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Mit Staats-Hilfe in Insolvenz und Altersarmut

04.09.2020

Corona-Hilfen:

Wie Selbständige und GmbH-Geschäftsführer auch die Altersversorgung verlieren ?

von Dr. Johannes Fiala + Dipl.-Math. Peter A. Schramm

In der sogenannten Corona-Krise hilft der Staat, etwa durch Steuererleichterungen – wie beispielsweise auf Antrag die Herabsetzung von Vorauszahlungen und Stundung. Dies betrifft Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer; nicht jedoch Lohnsteuer und Kapitalertragssteuer. Sozialversicherung konnte ebenfalls gestundet werden. Zahlungen für Mieten, Strom, Gas, Wasser, Telefon und Internet konnten unter Bedingungen, die zumindest später auch beweisbar sein müssen, vorübergehend ausgesetzt werden. Dies bedeutet eine Zunahme der Schulden, ab jetzt und für die Zukunft.

Banken reagieren zurückhaltend bei Hilfskrediten
Am wirksamsten waren staatliche Zuschüsse, ohne Rückzahlungspflicht. Sowie bei liquiden Arbeitgebern die Option steuer- und sozialversicherungsfrei einen Bonus von bis zu 1.500 Euro den Arbeitnehmern zusätzlich zu gewähren (BMF v. 09.04.2020 – IV C 5 – S 2342 20 10009 001). Gerichte urteilten, daß Coronahilfen pfändungsfrei sind (LG Köln, Urteil vom 23.05.2020, Az. 39 T 57/20; FG Münster, Beschluß vom 13.05.2020, Az. 1 V 1286 AO) – Altschulden bleiben damit also auch ungetilgt.

Die Insolvenzwelle kommt nach dem 30.09.2020
Vom 01.03.-30.09.2020 wurde die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt; mit Verlängerungsoption für den Minister bis 31.03.2021. Ein Turboeffekt dürften die gestundeten und dann fällig werdenden angewachsenen Schulden besitzen; einschließlich Kreditrückzahlungspflichten auch ggü. dem Staat. Hinzu kommt als Hürde, dass das einschlägige Strafrecht nicht suspendiert wurde. Bei Gastwirten schätzen Insider gegenwärtig, dass bis zu mehr als 60 Prozent sowieso aufgeben werden – Liquidation oder Insolvenz. Das UN World Food Programme (WFP) rechnet mit einer Hungerpandemie, welche im April bereits 265 Mio. Menschen lebensbedrohlich gefährdete. Die International Labour Organisation (ILO) schätzte zu dieser Zeit, dass weltweit nahezu jeder zweite Arbeitsplatz wegfällt und die Existenzgrundlage dann fehle.

Bis zum Totalverlust reichen die Risiken bei privater und betrieblicher Altersvorsorge
Dass beim Steuerverlagerungsmodell Riestersparen und Basisrente, zwar die private Verpfändung durch den Versicherungsnehmer unterbunden ist, bedeutet keinesfalls einen kompletten Schutz vor hoheitlicher Pfändung und/oder Verwertung mittels Einziehung durch den Insolvenzverwalter. Jedoch läßt sich dies prüfen und häufig legal gestalten – selbst bei normalen Lebensversicherungen. Besonders bitter ist es für Arbeitnehmer, wenn sie es versäumten den Insolvenzschutz der eigenen betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und sicher zu stellen, um sich später vom Insolvenzverwalter an den Pensionssicherungsverein verweisen zu lassen – mit guter Aussicht auf eine faktische Minderung der eigenen Ansprüche. Der Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 18.07.2013, Az. IX ZR 219/11) eröffnete dem Insolvenzverwalter weitergehende Möglichkeiten, auf das Vermögen der Mittelstandskapitalgesellschaft zur Rückdeckung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zuzugreifen; insbesondere bei Pensionszusagen an geschäftsführende Gesellschafter.

Anfechtbarkeit der Verpfändung einer Rückdeckung an den Geschäftsführer
Der BGH hat entschieden, daß für eine Anfechtung der Bestellung von Sicherheiten für den Geschäftsführer (z.B. Verpfändung oder Abtretung) durch Insolvenzverwalter bzw. Gläubiger nach § 135 Insolvenzordnung (InsO) es ausreichend ist, wenn der Geschäftsführer mit 50 Prozent am Gesellschaftskapital beteiligt ist und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.

Nach der seit 01.11.2008 gültigen gesetzlichen Regelung sind nämlich solche Sicherheiten (z. B. Verpfändung einer Lebensversicherung), die die Gesellschaft in den letzten 10 Jahren gewährt hat, anfechtbar – auch wenn seinerzeit damit nicht die Absicht einer Gläubigerbenachteiligung verbunden war. Dies gilt nicht nur für Sicherheiten zur Absicherung von Darlehen des Gesellschafters, sondern auch für Rechtsverhältnisse, die einem Darlehen an die Gesellschaft wirtschaftlich entsprechen. Für die spätere Pension hat der Geschäftsführer eine Arbeitsleitung erbracht, sich den Lohn jedoch teilweise nicht ausbezahlen lassen, sondern wirtschaftlich bei seiner Gesellschaft dieses Geld darlehensähnlich bis zum Erreichen des Rentenalters stehen lassen: Dies spricht stark für die Annahme eines darlehensähnlichen Geschäfts. Würde es keine Sicherheit geben, also z. B. keine Verpfändung, dann wären allenfalls Rechtshandlungen aus dem letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung anfechtbar – also etwa die Tilgung von Gesellschafterdarlehen ohne Kreditsicherheit.

Auch unangemessen hohe Pensionszusage anfechtbar
Handelt es sich um eine unangemessen hohe Pensionszusage, wird der Insolvenzverwalter nach § 134 InsO von einer (gemischten bzw. teilweisen) Schenkung ausgehen, und anfechten (LG Bochum, Urteil vom 10. Mai 2011, Az. 9 S 251/10). Diese Möglichkeit besitzt auch jeder normale Gläubiger, der ansonsten keine Vollstreckung mehr mit Erfolg hat durchführen können.

Selten wirksamer Schutz durch Treuhandmodelle
Eine die Gläubiger der Mittelstands-GmbH stets benachteiligende Treuhandvereinbarung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem das Treugut entsteht (BGH, Urteil vom 24.05.2007, Az. IX ZR 105/05). Erfolgt der Aufbau einer Rückdeckung (z.B. in einer Lebensversicherung oder über ein Wertpapierdepot) durch laufende Einzahlungen, oder erfolgt die dingliche Übertragung von Vermögen auf einen Treuhänder, so ist im Zweifel erst der zeitlich letzte Teilakt bei mehraktigen Rechtsgeschäften maßgeblich.

Würden dem Treuhänder gegen den Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwalters wirksame Einreden zustehen, welche die Mittelstands-GmbH nicht erheben konnte, so ist bereits die Zahlung an den Treuhänder gläubigerbenachteiligend, und damit anfechtbar.

Anfechtung nach Werbung mit Insolvenzschutz durch Produktgeber
Bereits das Ziel, auch einen Vermögensschutz (Asset-Protection) durch Verpfändung der Rückdeckung einer Pensionszusage zu verfolgen, selbst in wirtschaftlich guten Zeiten der Mittelstands-GmbH, eröffnete dem Insolvenzverwalter bisher schon wegen bedingt vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung die Anfechtung nach § 133 InsO (OLG Brandenburg, Urteil vom 13.02.2002, Az. 7 U 152/01). Neu ist nun, dass es auf das Ziel der Gläubigerbenachteiligung gar nicht mehr ankommt, soweit ein als darlehensähnlich zu beurteilendes Geschäft zugrunde liegt.

Vertriebsmärchen der Insolvenzsicherheit bei verpfändeten Rückdeckungsversicherungen
Je nach Ausgestaltung der Pensionszusage mit Rückdeckung, einschließlich Treuhandmodell, kann der Insolvenzverwalter wie auch jeder normale Gläubiger bis zu mehr als 10 Jahre rückwirkend auf die seitdem entstandenen Rückdeckungsmittel des geschäftsführenden Gesellschafters ohne weiteres zugreifen, sofern dieser mindestens zu 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt und zur Alleingeschäftsführung berechtigt ist.

Problemlösung häufig nicht im inländischen Rechtsraum
Zunächst einmal gilt Insolvenzrecht und Zivilprozeßrecht einschließlich Vollstreckungsrecht nur im Inland. Nur durch wirksame Rechtswahl kann ein Vermögensschutz im Einzelfall im Ausland erreicht werden. Hintergrund ist die rechtspolitische Entscheidung zwischen dem Interesse der Gläubiger einerseits und dem Interesse des Staates sowie der Mitarbeiter und Geschäftsführer an einer Sicherstellung der Altersversorgung andererseits. Dies zu gestalten ist Versicherungsmaklern jedoch nicht möglich, denn in aller Regel wird durch die Einschaltung irgendeiner Mittelsperson aus dem Inoder Ausland die Wahl ausländischen Rechts nichtig sein.

  Quelle: www.fiala.de


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