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Mehrvergütung bei Zuschlag mit veränderter Bauzeit?

20.12.2012

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 6. September 2012 – VII ZR 193/10 - folgendes entschieden:

Erteilt der Auftraggeber in einem öffentlichen Vergabeverfahren
über Bauleistungen den Zuschlag auf das Angebot des Bieters unter
Herausnahme einzelner Leistungen, ohne dass dies in der Ausschreibung
so vorgesehen ist, so liegt darin gemäß § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung
des Angebots, verbunden mit einem neuen Angebot des Auftraggebers.


Enthält das neue Angebot wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine
neue Bauzeit und bringt der Auftraggeber eindeutig und klar zum Ausdruck, dass
er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen
will, kann es nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung
zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden.


Nimmt der Bieter das modifizierte Angebot an, muss er die Leistung in
der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen.

Die Bundesrepublik hatte den Neubau einer Teilstrecke einer Bundesstraße öffentlich ausgeschrieben. Der (spätere) Auftragnehmer (AN) unterbreitete ein Angebot für rund 7,1 Mio. Euro. Die Arbeiten sollten frühestens 14 Werktage nach Zuschlagserteilung beginnen und spätestens am 31. Mai 2006 beendet sein. Die ursprünglich bis 28. Februar 2005 laufende Zuschlags- und Bindefrist wurde mehrfach einvernehmlich, zuletzt bis 15. Juni 2005 verlängert. An diesem Tag erhielt der AN ein Auftragsschreiben mit einer reduzierten Auftragssumme von ca. 6,5 Mio. Euro, weil Leistungsteile ausdrücklich aus dem Auftrag herausgenommen wurden. Ferner gab das Auftragsschreiben als „Vertragsbestandteil“ einen neuen Gesamtfertigstellungstermin zum 15.09.2006 vor. Der Auftraggeber (AG) forderte den AN auf, umgehend die Zweitschrift des Auftragsschreibens versehen mit der Annahmebestätigung zurückzusenden, was dieser am 24.06.2005 tat. Später stellte der AN Nachforderungen wegen erhöhter Kosten bei Bodenmaterial und Asphaltmischgut infolge der zeitlichen Verschiebung des Herstellungszeitraums. Der BGH lehnt hier eine Preisanpassung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B – ebenfalls wie die Vorinstanzen – ab. Der AG habe hier das Angebot des AN mit dem Zuschlagsschreiben vom 15. Juni 2005 nicht unverändert angenommen. Vielmehr liege ein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor, weil der AG seinen Willen, einen vom Vertragsangebot des AN bezüglich des Leistungsumfangs und des Ausführungszeitraums abweichenden Vertrag zu schließen, in dem Zuschlagsschreiben klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht habe. Die Annahme nur eines Teils der angebotenen Leistungen zu einem veränderten Preis sei jedenfalls dann eine Ablehnung des Angebots, wenn dieses die Möglichkeit einer Teilannahme zu bestimmten Preisen – wie hier – nicht vorsähe. Die Möglichkeit einer Teilannahme zu bestimmten Preisen sei weder in der Ausschreibung des AG noch im Angebot des AN vorgesehen. Stimmten somit das Angebot des AN und die Annahmeerklärung des AG nicht überein, so gelte die Erklärung des AG im Schreiben vom 15. Juni 2005 gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot zum Vertragsschluss mit dem in diesem Schreiben vorgesehenen Inhalt. Für die im Urteil des BGH (Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 213/08) aufgestellten Grundsätze zur neuen Bauzeit sei dann kein Raum, wenn sich aus dem Zuschlag klar und eindeutig ergebe, dass die neue Bauzeit Bestandteil des Vertrages werden solle. Das sei dann der Fall, wenn über die Bauzeit nicht mehr verhandelt werden solle, der AG sie einseitig vorgeben wolle und er dem AN nur die Möglichkeit lasse, sie als Vertragsbestandteil anzunehmen oder das so geänderte Angebot abzulehnen. Damit gilt die neue Bauzeit als vereinbart, wenn der AG „klar und unzweideutig“ seinen Wunsch nach Abweichung vom Angebot – insbesondere durch kompromissloses Fordern neuer Termine – zum Ausdruck bringe. Dieser Fall liege hier vor. Der AG habe im Zuschlagsschreiben eine neue Bauzeit einseitig vorgegeben, den Leistungsumfang nicht unerheblich verändert und vom AN keine Empfangs- sondern eine „Annahmebestätigung“ erbeten. Der AN habe diese „Annahmebestätigung“ vorbehaltlos abgegeben und damit einen unveränderten Preis trotz geänderter Leistung akzeptiert. Generell sei dem Angebot eines Bieters auch kein stillschweigender Preisanpassungsvorbehalt bei Vergabeverzögerung immanent.

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Anmerkung:
Trotz der eindeutigen Rechtsprechung des BGH zum Vergabeverfahrensrisiko (Urteil vom 22. Juli 2010) müssen Bieter dann besonders vorsichtig sein, wenn im Zuschlagsschreiben etwas zu Terminen oder Preisen steht, was vom bisherigen Ausschreibungstext – auf den das Angebot abgegeben wurde – abweicht. Wegen des Verhandlungsverbots im Offenen Verfahren ist es grundsätzlich vergaberechtswidrig, wenn ein AG Änderungen des Leistungsinhalts zur Bedingung für den Vertragsschluss macht. Hier hatte der Bieter jedoch seine Annahme vorbehaltlos erklärt, weshalb die Änderungen Vertragsinhalt wurden. Bieter sollten daher Zuschlagsschreiben nach verzögerter Vergabe nur unter der Voraussetzung annehmen, sich eventuell Mehrvergütungsansprüche aus der Verschiebung der Bauzeit vorzubehalten. Der AG darf wegen eines solchen Vorbehalts den Zuschlag nicht verweigern, ansonsten läuft er Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen. Im vorliegenden Fall hätte daher der Bieter nur mit Vorbehalt annehmen sollen, dann wäre er wegen seiner erhöhten Kosten tatsächlich erfolgreich gewesen.

  Quelle: RA Michael Werner


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