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Mit Bürgerkrediten zur Feuerwehrausrüstung

19.10.2012

Eine hessische Stadt leiht sich Geld bei ganz normalen Menschen

-- Von Götz Nawroth --

Marode Straßen, sanierungsbedürftige Gebäude - knappe Kassen bei Städten und Gemeinden sind in ganz Deutschland allgegenwärtig. Drei junge Männer wollen Kommunen bei der Finanzierung unter die Arme greifen: Ihre Mainzer Firma "LeihDeinerStadtGeld" soll über das Internet private Anleger und Vorhaben der öffentlichen Hand zusammenbringen.

In ihrer Zentrale in einem Mainzer Studentenviertel sitzen die Jugendfreunde Johannes Laub, Jamal El Mallouki und Steffen Boller vor großen Computerbildschimen. Von hier aus steuern die drei Mittzwanziger ihre Internetseite, auf der Interessierte sich über Anlagemöglichkeiten informieren oder gleich ein Kreditangebot machen können. Eine Bank wird dann als Mittler von dem Unternehmen beauftragt - denn in Deutschland ist für Kreditgeschäfte stets eine Banklizenz erforderlich.

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Foto: Torsten Silz / dapd

Die erste erfolgreiche Finanzierung konnte "LeihDeinerStadtGeld" am Donnerstag vermelden: Die Freiwillige Feuerwehr der hessischen Stadt Oestrich-Winkel braucht dringend Handsprechgeräte für den modernen Digitalfunkstandard. 83.200 Euro sind im städtischen Haushalt dafür vorgesehen. Nach rund drei Wochen Angebotsphase war das Geld für die 44 Funkgeräte beisammen.

"Viele Menschen haben überhaupt keine Vorstellung davon, welch immense Kosten Kommunen zu schultern haben", sagt El Mallouki. Die Bürgerkredite könnten helfen, solche Bildungslücken zu schließen. Die Menschen bekämen mit dem Konzept die Möglichkeit, an ihrer Stadt oder Gemeinde teilzuhaben. "Viele Leute beteiligen sich, weil sie sich mit ihrer Kommune verbunden fühlen", betont El Mallouki. Bei dem Pilotprojekt könnten dies zum Beispiel Feuerwehrleute oder deren Angehörige sein. Mit einem Mindestanlagebetrag von 100 Euro sei die Schwelle zum Einstieg sehr niedrig.

Doch nicht zuletzt den klammen Kommunen soll der Bürgerkredit nutzen: "Die können sich mit unseren Bürgerkrediten günstiger als bei einer Bank mit Geld versorgen", erklärt El Mallouki. Denn der Zinssatz bewege sich je nach Laufzeit unter den üblichen Finanzierungskosten einer Kommune, aber über dem von Bundeswertpapieren und vielen Festgeldkonten. So soll das Bürgerdarlehen für Schuldner und die potenziellen Kreditgeber gleichermaßen attraktiv sein. Allen Anlegern werde zudem ein krisensicheres Investment geboten, fügt El Mallouki hinzu. Denn Kommunen sind per Gesetz insolvenzunfähig - im Notfall muss das jeweilige Bundesland für die Zahlungsverpflichtungen einer Stadt oder Gemeinde einstehen.

Bürgermeister ist überrascht von großer Resonanz

Der Bürgermeister von Oestrich-Winkel, Paul Weimann (CDU), sieht in dem Modell von "LeihDeinerStadtGeld" eine "tolle Geschichte". Mit einer so großen Resonanz der Bürger für die Feuerwehr-Kredite habe er zuvor nicht gerechnet. Es sei bloß ein kleiner Einzelposten in dem millionenschweren Jahresetat der Stadt. Doch anscheinend seien die Menschen offen dafür, sich zu engagieren. Und wenn es diese Möglichkeit gibt, "ist der Bürger dann tatsächlich sehr bereit. Und das freut mich sehr", sagt Weimann, der zugleich Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes ist.

Weimann sei sich bewusst, dass der sehr ungewöhnliche Weg der Geldbeschaffung von Oestrich-Winkel von anderen Bürgermeistern interessiert bis skeptisch beäugt werde. Die Idee vom Bürgerkredit könne aber durchaus Schule machen und künftig auch größere Vorhaben finanzieren. "Das ist der richtige Weg", findet Weimann.

Auf den Schreibtischen der drei Firmengründer in Mainz liegt bereits die nächsten Projekte. Oestrich-Winkel plant eine weitere Finanzierung der fest in die Löschfahrzeuge eingebauten Funkgeräte. Und die niedersächsische Stadt Langen will ihre Straßenbeleuchtung komplett mit erneuerbaren Energien betreiben. Die Ausschreibungen für die neuen Darlehen sollen demnächst beginnen.

(https://www.leihdeinerstadtgeld.de/ )

 

  Quelle: dapd


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