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Missverständlichkeit von Vergabeunterlagen geht zu Lasten des Auftraggebers

22.06.2012

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 15. Februar 2012 - Verg 85/11 - Folgendes entschieden:

1. Das Prinzip der Transparenz und Unmissverständlichkeit des Vergabeverfahrens ist verletzt, wenn der Auftraggeber im Angebotsvordruck solche Preisangaben verlangt, die es den Bietern unmöglich machen, korrekte und nachvollziehbare – und somit vergleichbare – Gesamtbruttosummen anzugeben.

2. Zwar trägt der Auftragnehmer das Risiko, wenn er beim Preisangebot die Umsatzsteuer nicht einkalkuliert hat – dann muss er die Steuer selbst entrichten. Dies gilt nicht, wenn die Vergabestelle die Frage der Umsatzsteuer im Unklaren gelassen hat.

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte die Herstellung und Lieferung von Parlamentsdrucksachen europaweit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Dabei sollten die Bieter im Angebotsvordruck sowohl die Netto-Angebotssumme als auch die Brutto-Angebotssumme angeben. Gleiches forderte der Auftraggeber noch einmal in seinen Bewerbungsbedingungen. Für die Bieter ergab sich im Folgenden das Problem, die Höhe der auf die anzubietenden Leistungen zu entrichtende Umsatzsteuer zu ermitteln, weil unklar war, für welche Leistungen der gewöhnliche Steuersatz (19 %) und für welche der ermäßigte Steuersatz (7 %) gelten sollte. Damit fanden sich in den abgegebenen Angeboten Brutto-Summen mit nur 7 %, alternative Brutto-Summen mit 7%- und 19 %-Satz und reine Netto-Summen. Der Auftraggeber hatte inzwischen auf Nachfrage bei den Finanzämtern die Auskunft erhalten, dass bei den sog. „Sockelzahlungen“ ein Umsatzsteuersatz von 19 %, bei den verbrauchsabhängigen „Blattpreisen“ eine Steuer von 7 % anzusetzen sei. Dies hatte er aber den Bietern nicht mitgeteilt. Ein Bieter, der gar keine Brutto-Summe angegeben hatte, wurde ausgeschlossen und wehrte sich mit dem Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten eines Konkurrenten. Die Vergabekammer hatte entschieden, dass er gegen die Zuschlagsentscheidung nicht vorgehen könne, weil sein Angebot von Amts wegen zwingend (gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3a i.V.m. § 16 Abs. 3 VOL/A-EG) auszuschließen sei, weil wesentliche Preisangaben gefehlt hätten.

Das OLG Düsseldorf ist hier anderer Ansicht und hebt die Entscheidung der Vergabekammer auf. Sie untersagt dem Auftraggeber den Zuschlag, weil er gegen die Grundsätze der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit (§ 97 Abs. 1 GWB; § 2 Abs. 1 VOL/A-EG) sowie gegen seine Pflicht zur Verwendung unmissverständlicher Vergabeunterlagen verstoßen habe. Der Angebotsvordruck habe hier nur ein einziges Feld für die Brutto-Summe enthalten, so dass Missverständnisse der Bieter vorprogrammiert gewesen seien. Diese Unklarheiten und Missverständnisse bei den Bietern habe sie noch damit gefördert, indem sie weiterhin einen Angebotsvordruck verteilt habe, der den Bietern mit Blick auf die anfallende Umsatzsteuer keine Möglichkeit zu transparenten, auch differenzierenden Preisangaben ließ, sondern insoweit ein Entstehen von Problembewusstsein verhinderte, weil auf dem Vordruck lediglich ein Gesamtbruttopreis anzugeben und kein Raum gewesen sei, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen. Da hier der Auftraggeber die Frage der Umsatzsteuer im Unklaren gelassen habe, trage er hierfür das Risiko - mit der Folge, dass der Zuschlag untersagt werden müsse.

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Anmerkung:

Grundsätzlich gilt, dass in dem vom Bieter angebotenen Endpreis auch die Steuer enthalten ist. Daher liegt auch das Risiko grundsätzlich beim Bieter, selbst die Steuer und entsprechende Vergütungen durch den Auftraggeber anführen zu müssen, wenn er beim Preis die Steuer nicht einbezieht. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn – wie hier – der Auftraggeber selbst entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Bieter die anzugebende Brutto-Summe falsch berechneten oder gar nicht hatten berechnen können.

  Quelle: RA Michael Werner


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