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Mehr Spielraum bei der Zuschlagsentscheidung

12.11.2013

Vergabeverordnung geändert:

Hintergrund: Mit Wirkung zum 25. Oktober 2013 ist die Vergabeverordnung geändert worden. Nunmehr können oberhalb der Schwellenwerte in bestimmten Fällen bei der Zuschlagsentscheidung auch subjektive Kriterien (insb. Erfahrungen und Qualifikation des Bieters) berücksichtigt werden.

Sachverhalt
Die Qualität der Leistungserbringung hängt insbesondere bei Dienstleistungen geistiger und schöpferischer Art (Unterrichts-, Schulungs-, Rechtsberatungsleistungen) stark von der Qualifikation und den Erfahrungen des Auftragnehmers ab. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese Umstände aber nur bei der Eignungsprüfung als Mindestanforderungen eine Rolle spielen. Bei der Zuschlagsentscheidung durften diese subjektiven Kriterien nicht positiv bewertet werden. Die Berücksichtigung eines „Mehr an Eignung“ war nicht zulässig. Das hat sich nun für die sog. nachrangigen Dienstleistungen im Anwendungsbereich der VOL/A EG und VOF geändert.

Inhalt der Neuregelung
Die Dienstleistungsaufträge nach VOL/A EG und die freiberuflichen Leistungen nach VOF werden jeweils weiter unterteilt in die sogenannten vorrangigen und nachrangigen Dienstleistungen (oder auch prioritäre und nichtprioritäre Dienstleistungen genannt). Die vorrangigen Dienstleistungen sind in Anhang I Teil A zur VOL/A EG bzw. VOF aufgelistet. Darunter fallen etwa Gebäudereinigung, Hausverwaltung, Postdienstleistungen, Instandhaltung, Architektenleistungen etc. Alle übrigen Dienstleistungen werden als nachrangige Dienstleistungen bezeichnet. Für ihre Vergabe macht das europäische Recht nur wenige Vorgaben, so dass der deutsche Gesetzgeber hier die strikte Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien aufheben konnte. Nach § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 VgV dürfen bei der Vergabe nachrangiger Dienstleistungen oberhalb der Schwellenwerte nun folgende Eignungskriterien mit insgesamt bis 25 % in die Wertungsentscheidung mit einfließen: die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des Personals. Zur Beurteilung der Erfahrung des Personals können dabei insbesondere Erfolg und Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden, d.h. „Referenzen“. Einzige Voraussetzung ist, dass die Kriterien Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des Personals auch tatsächlich erheblichen Einfluss auf die Qualität der Leistungserbringung haben müssen. Das sollte der Auftraggeber vorab prüfen und im Vergabevermerk entsprechend begründen. Nach der Begründung des Verordnungsgebers soll das insbesondere für Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Arbeitsmarktdienstleistungen gelten. Darüber hinaus dürfte das aber auch für alle (nachrangigen) Dienstleistungen geistig-schöpferischer Art zutreffen.

 

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RA Dr. Michael Sitsen

www.orthkluth.com

Fazit
Die Berücksichtigung von besonderen Erfahrungen und Qualifikationen bei der Zuschlagsentscheidung zuzulassen, war längst überfällig. Vergabestellen können nun „Referenzen“ auch als Zuschlagskriterium verwenden. Das bedeutet für die Auftraggeber mehr Spielraum bei der Auswahl des Auftragnehmers und eine höhere Qualität der Auftragsausführung. Die strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterium wird voraussichtlich bei der nächsten EU-Vergaberechtsmodernisierung noch weiter aufgebrochen werden. Bis dahin dürfte aber noch einige Zeit vergehen. Der deutsche Gesetzgeber ist der EU nun teilweise zuvorgekommen.



  Quelle: RA Dr. Michael Sitsen


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