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Leistungsverzeichnis geht Bemusterung vor!

06.09.2018

von RA Michael Seitz

Gibt der Bauherr bei einer Bemusterung ein bestimmtes Produkt frei, werden dadurch die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht verdrängt, und zwar selbst dann nicht, wenn AG die Abweichung vom Leistungsverzeichnis erkennen konnte.

Dies hat das OLG Schleswig in einem Urteil vom 18.08.2017 (Az.: 1 U 11/16) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 05.06.2018 (Az.: VII ZR 200/17) zurückgewiesen.

Der Fall: AN führt für AG Fliesenarbeiten in einem Treppenhaus auf Basis eines VOB-Vertrages durch. Nach dem LV sollen die Podestfliesen zu den bereits verlegten Stufenfliesen passen und die Rutschfestigkeitsklasse R9 haben. Bei einem Bemusterungstermin legt AN dem AG ein Muster für die Podestfliesen vor, das farblich von den Stufenfliesen leicht abweicht, von AG jedoch gleichwohl zur Ausführung freigegeben wird. Da die bemusterten Podestfliesen keine keramische Oberflächenvergütung aufweisen und die Rutschfestigkeitsklasse R10 besitzen, kommt es später zu Verfärbungen auf diesen Fliesen. AG fordert von AN nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung einen Vorschuss in Höhe von 9.500,00 €. AN erhebt Klage auf Zahlung des Restwerklohns in Höhe von 14.000,00 €.

Das Urteil: Nach Auffassung des OLG Schleswig ist die Leistung des AN mangelhaft. Die Beschaffenheit der Podestfliesen weiche von der getroffenen Vereinbarung ab, weil diese Fliesen nicht zu den Stufenfliesen passen, sondern sowohl eine unterschiedliche Rutschfestigkeitsklassse und Rauigkeit und - daraus folgend - eine unterschiedliche Schmutzanfälligkeit aufweisen. Hierauf hätte AN nach Auffassung des OLG Schleswig hinweisen müssen, was er aber nicht tat. Freigegeben hatte AG aber lediglich die Farbe der Fliesen, daher kann sich AN nicht darauf berufen, AG habe die Fliesen bei der Bemusterung ja selbst ausgesucht. Auch darauf, ob die Unterschiedlichkeit der Fliesen bei der Bemusterung erkennbar war, kommt es nicht an, weil nach der Feststellung des Gerichts schon nicht feststeht, ob AG diese erkannt hat. Entscheidend ist, dass AN als fachkundiges Unternehmen den AG über die Vor- und Nachteile hätte aufklären können. Ein Mitverschulden des Architekten des AG lehnt das Gericht ab, weil AG dem AN keine Bauaufsicht schuldet.

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Fazit: Die Entscheidung erscheint zwar streng, ist aber im vorliegenden Fall im Ergebnis gut vertretbar. AN hat AG bei der Bemusterung offenbar (bewusst?) eine Fliese geringerer Qualität vorgelegt. Konnte AG nicht erkennen, dass dies hinsichtlich der Schmutzanfälligkeit Folgewirkungen hat, so hatte er auch keinen Rechtsbindungswillen, bei der Bemusterung den Vertrag zu ändern. Dies kann allerdings in Fällen, in denen AG die Nachteile des angebotenen Produkts sehr wohl erkennt, sich aber trotzdem - beispielsweise aus Kostengründen - dafür entscheidet, durchaus anders sein. In solchen Fällen dürfte durch die Vereinbarung bei der Bemusterung die ursprüngliche vertragliche Vereinbarung im LV geändert werden. Da der Bauunternehmer sich dessen jedoch nie sicher sein kann, sollte er folgendes beachten: Zum einen sollte er, wenn er bei der Bemusterung ein anderes als das im LV bezeichnete Produkt angibt, stets umfassend auf die Vor- und Nachteile hinweisen. Entscheidet sich der Bauherr dann für das bemusterte Produkt, sollte er dies nach Möglichkeit mit dem Bauherrn schriftlich vereinbaren oder dem Bauherrn jedenfalls eine Bestätigung der bei der Bemusterung mündlich getroffenen Vereinbarung übersenden. Ist der Bauherr Kaufmann, so dürfte die Vertragsänderung wirksam werden, wenn AG nicht widerspricht, denn dann handelt es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben im Sinne von § 362 HGB. Ist der AG allerdings Verbraucher, ist diese Vorschrift nicht anwendbar.

  Quelle: RA Seitz


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