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"Marine-Opa" wird 100 Jahre alt

08.08.2012

Marinetechnikschule Stralsund behütet den weltweit ältesten noch laufenden MAN-Diesel

Von Ralph Sommer

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Foto: Jens Köhler / dapd

Stralsund-Parow (dapd-lmv). Er ist 100 Jahre alt und läuft und läuft und läuft. Die Soldaten nennen ihn liebevoll Opa, den ältesten, noch in Betrieb befindlichen MAN-Dieselmotor der Welt. In der Ausbildungshalle der Marinetechnikschule Stralsund-Parow streichelt Bernd Nowak über das ölige Gehäuse des fast vier Meter hohen Aggregats. Nirgendwo sonst gebe es noch so eine lebende Maschine, sagt der Maschinist. "Einmal pro Woche werfen wir ihn an, sonst wird er bockig, unser Opa", scherzt der 62-Jährige. Dann greift er zur Ölkanne und füllt einen der acht Topföler auf. "Ölen ist das Wichtigste, dann das drei Tonnen schwere Schwungrad auf den Totpunkt hebeln, antörnen, noch mal streicheln und beten." Es dauert mehrere Minuten, dann setzt sich Opa immer schneller tuckernd in Bewegung.

Diesel-Veteran überlebte zwei Weltkriege

Das Wunderwerk der Technik hat zwei Weltkriege, viele Modernisierungen und Ausmusterungen überstanden. Gebaut in der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) war der Zwei-Zylinder-Viertakt-Diesel im Februar 1912 für 24.730 Goldmark von der kaiserlichen Marine gekauft worden. In der Ingenieur- und Deckoffiziersschule Kiel-Wiek diente er zunächst angehenden Schiffsheizern als Übungs- und Ausbildungsanlage. Später lieferte er Notstrom für ein Lazarett. Generationen von Marinesoldaten sind an dem technischen Denkmal ausgebildet worden. Jeder Marineoffizier und fast jeder motorentechnische Unteroffizier der Bundesmarine, später der Deutschen Marine und der Marinen davor habe an dem Unikat Induktionsmessungen gezogen und Kennwerte ermittelt, sagt Volkhart Meyer, ehemaliger Lehrgruppenleiter. Es gehe nicht darum, den jungen Menschen überholte Technik nahe zu bringen. Im Zeitalter kompakter und elektronikgesteuerter Motoren biete aber dieser Diesel der computergewöhnten Generation die seltene Möglichkeit, technische Abläufe in einem Motor nachvollziehen zu können. "Hier sehe ich mal, wie ein Motor eigentlich funktioniert", sagt Christian Göhner. Der 28-Jährige absolviert derzeit in Parow eine dreimonatige Fachausbildung und wird im Oktober seinen Dienst an Bord der Fregatte "Karlsruhe" antreten. Die Ausbildung an dem 70-PS-Aggregat bringe ihm Verständnis dafür, wofür Nockenwelle, Ventile und Regler da seien, sagt der angehende Antriebstechniker.

Demontage und Transport übernahmen MAN-Experten

Die Erkenntnisse aus diesen Lehrstunden bringe die Soldaten in die Lage, im Schadensfall Restkapazitäten und Fähigkeiten besser bewerten zu können, sagt Meyer. Insofern sei Opa für die Landesverteidigung der Bundesrepublik sogar unabdingbar. Dieses Argument habe letztendlich auch ermöglicht, dass der unter Denkmalschutz stehende Diesel-Veteran nach dem Bau der größten Marinetechnikschule im Jahre 2002 von Kiel nach Stralsund überführt werden durfte. Unter Anleitung von vier älteren MAN-Experten sei das Gerät damals demontiert worden, sagt Meyer. Selbst ein Konteradmiral, dessen Großvater einst an der Maschine mitbaute, habe seinerzeit neben den Spezialisten gekniet und zugeschaut. "Auch der Wiederaufbau in Stralsund war eine Herausforderung", erinnert sich Maschinist Nowak. Damals habe man genau gemessen, mit welchem Druck der Kraftstoff in die Verbrennungsräume eingespritzt werde. Eine neue Pumpe sollte übernehmen, doch Opa lief nicht. Schließlich holte man aus Kiel den uralten Hochbehälter und baute ihn so an, dass das natürliche Gefälle wieder hergestellt war. Am 5. Mai 2003, sieben Monate nach der Demontage in Kiel, lief der Diesel zum ersten Mal in Stralsund. "Das Herz ging uns auf, als Opa endlich wieder tuckerte", erinnert sich Meyer. Er ist überzeugt, dass der robuste Motor noch weitere 100 Jahre laufen wird. "Vielleicht werden wir mal neue Dichtungen einsetzen müssen, und wenn Opa immer schön geölt wird, überlebt er uns alle."

  Quelle: dapd


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