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Mangelfolgeschaden: Fristsetzung nicht erforderlich!

22.08.2019

von Ra Michael Seitz

Die Unterscheidung zwischen „engen“ und „entfernten“ Mangelfolgeschäden gibt es im neuem Schuldrecht nicht mehr. Vielmehr erfasst der „Schadensersatz statt der Leistung“ das Leistungsinteresse des Bestellers. Der „Schadensersatzanspruch neben der Leistung“ umfasst darüber hinausgehende Schäden an anderen Rechtsgütern oder dem Vermögen des Bestellers. Der erstgenannte Anspruch bedarf einer Fristsetzung, der letztgenannte nicht.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 07.02.2019 (Az. VII ZR 63/18) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit der Wartung seines Wagens. AN tauscht den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen aus. Kurz darauf treten Probleme mit der Lenkung auf. Daraufhin lässt AG den Wagen in eine andere Werkstatt (W) schleppen, weil AN Betriebsferien macht. W stellt fest, dass der Keilrippenriemen gerissen war, weil AN diesen nicht richtig gespannt hatte. Das hatte zu einer Beschädigung des Zahnriemens, der Lichtmaschine sowie der Servolenkungspumpe geführt. AG ließ daraufhin von W den Keilrippenriemen, den Riemenspanner, den Zahnriemen, die Servolenkungspumpe und die Lichtmaschine ersetzen und verlangt von AN die Kosten hierfür, ohne diesem vorher eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben.

Das Urteil: Vor dem BGH hat AG großenteils Erfolg. Die Kosten für den Austausch der beschädigten Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe erhält AG ersetzt. Hierbei handelt es sich nämlich nach Auffassung des BGH um einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB). Nach diesen Vorschriften hat AN denjenigen Schaden zu ersetzen, den AG nicht an dem Werk selbst, sondern an anderen Rechtsgütern bzw. an seinem Vermögen erlitten hat. Die Lichtmaschine und die Servolenkungspumpe waren nicht Gegenstand des Reparaturauftrages an AN. Insoweit handelt es sich um Schadensersatz neben der Leistung, eine Fristsetzung ist nicht erforderlich. Etwas anderes gilt für den ebenfalls von W ersetzten Keilrippenriemen, den Riemen-spanner und den Zahnriemen. Diese waren Gegenstand des Auftrages von AN und betrafen damit das geschuldete Werk selbst, nämlich die Wartungsleistung. Sie werden daher vom „Schadensersatz statt der Leistung“ erfasst. Hier ist Voraussetzung die Aufforderung zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung. Deshalb verweist der BGH die Sache an die Vorinstanz zurück. Diese hat zu prüfen, ob die Fristsetzung entbehrlich war, weil AG ein besonderes Interesse an einer einheitlichen Reparatur hatte (§ 636, § 281 Abs. 2 BGB), was der BGH in einer „Segelanweisung“ bejaht.

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Fazit: Den „engen“ und den „entfernten“ Mangelfolgeschaden gibt es nicht mehr! Vom Schadensersatz statt der Leistung wird ein Schaden (Mangel) an dem Werk selbst erfasst. Hierfür ist eine Nachfristsetzung grundsätzlich erforderlich. Alle Schäden, die dem Auftraggeber durch den Mangel an einem anderen Rechtsgut oder seinem Vermögen entstehen, fallen hingegen unter den Schadensersatz neben der Leistung mit der Folge, dass eine Fristsetzung hier entbehrlich ist. Auch wenn diese Entscheidung zum Fall einer Kfz-Reparatur erging, ist sie doch ohne weiteres auf den Baubereich übertragbar. Mangelfolgeschäden sind demnach alle Schäden, die nicht unmittelbar am zu erbringenden Werk, sondern an anderen Rechtsgütern des AG entstehen.

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