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Mit dem Service Märkte erschließen, ausbauen und sichern

06.08.2021

von Peter Schreiber

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Foto: www.schreiber-training.de

Viele Hersteller von Industriegütern sehen im Service primär einen Umsatz- und Margen-Bringer. Deshalb nutzen sie die strategischen Möglichkeiten des Services zum Steigern des Markterfolgs ihres Unternehmens nicht konsequent.

Unser Markterfolg beruht auf Leistungsfähigkeit und Qualität unser Produkte. Dieses Credo prägte über viele Jahrzehnte das Denken und Handeln der meisten Industriegüteranbieter. Der Service wurde lediglich als eine notwendige Folge des Produktvertriebs gesehen. Die Kunden erwarteten einen After-Sales-Service – zum Beispiel die Versorgung mit Ersatzteilen sowie die Inspektion und Wartung der Maschinen. Also bekamen sie ihn.

Dieses Denken hat sich geändert. Denn aufgrund des oft bestehenden technischen Patts zwischen den Produkten der verschiedenen Industriegüteranbieter entscheidet sich heute der Markterfolg der Unternehmen nicht mehr allein über die Leistungsfähigkeit und Qualität ihrer Produkte. Entscheidend ist vielmehr die kundenorientierte Gesamtlösung, also der Nutzen, den die Zielkunden während der gesamten Nutzungsdauer aus dem Gesamtpaket „Produkt plus Service“ ziehen.

Service ist heute mehr als After-Sales-Service
Deshalb bauen viele Unternehmen ihr Serviceangebot immer weiter aus und der klassische After-Sales-Service wird zunehmend um einen
• Pre-Sales-Service (zum Beispiel technische Planung und betriebswirtschaftliche Beratung) und
• Ad-Sales-Service (zum Beispiel Montage, Inbetriebnahme, Supervision beim „Start of Production“, kurz SOP)

ergänzt – unter anderem, weil die Unternehmen in der offensiven Vermarktung von solchen kunden- und nutzungsorientierten Service-Paketen eine Chance sehen, sich gegenüber ihren Mitbewerbern zu profilieren. Und die Produkte? Sie werden zunehmend nur noch als ein Mittel gesehen, um die von den Kunden gewünschte „ganzheitliche“ Lösung zu realisieren.

Zu Recht! Denn: „Der Kunde braucht – zugespitzt formuliert – „keine Bohrer, er braucht Löcher.“ Bezogen auf die offensive Vermarktung von Serviceleistungen bedeutet dies:
• „Der Kunde braucht keine Ersatzteile, er braucht Standzeit.“
• „Er braucht keine Störungsbeseitigung, er braucht Störungsvermeidung und Prozesssicherheit.“
• „Er braucht Verfügbarkeit, Prozesskostenreduzierung, Gesamtanlagen-Effizienz“.
• Und, und, und.

Aus Herstellern werden „herstellende Dienstleister“
Eine solche kundennutzen-orientierte Marktbetrachtung und -bearbeitung trägt Früchte. Das beweisen heute schon viele „First-Tier-Lieferanten“, also bevorzugte System- und Modullieferanten, sowie Generalunternehmer, die für ihre Kunden lösungsorientiert Pakete aus Produkten und Service-/Dienstleistungen schnüren und/oder ihnen ein Performance-Contracting oder Betreibermodelle offerieren.

Für die Hersteller bedeutet dies: Sie werden zunehmend herstellende Dienstleister.

Eine zentrale Voraussetzung für eine solche Markt(bearbeitungs-)strategie ist nicht nur eine entsprechende strategische Positionierung des Bereichs Service im Markt, sondern auch im eigenen Unternehmen. Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass heute für den Markt- und somit Unternehmenserfolg ein offensiver Servicevertrieb mindestens ebenso wichtig ist wie ein aktiver Produktvertrieb. Die damit zusammenhängenden Grundsatzentscheidungen kann nur das Top-Management treffen. Dieses ist und bleibt der Motor dafür, dass sich der für das Umsetzen einer solchen Strategie erforderliche Bewusstseinwandel in der (gesamten) Organisation vollzieht.

Mit einem offensiven Servicekonzept den Erfolg steigern
Ein offensives Servicekonzept bietet zahlreiche strategischen Möglichkeiten bzw. Hebel, um den Vertriebs- und Markterfolg eines Unternehmens zu steigern. Die wichtigsten seien hier genannt:
1. Differenzierung zum Wettbewerb
 Kundengewinnung und
 Wettbewerber-Verdrängung
2. Sicherstellen der Kundenzufriedenheit
 Kundensicherung / Kundenloyalisierung
 Kundenausbau / Folgegeschäft
 Forcieren der Weiterempfehlungen
 Durchsetzen besserer Preise im Neu- und Folgegeschäft
3. Quelle für zusätzlichen Umsatz mit lukrativem Deckungsbeitrag
 Steigerung des Gewinns
4. Anwendungsbetreuung eigener und fremder Produkte als Informationsquelle für Marktanalyse und über Anwenderbedarf
 kontinuierliche Verbesserung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen (KVP) sowie Entwicklung von Innovationen im eigenen Unternehmen.

Alle genannten Hebel sind den Herstellern von Industriegütern bekannt. Trotzdem spielen viele von ihnen in der Praxis nur auf einem „Instrument“; nur selten wird daraus strategisch ein professionelles „Orchester“ geformt.

Mankos beim Realisieren eines offensiven Servicevertriebs
Warum dies der Fall ist, untersuchte die Hochschule Mannheim bereits vor zehn Jahren mit Peter Schreiber & Partner in der Studie „Vermarktung von Serviceleistungen in der Industriegüterbranche“. Dabei zeigten sich folgende Problem- bzw. Handlungsfelder:

Die Geschäftsleitungen/Vorstände vieler Unternehmen unterstützen zwar positiv das Vermarkten von Serviceleistungen, sie sehen darin aber (noch) nicht einen bedeutsamen Hebel zum Realisieren der Unternehmensvision.

Man spricht firmenintern und in den Unternehmensbroschüren zwar von markt- und kundengerechten (Problem-)Lösungen, im Tagesgeschäft wird aber noch primär an die Produkte und deckungsbeitragsträchtigen Ersatzteile statt an die strategischen Dimensionen des Service gedacht.

Der Service ist zwar bereits ein zentrales Element der Vision, es fehlt aber noch eine formulierte Strategie. Folglich gibt es auch keine differenzierten Arbeitsziele für die Vertriebs- und Servicemitarbeiter, professionellen Vermarktungspläne sowie konkreten Budgets (zum Beispiel für Marketing und Personal). Auch ein differenziertes Controlling fehlt. Die für das Vermarkten der Serviceleistungen verantwortlichen Führungskräfte sind von der Geschäftsleitung/dem Vorstand nicht eindeutig instruiert und ausreichend für die damit verbundenen Aufgaben qualifiziert.

Sie betrachten zum Beispiel das gezielte Forcieren der Vermarktung der Serviceleistungen nicht als eine ihrer strategischen Kernaufgaben. Sie haben für den Verantwortungsbereich „Vermarktung von Serviceleistungen“ keine Balanced Score Card und keinen Sellingplan. Deshalb geraten die mit der Aufgabe „Strategische Vermarktung der Serviceleistungen“ verbundenen Teilaufgaben im operativen Tagesgeschäft vielfach aus dem Blick.

Die Vertriebs- und Servicemitarbeiter sind für einen offensiven Serviceverkauf nicht adäquat qualifiziert und trainiert. Sie sind zudem nicht mit den nötigen verkaufsfördernden Tools ausgerüstet.

Die Mitarbeiter spüren diese Defizite und „sperren“ sich entweder mental gegen den Verkauf von Serviceleistungen oder stellen entsprechende Versuche nach einiger Zeit frustriert ein.

Bei den genannten „Problemfeldern“ gab es im zurückliegenden Jahrzehnt bei vielen Herstellern von Industriegütern zwar zum Teil schon große positive Veränderungen – unter anderem, weil sie die strategische Relevanz des Services für ihren Markterfolg erkannten. Dessen ungeachtet kämpft das Gros von ihnen im Betriebsalltag aber weiterhin mit den vorgenannten Problemen wie aktuelle Expertenbefragungen zeigen.

Den Servicevertrieb in der Strategie und im Arbeitsalltag verankern
Deshalb stellt sich für sie weiterhin die Frage, wie können besagte Defizite behoben werden und die strategischen Chancen eines Service-Vermarktungskonzeptes offensiv genutzt werden. Weiterhin gilt: Die Geschäftsleitung beziehungsweise der Vorstand muss zunächst eine strategische Grundsatzentscheidung treffen, welche Rolle der Bereich Service beim Realisieren der Unternehmensvision und Erreichen der Unternehmensziele spielt. Ist der Bereich Service diesbezüglich relevant, gilt es nach den Regeln des Projektmanagements ein Projekt „Service Excellence“ aufzulegen. Dieses strategisch wichtige Projekt muss Chefsache sein und bleiben! Dies bedeutet: Im Lenkungsausschuss des Projekts ist die Geschäftsleitung/der Vorstand persönlich vertreten, damit für alle direkt und indirekt Betroffenen sichtbar wird, welche strategische Relevanz die Unternehmensspitze dem Service beimisst.. Die Projektleitung wiederum muss zunächst eine Marktanalyse durchführen – und daraus die verschiedenen strategischen und organisatorischen Optionen ableiten. Nach der Diskussion dieser Optionen im Lenkungsausschuss ist für den Service-Bereich eine erste Balanced Score Card nebst korrespondierendem Marketing- und Sellingplan auszuarbeiten, die Jahr für Jahr weiter entwickelt werden.

Das heißt letztlich: Der Service muss nicht nur erkennbar fest in der Unternehmens-Strategie verankert sein, sondern es muss auch ein nachhaltiges, professionelles Vermarktungskonzept für ihn existieren, damit sich die gewünschten Veränderungen und angestrebten Erfolge zeigen.

  Quelle: www.die-profilberater.de


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