zurück

Kulanz ist kein Anerkenntnis!

04.12.2014

In der Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten ist kein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis eines Mängelbeseitigungsanspruches zu sehen, wenn der Unternehmer zum Ausdruck bringt, die Arbeiten nur aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbringen zu wollen.

Dies hat der BGH mit Beschluss vom 9. Juli 2014 (Az.: VII ZR 161/13) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN unter Einbeziehung der VOB/B 1996 mit der Lieferung und Montage einer Stahl-Glas-Fassade. Im Juni 1998 findet eine Begehung statt, von der streitig ist, ob es sich um eine Abnahme gehandelt hat oder nicht. Zwischen 2000 und 2007 kommt es in insgesamt sechs Fällen zu Glasbrüchen an der Fassade. AG übersendet AN im September 2002 eine Mängelanzeige. Die Parteien verständigen sich darauf, die Ursachen der Glasbrüche durch einen Privatsachverständigen überprüfen zu lassen. Die von dem Sachverständigen erarbeiteten Vorschläge setzte AN im März 2003 um. Im Juli 2004 leitete AG ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Im Jahre 2010 schließlich verklagt AG AN auf Zahlung von Schadensersatz und beruft sich darauf, die Glasscheiben seien ungeeignet gewesen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, da im Austausch der Scheiben durch AN ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 BGB zu sehen sei. Daher habe die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen. AN beruft sich demgegenüber auf Verjährung. Er trägt unter Beweisantritt vor, sein Geschäftsführer habe beim Ortstermin ausdrücklich erklärt, die Arbeiten würden lediglich aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durchgeführt.

Das Urteil: Der BGH hebt das Berufungsurteil auf, weil ein unzureichendes rechtliches Gehör gewährt worden sei. Landgericht und OLG hatten nämlich den Vortrag des Beklagten, ihr Geschäftsführer habe ausdrücklich erklärt, die Arbeiten würden lediglich aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durchgeführt, zu Unrecht übergangen. Die Frage sei nämlich für die von AN erhobene Verjährungseinrede entscheidungserheblich. Zwar könne die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten ein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis eines Mängelbeseitigungsanspruchs gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sein. Bringt der Unternehmer jedoch zum Ausdruck, dass die Arbeiten nur aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht werden, so gilt dies nicht. Die unter Beweisantritt gestellte Behauptung des AN, ihr Geschäftsführer habe eine solche „Kulanzerklärung“ abgegeben, ist daher entscheidungserheblich. Deshalb verweist der BGH die Sache an das OLG zurück, das nunmehr aufklären muss, ob es eine solche Erklärung tatsächlich gegeben hat.

Hauptgeschaeftsfuehrung_Seitz.JPG

Fazit: Die Entscheidung liegt ganz auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Erklärt AN anlässlich einer Mängelrüge des AG, die Mängelbeseitigungsarbeiten nur „aus Kulanz“ durchführen zu wollen, so ist darin kein Anerkenntnis zu sehen mit der Folge, dass die Verjährungsfrist nicht erneut zu laufen beginnt. Erhebt AG dann nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Verjährungsfrist erneut eine Mängelrüge, kann sich AN auf Verjährung berufen. Daher sollten Bauunternehmer gerade in Fällen, in denen entweder die Verjährung demnächst ansteht oder aber die Mängel streitig sind, überlegen, ob sie dem Bauherrn die Beseitigung der Mängel nur „aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ anbieten. Schon aus Gründen der späteren Beweisbarkeit sollte ein solches Angebot allerdings stets schriftlich erfolgen.

Nimmt AG dieses Angebot an, so beginnt die Verjährungsfrist nicht erneut zu laufen. Das sollte nun aber nicht zu der Annahme verleiten, man könne sich einer Verlängerung der Verjährung stets entziehen, indem man die Leistungen nur „aus Kulanz“ durchführt. Soweit nämlich die Mängelrüge zu Recht erhoben wurde, dürfte AG berechtigt sein, eine nur kulanzhalber durchgeführte Mängelbeseitigung zurückzuweisen mit der Folge, dass eine etwa von ihm zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist ungenutzt verstreicht und AN sein Mängelbeseitigungsrecht verliert. Daher sollte AN gerade dann, wenn er sich nicht sicher ist, vor einem derartigen Kulanzangebot stets Rechtsrat einholen.

  Quelle: RA Michael Seitz


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare