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Korrektur einer fehlerhaften Ausschreibung auch nach Submission?

28.04.2015

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 12.01.2015 – Verg 29/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Grundsätzlich kann der Auftraggeber einen im Vergabeverfahren gemachten Fehler korrigieren und das Verfahren teilweise aufheben. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten zum Neubau eines Polizeipräsidiums europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Zu den Leistungen gehörte insbesondere die Herstellung eines mittels Bohrpfählen zu erstellenden Baugrubenverbaus. Zuschlagskriterium war der Preis; Nebenangebote waren nicht zugelassen. Vor Submission stellte der AG auf Bieterfragen klar, dass der mittels Bohrpfählen herzustellende Baugrubenverbau nach Sichtfläche kalkuliert werden sollte. Nach Submission stellte der AG jedoch fest, dass den im LV angegebenen Massenvordersätzen die höheren Ausführungsflächen (statischen Flächen) des Verbaus zugrunde lagen. Darauf teilte er allen Bietern mit, dass sieben aufgeführte Positionen des LV korrigiert würden, dort niedrigere Massenvordersätze festgelegt würden und diese von den Bietern mit den korrigierten Vordersätzen neu zu kalkulieren und anzubieten seien. Diese sieben Positionen machten preislich rund 10 % des Gesamtangebotes aus. Bieter A, der nach der ersten Submission Mindestbieter war, fand sich nach der zweiten Submission auf dem zweiten Platz wieder. Nach Rüge stellte er Nachprüfungsantrag, in dem er einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot und Verzerrung des Wettbewerbs monierte.

Das OLG weist den Nachprüfungsantrag zurück. Die teilweise Zurückversetzung des Verfahrens in eine zweite Angebotsrunde sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das (in § 7 Abs. 1 und Nr. 2 VOB/A-EG) enthaltene Gebot, den Bietern eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, liege darin nicht. Bei dieser Zurückversetzung des Verfahrens in eine zweite und auf sieben Preispositionen beschränkte Angebotsrunde handele es sich um eine zulässige Teilaufhebung der Ausschreibung, die der Korrektur eines zuvor begangenen Fehlers diene. Stelle ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest, sei er zu einer Fehlerkorrektur grundsätzlich berechtigt. Eine bereits erfolgte Submission schließe eine solche Fehlerkorrektur nicht aus. Zwar sei richtig, dass ein transparenter Wettbewerb wegen der damit verbundenen Manipulationsgefahr nicht mit einer im Belieben des AG stehenden Wiederholung der Angebotsabgabe zu vereinbaren sei. Es stehe aber gerade nicht im Belieben eines öffentlichen AG, vor und nach Submission den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Angebote einzuräumen. Eine Korrektur im Vergabeverfahren gemachter Fehler durch den AG sei nicht an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 VOB/A-EG gebunden. Ein öffentlicher AG könne grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt habe. Dies sei Folge der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibung vergebene Aufträge gelte.

Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch teilweise Aufhebung einer Ausschreibung sei lediglich, dass der AG für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund habe, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich sei oder nur zum Schein erfolge. Hier habe ein erheblicher Fehler vorgelegen, der der Korrektur bedurfte, weil sich bei Auswertung der Angebote ergeben habe, dass alle Bieter die Sichtflächen gleichermaßen auf der Grundlage der Pläne errechnet und damit ihren Preiskalkulationen unterschiedliche Massen zugrunde gelegt hätten. Die Angebote seien damit nicht mehr vergleichbar gewesen. Wie und in welchem Umfang ein öffentlicher Auftraggeber einen erkannten Fehler in seiner Ausschreibung behebe, unterliege seiner Gestaltungsfreiheit, die an die vergaberechtlichen Gebote der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gebunden sei. Insoweit sei die Beschränkung der zweiten Angebotsrunde auf Preisangaben zu sieben Positionen des LV nicht zu kritisieren. Ändere sich in der zweiten Angebotsrunde die Bieterreihenfolge, sei dies von den am Wettbewerb beteiligten Unternehmen hinzunehmen. Dies gelte erst recht, wenn es sich – wie hier – um einen reinen Preiswettbewerb handele, bei dem bereits eine Abweichung der Angebotspreise in geringfügiger Höhe für die Zuschlagsentscheidung ausschlaggebend sein könne (§ 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A-EG). Einem fairen Wettbewerb stehe die Beschränkung der Neuverpreisung nur auf einige Teilpositionen des LV jedenfalls dann nicht entgegen, wenn diese – wie hier – die Preisstruktur der Angebote im Übrigen nicht in relevanter Weise beeinflusse. Dabei sei eine solche Einflussnahme nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, vom AG zu prüfen und im Streitfall vom Bieter darzulegen. Dagegen sei eine prozentual ermittelte „Geringfügigkeitsschwelle“, wie sie ebenfalls vertreten wird (15 % der eingereichten Angebotssummen), für die Wirksamkeit der Teilkorrektur der Ausschreibung kein sachgerechter Prüfmaßstab.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die Entscheidung ist sowohl für Auftraggeber wie Bieter von hohem Interesse. Neben einer völligen Verfahrensaufhebung oder der vollständigen Zurückversetzung des Verfahrens kann danach auch eine Teilneuverpreisung der als fehlerhaft erkannten Teile der Ausschreibung in Betracht kommen. Auftraggeber müssen sich jedoch darüber klar sein, dass die Neuverpreisung für den Bieter mit Aufwand verbunden sein kann, den dieser unter Umständen ersetzt verlangen kann.

  Quelle: RA Michael Werner


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