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Lippenstift kontra Krawatte

08.01.2013

Eine Geschlechter-Debatte mit zwei Personalberatern über die Führungskraft der Zukunft

Von Anna Ringle-Brändli
Der Ruf nach einer Frauenquote in Führungsebenen wird seit Jahren lauter - Deutschlands Chefetagen bleiben indes weiter von Männern dominiert. Wird sich das jemals ändern? Zwei Headhunter stehen Rede und Antwort. Was sie voneinander unterscheidet? Einer vermittelt ausschließlich Frauen in Top-Jobs, beim anderen sind es vorwiegend Männer. dapd-Korrespondentin Anna Ringle-Brändli hat ein Geschlechter-Ping-Pong arrangiert - über männliche Attitüden, die neue Zielgruppe „Frau“ in Unternehmen sowie Sinn und Unsinn von Klischees.

dapd: Herr Böhnke, Sie sind Frauen-Headhunter, Herr Faller, Sie haben bislang vorwiegend Männer in Spitzenpositionen vermittelt, wann wird es genauso viele Frauen wie Männer an Unternehmensspitzen in Deutschland geben?


Christian Böhnke: So dienlich es unserem Geschäft als Frauen-Headhunter auch wäre: Zumindest auf absehbare Zeit wird ein 50/50-Verhältnis kaum zu erreichen sein. Nicht dass Frauen nicht auch das Potenzial hierzu hätten, doch sind über die Jahrzehnte der Alleinherrschaft durch männliche Denkmuster geprägte Strukturen entstanden, die sich natürlich auch in der Praxis noch auswirken. Einerseits entsprechen diese traditionellen Strukturen nicht immer den Frauen zugeschriebenen Denkmustern und tragen natürlich mit dazu bei, dass weiblichen Führungskräften öfters als männlichen Kollegen der Weg an die Spitze versagt bleibt. Andererseits entspricht auch das auf männliche Motivationsmuster ausgerichtete Belohnungssystem sowie die Präsenzkultur vielfach nicht ausreichend den weiblichen Ansprüchen.


Michael Faller: Die Anzahl von Frauen in Spitzenpositionen wird zeitnah signifikant steigen. Hierfür gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen haben die Unternehmen heute mehr denn je ein echtes Interesse an der Förderung weiblicher Führungskräfte. Zum anderen werden die ordnungspolitischen Aktivitäten des Gesetzgebers in Form von Frauenquoten die Anzahl von Frauen im Top-Management erhöhen. Trotzdem halte ich eine paritätische Besetzung von Spitzenpositionen mittel- und langfristig für unrealistisch.

dapd: Was können Frauen von Männern im Berufsleben lernen und umgekehrt?


Böhnke: Tendenziell können Frauen mit Karriereambitionen von ihren Kollegen sicherlich lernen, dass es für die eigene Karriere sowohl auf die erbrachten Leistungen als auch auf deren Publikation und Dokumentation ankommt. Dazu darf ‚frau‘ auch ebenfalls gerne die verdienten Statussymbole in Anspruch nehmen. Umgekehrt sind viele Manager gut beraten, einige weibliche Stärken wie Kommunikations- und Organisationsfähigkeit auszubauen und im Zweifelsfall allgemein eher etwas subtiler und sachbezogener vorzugehen.


Faller: Ich glaube nicht, dass Männer und Frauen gut beraten sind, vom anderen Geschlecht angeblich geschlechtsspezifische Führungsattribute zu erlernen. Die Muster sind bekannt: Frauen sind empathisch, sozialkompetent und sachorientiert. Männer durchsetzungsfähig, analytisch und Meister des Selbstmarketings. Ich halte diese Verallgemeinerungen für nicht zeitgemäß. Zudem birgt die Aneignung eines dem anderen Geschlecht zugeschriebenen Führungsstils die Gefahr, als unauthentisch wahrgenommen zu werden.

dapd: Werden Frauen im Job anders gefördert als Männer?


Böhnke: In den gut geführten Unternehmen sollte es so sein, dass die Personalentwicklung neben anderen Primärmerkmalen auch geschlechtliche Faktoren gezielt berücksichtigt. Selbstverständlich verfügt die „Zielgruppe Frau“ über eigene, auch spezifische Eigenschaften, die es verdienen, individuell gefördert zu werden. Damit meine ich nicht, dass weibliche Führungskräfte allgemein bevorzugt werden sollten, sondern dass Frauen in Ihrer Individualität gezielt erkannt, umworben und entwickelt werden sollten.


Faller: Frauenförderung findet aktuell primär in sogenannten Gender-Programmen statt. Ich sehe diese Mentoring- und Förderprojekte kritisch. Auch weil sie den Eindruck erwecken, vorhandene Defizite der Frauen müssten beseitigt werden. Wichtiger ist ein anderer Punkt: Frauenförderung ist oft auch ein Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier müssen Unternehmen intelligente Modelle entwickeln. Ansonsten verlieren sie weiter zu viele weibliche Führungskräfte, die das Zeug zu Top-Managerinnen haben.

dapd: Wie sieht der Top-Manager der Zukunft aus - ist er weiblich oder männlich?


Böhnke: Ich glaube nicht, dass es in der Zukunft „den“ einen Typ Top-Manager geben wird - ebenso wenig wie es ihn heute gibt. Stattdessen gibt es aus meiner Sicht nur individuell zu einem Unternehmen und dessen Anforderungen passende Executives. Generell aber wird sich die kommende Manager-Generation sicherlich daran messen lassen müssen, in wieweit es gelungen ist, beide Geschlechter auf allen Etagen der Unternehmen heimisch werden zu lassen. Langfristig kann es sich jedenfalls kein Personalentscheider erlauben, auf das Leistungspotenzial weiter Teile einer ganzen Bevölkerungshälfte zu verzichten.


Faller: Der Top-Manager der Zukunft wird in bestimmten Ressorts typischerweise eher männlich, in anderen eher weiblich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn politisch diktierte Quoten weiter zunehmen, was leider nicht auszuschließen ist. Bereiche wie Finanzen, Technik und Forschung werden dann noch stärker von Männern dominiert. Sparten wie Personal, Recht und Marketing hingegen werden zu reinen Frauen-Domänen. Eine Entwicklung, die nicht zu begrüßen ist.

dapd: Hätten Sie selbst lieber einen Mann oder eine Frau als Vorgesetzten?


Böhnke: Auch als „Frauen-Headhunter“ würde ich die Entscheidung ungern am Geschlecht festmachen, sondern in erster Linie an fachlicher Qualifikation und persönlicher Prädisposition. Bei der „Hunting Her“-Personalberatung ist unsere Geschäftsleitung paritätisch besetzt, und ich erlebe es täglich, welche Leistungen möglich sind, wenn Männer und Frauen mit unterschiedlichen Kompetenzen und sogar heterogener Altersstruktur konstruktiv zusammen an einem Strang ziehen.


Faller: Ich persönlich schätze Führungskräfte, die sich durch Kompetenz, Berechenbarkeit, Verbindlichkeit und partnerschaftliches Verhalten auszeichnen. Wir bei der Baumann Unternehmensberatung machen in der Praxis die Erfahrung, dass Unternehmen letztlich die zu ihnen passenden Führungspersönlichkeiten finden müssen. Geschlechterfragen spielen dabei keine Rolle.

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Die Personalberater Michael Faller (r.) der Baumann Unternehmensberatung, Christian M. Böhnke (l.) von der Personalberatung für Frauen, „Hunting Her“, und die Senior-Partnerin von „Hunting Her“, Maike July-Gronman.

Foto: Hermann J. Knippertz / dapd

  Quelle: dapd


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