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Mangel trotz Einbau gleichwertigen Produkts?

09.02.2023

Ein Auftragnehmer ist verpflichtet, das vom Auftraggeber im Leistungsverzeichnis vorgegebene Produkt zu verwenden, und zwar selbst dann, wenn die entsprechende LV-Position den Zusatz "oder gleichwertig" enthält, der Auftraggeber den Einsatz gleichwertiger Produkte im LV aber nur zulässt, wenn der Auftragnehmer bei den entsprechenden Produktangaben die Hersteller- und Typenbezeichnung einträgt, der Auftragnehmer diese Eintragung aber nicht vornimmt.

Dies hat das OLG Celle mit Urteil vom 14.12.2022 (Az.: 14 U 44/22)
entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:
Der öffentliche Auftraggeber AG schreibt Metallbauarbeiten aus. Der AN muss mit dem Angebot folgende Erklärung unterschreiben: "Ich/wir erkläre(n), dass … das vom AG vorgeschlagene Produkt Inhalt des Angebotes ist, wenn Teilleistungsbeschreibung des AG den Zusatz "oder gleichwertig" enthalten und von mir/uns keine Produktangaben (Hersteller und Typenbezeichnung) eingetragen werden." Die Stahlblechtüren schreibt AN aus mit "Produkt: H. oder gleichwertig". AN verwendet Türen des Herstellers S, ohne dies im LV anzugeben. S erklärt später, seine Türen seien mit denen des H. mindestens gleichwertig. Noch vor Abnahme verlangt AG von AN, die Türen gegen solche des Herstellers H. auszutauschen. AN weigert sich. Nach Ablauf der mit Kündigungsandrohung versehenen Frist kündigt AG und lässt die Türen ausbauen. AN klagt Restvergütung in Höhe von knapp 40.000,00 € ein.

Das Urteil:
Nach Auffassung des OLG Celle war die außerordentliche Kündigung des AG berechtigt. Das Leistungsverzeichnis verlangt die Türen des Herstellers H. Selbst dann, wenn das Produkt des Herstellers S. gleichwertig sei, läge dennoch ein Mangel im Rechtssinne vor. AN habe keine alternativen Produktangaben mit Hersteller und Typenbezeichnung in das LV eingetragen, obwohl er unterschrieben habe, dass er die Türen des ausgeschriebenen Herstellers liefern werde, wenn er nicht ein gleichwertiges Produkt einträgt. Dies halte einer AGB-Inhaltskontrolle stand. Die Regelung sei nicht überraschend, sondern interessengerecht. Sie beeinträchtige nicht grundsätzlich das "Produktwahlrecht" des AN, sondern stelle lediglich sicher, dass die Produktsauswahl des AN bereits vor und nicht erst während der Bauphase von AG überprüft werden könne.

Fazit:
Die Entscheidung erscheint sehr formal, jedenfalls dann, wenn man der Aussage des Herstellers S. Glauben schenkt, seine Türen seien mit denen des Herstellers H. gleichwertig. Dies hat das OLG hier - aus seiner Sicht konsequent - nicht aufgeklärt. Es geht von einem Mangel im Rechtssinne nämlich bereits dann aus, wenn AN, obwohl er hierzu vertraglich verpflichtet war, das von ihm zum Einbau vorgesehene Produkt nicht bereits im Leistungsverzeichnis bezeichnet, damit AG prüfen kann, ob dieses tatsächlich gleichwertig ist. Sieht man das als Sinn und Zweck der Regelung, so kommt es auf die Frage, ob das Produkt tatsächlich gleichwertig ist
oder nicht, in der Tat nicht mehr an. Andererseits: Selbst dann, wenn AN die Angaben nicht macht, aber ein gleichwertiges oder sogar besseres Produkt einbaut, entsteht für AG kein Schaden. Baut er hingegen ohne Angabe ein minderwertiges Produkt ein, so liegt zweifelsfrei ein Mangel vor, den AN zu beseitigen ohnehin verpflichtet wäre.

  Quelle: RA Michael Seitz


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