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Leistungsverweigerungsrecht bei Nachträgen?

18.12.2014

Grundsätzlich darf ein Auftragnehmer bei Streitigkeiten über Nachtragsforderungen die Leistung nicht verweigern; ein solches Leistungsverweigerungsrecht steht ihm ausnahmsweise nach Treu und Glauben nur dann zu, wenn entweder die Leistungsaufnahme oder die Leistungsfortführung bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls für ihn unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Auftraggeber endgültig nicht dazu bereit ist, eine zusätzliche Leistung zu vergüten, sofern die Neuvergütung von der ursprünglich vereinbarten Vergütung nicht nur unerheblich abweicht.

Dies hat das OLG Koblenz in einem Urteil vom 06.11.2014 (Az.: 6 U 245/14) entschieden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber, beauftragt AN mit Dachdeckerarbeiten. Nach Beginn der Arbeiten an dem Bestandsgebäude stellt sich heraus, dass dieses über ein so genanntes Kiespressdach verfügt, dessen Entsorgung erhebliche Mehrkosten verursacht. AN verlangt von AG die Beauftragung von Nachtragsleistungen, weil er von dem Kiespressdach und der damit erforderlichen Entsorgung nicht habe ausgehen müssen. AG weist die eingehend begründete Forderung schon dem Grunde nach zurück und setzt AN zudem eine Frist zur Arbeitsfortführung unter Kündigungsandrohung. AN verweigert die Leistung, AG kündigt und verlangt Mehrkosten für die Restfertigstellung von 32.000,00 €.

Das Urteil: Das OLG Koblenz weist die Klage ab. AN habe sich berechtigt auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen und sei daher nicht in Verzug geraten. Zwar berechtigten Streitigkeiten den AN grundsätzlich nicht zu einer Einstellung der Arbeiten. Ein solches Leistungsverweigerungsrecht kann jedoch ausnahmsweise gegeben sein, wenn AG die Nachtragsforderung bereits dem Grunde nach endgültig ablehnt. Das OLG legt dann den Vertrag aus und urteilt, AN habe diesen so verstehen dürfen, dass er eine lose Kiesschüttung auf einer Kunststoffbahn und nicht ein Kiespressdach vorfinde.

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Fazit: Gerade Nachträge führen immer wieder zu Streitigkeiten. AN meint, AG habe eine zusätzliche oder geänderte Leistung beauftragt, AG hingegen meint, die Leistung sei bereits im Leistungsumfang enthalten und daher nicht nachtragsfähig. Zudem steht häufig auch die Höhe der Nachtragsforderung im Streit. Entgegen der Auffassung vieler Bauunternehmer berechtigt der Streit über den Nachtrag nicht zur Arbeitseinstellung. Dies folgt für den VOB-Vertrag bereits aus § 18 Abs. 5 VOB/B, im BGB-Vertrag gilt jedoch nach der Rechtsprechung nichts anderes. Ausnahmsweise darf allerdings AN die Leistung verweigern, wenn AG bereits dem Grunde nach nicht bereit ist, die Nachtragsforderung, die allerdings nicht unerheblich sein darf, anzuerkennen oder jegliche Diskussion darüber verweigert. Dies folgt aus Treu und Glauben, konkreter aus der baurechtlichen Kooperationspflicht. Ist AG also - wie hier - so „dumm“, den Nachtrag endgültig zu verweigern, so darf AN die Arbeiten einstellen. Der „kluge“ Auftraggeber wird jedoch den Nachtrag nie endgültig verweigern, sondern sich über Grund und Höhe verhandlungsbereit zeigen, um AN das Recht zur Arbeitseinstellung zu nehmen. In solchen Fällen ist die Rechtslage unklar, maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Liegt nicht eine eindeutige Verweigerung der Bezahlung eines begründeten Nachtrages vor, so ist es daher für den Unternehmer höchst riskant, die Arbeiten einzustellen. Ob er hierzu berechtigt war oder nicht, lässt sich zumeist erst in einem etwa folgenden Rechtsstreit endgültig klären. In derartigen Fällen ist dem Unternehmer stets zu raten, vor einer Entscheidung über die Einstellung der Arbeiten Rechtsrat einzuholen.

  Quelle: RA Michael Seitz


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