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Mehrvergütungsanspruch bei unzutreffend beschriebenem Baugrund?

08.09.2015

von Michael Werner

Das OLG Zweibrücken hat mit Urteil vom 21.05.2015 – 4 U 101/13 – Folgendes entschieden:

• Bei Aushubarbeiten steht dem Bauunternehmen grundsätzlich ein Mehrvergütungsanspruch zu, wenn die Bodenverhältnisse in dem der Ausschreibung durch einen öffentlichen Auftraggeber zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis unzutreffend beschrieben waren.

Ein Bauunternehmen (AN) war von einem öffentlichen Auftraggeber (AG) mit dem Um- und Neubau eines Krankenhauses sowie Erd- und Abbrucharbeiten nach öffentlicher Ausschreibung beauftragt worden. Vor Ausschreibung hatte der AG ein Baugrundgutachten eingeholt, das keinerlei Angaben zu besonderen Belastungen des abzufahrenden Bodenaushubs enthielt. Der AN hatte in seinem Angebot ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Mehrkosten, die aus belastetem Erdreich entstünden, in seinem Angebot nicht enthalten seien.

Nach Aufnahme der Arbeiten durch den AN stellte sich heraus, dass der Boden mit Arsen belastet war. Der AN musste den kontaminierten Aushub zunächst auf einer Deponie zwischenlagern. Nach Abnahme der gesamten Werkleistung durch den AG verlangte der AN von diesem u.a. eine zusätzliche Vergütung für die Mehrkosten, die bei der noch zukünftig durchzuführenden, endgültigen Entsorgung des zwischengelagerten kontaminierten Bodens entstehen werden. Diese Kosten gibt der AN mit ca. EUR 712.000 an, von denen er einen Teilbetrag in Höhe von EUR 306.000 mit seiner Klage geltend macht.

Nach Ansicht des OLG hat die Klage keinen Erfolg. Das Gericht weist hier darauf hin, dass bei einer öffentlichen Ausschreibung dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung eine vergleichsweise große Bedeutung zukomme. Nach den Anforderungen der VOB/A sei die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen könnten. Dem AN dürfe kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus abschätzen könne. Danach seien die für die Leistungsausführung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, wie z.B. Bodenverhältnisse so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkung auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne.

Da hier der auszuhebende Boden als unbelastet ausgeschrieben war und damit auch der Preiskalkulation des AN ein unbelasteter Boden zugrunde lag, habe dieser grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung des für unbelasteten Boden angebotenen Preises an die tatsächlichen Gegebenheiten gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. im Rahmen einer ergänzenden Vertragsanpassung. Letzteres setze voraus, dass die vom AN zu erbringende Leistung nicht ohnehin zu seinen vertraglich übernommenen Pflichten gehöre. Die zusätzlichen Leistungen bei der Entsorgung des kontaminierten Bodens würden vorliegend ausdrücklich nicht vom Vertrag umfasst.

Denn die hierfür vorzunehmende Auslegung von Vertrag und LV ergebe keinerlei Hinweis auf das Vorliegen besonderer Erschwernisse durch Kontamination. Der damit eigentlich unstreitige Mehrvergütungsanspruch des AN wird durch das Gericht aber – ausnahmsweise – hier dennoch versagt. Die Mehrleistungen, welche der AN auf vertraglicher Grundlage vergütet haben wolle, seien bisher von ihm überhaupt nicht erbracht worden; die klägerische Werkleistung sei inzwischen insgesamt vom AG abgenommen, und vom AN Schlussrechnung gestellt worden. Mit der Abnahme des Werkes entfalle aber die Leistungspflicht des Unternehmers. Das Erfüllungsstadium sei damit beendet. Daher bestehe hier keine Leistungspflicht und damit auch kein weiterer Vergütungsanspruch des AN mehr.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Dem Bauunternehmer wäre hier zu raten gewesen, vor Abnahme der Werkleistung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B einen neuen Preis zu vereinbaren. Hierzu hätte der AN dem AG vor Ausführung der in Rede stehenden (Mehr-) Arbeiten ein Ergänzungs- und Nachtragsangebot unterbreiten müssen. Für den Fall einer fehlenden Einigung hätte er dann entweder Feststellungsklage oder Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Erbringung der Mehrleistung erheben müssen. Denn im vorliegenden Fall können nach Abnahme die fiktiven Kosten für eine Wiederaufnahme des kontaminierten Erdaushubs auf der Zwischendeponie und dessen weitere (End-)Deponierung nicht nachträglich als Mehrvergütung beansprucht werden.

  Quelle:


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