von Kleinklassen an Berufsschulen - viele Räder müssten ineinandergreifen.

Die Landesregierung müsse zeigen, dass es ihr ernst ist mit der vielgepriesenen Gleichwertigkeit der beruflichen und allgemeinen Bildung, griff BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel die Schieflage in der Frage der Gleichwertigkeit auf. Vogel: „Mit dem Meisterbonus machen die Bayern vor, wie das geht“. Ab 1. September 2013 erhalten im Nachbarbundesland alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Meisterprüfung oder gleichwertigen öffentlich-rechtlichen Fortbildungsprüfung eine finanzielle Anerkennung des Freistaats in Höhe von 1.000 Euro. Baden-Württemberg habe die Studiengebühren abgeschafft, im Gegenzug wäre die Einführung einer Meisterprämie nur gerecht und konsequent: „Das wäre ein Baustein mit Signalwirkung für den Weg in die berufliche Bildung“.

  Quelle: www.handwerk-bw.de


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare