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Mit robotergemähten Rasenflächen die biologische Vielfalt fördern?

10.06.2022

Ob und wie das am besten geht untersucht eine Studie im Rahmen einer Masterarbeit genau.


Zahlreiche Hausgärten bieten Potenzial für mehr Artenvielfalt. Büsche, Bäume und Sträucher sind hier beliebte Orte für mehr Vielfalt in Flora und Fauna. Doch was ist mit der Rasenfläche, die regelmäßig gemäht wird? Entfällt hier die Möglichkeit Artenvielfalt zu fördern? Dies betrifft auch die von Mährobotern gepflegten Rasenflächen. Vielfach bleiben hier die Randstreifen aus technischen Gründen ungemäht und werden dann mit einem Trimmer nachbearbeitet, oder sie bleiben stehen, verringern aber in den Augen mancher Gartenbesitzer den ästhetischen Wert der Gesamtfläche.
Eine in Kooperation mit dem Motorgeräte-Hersteller STIHL erstellte Masterarbeit an der Universität Hohenheim ging der Frage nach, inwieweit die Ansaat von Blühmischungen auf diesen Randstreifen das Erscheinungsbild von robotergemähten Rasenflächen verbessern und gleichzeitig die biologische Vielfalt erhöhen kann. Als beste Wahl hierfür stellten sich Blühmischungen aus gebietsheimischem Saatgut heraus.


Die Forschung


Zu diesem Problem des ungemähten Randstreifens forschte Alicia Läpple, Studentin der Universität Hohenheim (Baden-Württemberg), im Sommer 2021 im Rahmen ihrer Masterarbeit. Das Ziel ihrer Studie mit dem Titel „Anlage von Blühflächen zur Optimierung des Erscheinungsbildes von robotergemähten Rasenflächen“ bestand darin, geeignete Blühmischungen zu finden, mit denen einerseits das regelmäßige Nachbearbeiten entfällt und das Erscheinungsbild des Randstreifens verbessert werden kann und die sich andererseits als tolerant gegen das Mähen und Überfahren erweisen. Gleichzeitig sollte untersucht werden, ob und welche Blühmischungen wesentlich zur Förderung der Biodiversität beitragen, also zur Erhöhung der Pflanzenvielfalt sowie zur Erhöhung der Anzahl und Artenvielfalt blütenbesuchender Insekten.


Hintergrund der Studie


Die zentrale Problemstellung, die dieser Masterarbeit zugrunde liegt, war die Tatsache, dass beim Anlegen von robotergemähtem Rasen in Privatgärten zumeist ein elektrischer Begrenzungsdraht verlegt werden muss, der den Arbeitsbereich des Mähroboters definiert und den Abstand zu Hindernissen festlegt. Weil die effektive Schnittbreite des Mähroboters geringer ist als seine Außenabmessungen, kann im Pflegeeinsatz am Rand der Rasenfläche vor allem in Bestandsgärten ein ungemähter Rasenstreifen entstehen, sofern die Gartengestaltung randschlüssiges Mähen verhindert – etwa durch eine an den Rasen angrenzende Mauer oder Beeteinfassung. Läpple erklärt: „Das Einhalten von Mindestabständen zu Trennelementen und Hindernissen sowie das zurückversetzte Mulchmesser hinter dem Mähergehäuse bedingen, dass am Randbereich von robotergemähten Rasenflächen ein ungemähter Rasenstreifen stehen bleibt. Der ungemähte Rasenstreifen reduziert den ästhetischen Wert gegenüber der übrigen gemähten Rasenfläche.“ Bei passender Gartenplanung und -gestaltung lässt sich die Randstreifenbildung vermeiden – etwa indem man am Rand der Rasenfläche flache Wegplatten oder Rasenkantensteine verlegt. Ist dies nicht der Fall, wird der Randstreifen üblicherweise mit einem handgeführten Rasentrimmer nachbearbeitet. Eine Alternative, die ohne solchen zusätzlichen Technik- und Pflegeaufwand auskommt, stellt die Anlage eines blühenden Randstreifens dar.


Zudem untersuchte diese Arbeit, die auf einer vorangegangenen Masterarbeit zu einem verwandten Thema aufbaut, inwieweit das Anlegen von Blühstreifen am Rand von robotergemähtem Rasen die Biodiversität der Gesamtfläche fördern kann. Biodiversität bzw. biologische Vielfalt bezog sich in dieser Studie auf die Artenvielfalt unter Insekten, welche die Blüten im Randstreifen anflogen. Schon 2020 gelang der Nachweis, dass von Robotern gemähte Rasenflächen zur lokalen Biodiversität beitragen und insbesondere Blühstreifen am Rand dieser Rasenflächen die biologische Artenvielfalt beträchtlich erhöhen können. In der aktuellen, darauf aufbauenden Studie von Alicia Läpple ging es im Hauptversuch nun auch um die Frage, welche Saatgutmischungen sich besonders gut für solche biologisch wertvollen Blühstreifen eignen und welche durch ihre Robustheit auch das Mähen beziehungsweise Überfahren zulassen.


Der Feldversuch


Wesentlicher Bestandteil von Läpples Masterarbeit war ein Feldversuch vom 15. April bis zum 22. August 2021. Das Unternehmen STIHL stellte der Studentin hierfür eine 300 m² große Versuchsfläche auf dem Werksgelände in Waiblingen (Baden-Württemberg) zur Verfügung.
Im Zuge der Versuchsvorbereitung wurden auf der bestehenden Rasenfläche streifenförmige Blühflächen abgesteckt, der darauf bestehende Rasen mithilfe einer Rasenschälmaschine abgetragen und die freigelegten Flächen mit Gartensubstrat aufgefüllt. Anschließend wurden die Flächen in insgesamt 79 Versuchsparzellen eingeteilt.


Im Hauptversuch sollten geeignete Blühmischungen für den Randbereich von robotergemähtem Rasen ermittelt werden. Hierfür wurden auf 54 Parzellen fünf verschiedene Blühmischungen angesät. Dies waren zum einen die im Handel erhältlichen gebietsheimischen Saatgutmischungen Blumenrasen/Kräuterrasen (unbegrenzt vital), Feldblumenmischung (einjährig) und Bunter Saum (mehrjährig), zum anderen von der Autorin der Studie selbst aus gebietsheimischem Saatgut erstellte Sondermischungen in den Wuchsformen niedrig und mittelhoch (jeweils ein-, zwei- und mehrjährige Pflanzen). Nach der Ansaat der Blühmischungen im April wurde der Begrenzungsdraht für den Mähroboter auf der Versuchsfläche installiert.


Im Rahmen des Feldversuchs sollte ermittelt werden, welche Anforderungen an Blühmischungen im Randbereich von robotergemähten Rasenflächen gestellt werden müssen. Zu den Bewertungskriterien zählten sowohl im Hauptversuch als auch in den Nebenversuchen der projektive Deckungsgrad („Bewuchsdichte“), die Schnittverträglichkeit und Befahrbarkeit sowie die Bonitur, also die visuelle Beurteilung der Blühstreifen hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes.


Das Ergebnis


Das Ergebnis, so Alicia Läpple: „Die tägliche Überfahrt des Mähroboters durch die Blühmischungen bewirkte eine Selektion von Arten, welche die Überfahrt am besten vertragen haben bzw. die am besten an das Überfahren angepasst waren. Die Wuchshöhe der Pflanzen spielt eine bedeutende Rolle. Neben der Wuchshöhe beeinflusste ebenso die Wuchsform der Pflanzen die Eignung der Blühmischungen auf die Befahrbarkeit.“ Die Masterstudentin stellt in ihrer Forschungsarbeit weiterhin fest: „Der Feldversuch hat gezeigt, dass die Anlage von Blühflächen im Randbereich von robotergemähten Rasenflächen einen neuen ökologischen Ansatz zur Lösung des ungemähten Rasenstreifens darstellt. Hierdurch wird das Erscheinungsbild der Rasenfläche verbessert und der Hausgarten insgesamt aufgewertet.“
Im Rahmen der Studie von Alicia Läpple wurde deutlich: Die Ansaat von gebietsheimischen Blühmischungen sorgt einerseits für ein positives Erscheinungsbild des Randstreifens und fördert andererseits die Biodiversität blütenbesuchender Insekten durch ein verbessertes Nahrungsangebot. Der Begrenzungsdraht wird in das Saatbeet der Blühfläche installiert. Im weiteren Verlauf des Versuches überfährt der Mähroboter den Randbereich zwischen Rasenfläche und Blühstreifen.


Einige Versuchsergebnisse im Detail


Im Feldversuch haben sich die Blühmischungen Bunter Saum und Blumenrasen/Kräuterrasen als geeignete Blühmischungen für den Randbereich von robotergemähten Rasenflächen erwiesen. Diese Blühmischungen erreichten in der gesamten Bonitur die höchsten Bewertungen: Bei der Bewuchsdichte (projektiver Deckungsgrad) schnitten die genannten Saatgutmischungen ebenso vorteilhaft ab wie bei der Schnittverträglichkeit und Befahrbarkeit. Sieger in der Disziplin „Erscheinungsbild“ war der Bunte Saum und auch in der Rangfolge „Biodiversitätswert“ war der Bunte Saum ganz vorn. Bei der Anlage von Blühflächen am Randbereich von robotergemähten Rasenflächen, stellt Läpple fest, sollte die Schnitthöhe des Mähroboters angepasst werden. Durch einen hohen Schnitt (6 cm) wird der Austrieb der Arten eher ermöglicht als bei einem niedrigen Schnitt (3,5 cm); einen niedrigen Schnitt tolerieren Gräser besser als Wildblumen – das gilt insbesondere für Blühmischungen mit einem Blumenanteil von 100 Prozent, wie die Versuche gezeigt haben.


Hinsichtlich der Biodiversität erzielten die einzelnen Blühstreifen im Laufe des Feldversuches unterschiedliche Ergebnisse, die durch die Beobachtung anfliegender Hautflügler dokumentiert wurden. Masterstudentin Alicia Läpple: „Von allen getesteten Blühmischungen erreichten der Bunte Saum und die Feldblumenmischung vorwiegend einen guten Biodiversitätswert. Die Blühstreifen aus diesen gebietsheimischen Saatgutmischungen wiesen eine große und vielfältige Blütenpracht nahezu über den gesamte Versuchszeitraum auf und boten den blütenbesuchenden Insekten ein wichtiges Nahrungsangebot.“ Zudem erhöht sich mit der Zunahme an Pflanzenarten auch die Anzahl an Tierarten, wie Läpple feststellt: „Dank der vielfältig blühenden Arten ließen sich infolgedessen auch zahlreiche unterschiedliche Insekten in den jeweiligen Blühmischungen des Feldversuches beobachten.“ Läpple dokumentierte beispielsweise Wildbienen, Honigbienen, Hummeln, Wespen, Schwebfliegen, Fliegen, Weichkäfer, Marienkäfer, Wanzen und Kohlweißlinge.


Gebietsheimische Pflanzen im Vorteil


Weiterhin haben die Versuche deutlich gezeigt, dass blütenbesuchende Insekten die gebietsheimischen gegenüber exotischen Blühmischungen bevorzugten. Es sind sowohl die Pflanzen an die vorherrschenden Umweltbedingungen im Ursprungsgebiet „Südwestdeutsches Bergland“ angepasst als auch die Insekten an diese Pflanzen. Alicia Läpple: „An dieser Stelle bedarf es in der Gesellschaft weiterer Aufklärungsarbeit, dass gebietsheimische Blühmischungen zwar nicht die kräftige Farbenvielfalt bieten wie exotische Blühmischungen, aber dafür einen zentralen Beitrag für bestäubende Insekten leisten.“ Wie schon frühere Forschungsarbeiten ergeben haben, bieten die sogenannten Trachtpflanzen den Bestäubern besonders viel Nektar und Pollen als Nahrungsquelle, und mit der Vielfalt der Trachtpflanzen steigt die Individuendichte von Bestäubern. Läpple dazu: „Eine Blühpflanze aus Süddeutschland verfügt beispielsweise über anderes Genmaterial als eine Pflanze derselben Art aus dem Norden, auch Blühzeitpunkte und Pollen können sich unterscheiden.“


Begleitende Interviews


Losgelöst von den Feldversuchen wurde die Masterarbeit durch eine Befragung von zehn Gartenbesitzern, die einen Mähroboter besitzen, begleitet. Darin wurde ihre Einstellung zur Biodiversität allgemein sowie zu Blühstreifen als Umrandung von robotergemähten Rasenflächen abgefragt. Im Ergebnis ermittelte die Studentin bei einer Mehrheit der Garten- und Mähroboterbesitzer eine große Bereitschaft zur Förderung der Biodiversität im eigenen Garten sowie zur Anlage von Blühflächen. „Es wird als wichtig empfunden, einzelne Bereiche im eigenen Hausgarten speziell zur Förderung der Biodiversität anzulegen“, stellt Alicia Läpple fest und fährt fort: „Bei der Hälfte der Befragten gibt es bereits Bereiche im Hausgarten, die speziell zur Förderung der Biodiversität dienen. Darüber hinaus zeigten 40 Prozent der Befragten eine grundsätzliche Bereitschaft, Bereiche des Hausgartens zugunsten der biologischen Vielfalt umzugestalten.“


Das Fazit


Die Versuche im Rahmen der vorgestellten Masterarbeit zeigen deutlich: Durch die Ansaat von Blühmischungen im Randbereich von robotergemähten Rasenflächen kann deren Erscheinungsbild belebt und der Pflegeaufwand verringert werden. Hierzu müssen die Blühmischungen bestimmte Anforderungen erfüllen: Sie sollen einen möglichst geschlossenen Vegetationsbestand erreichen, um einen hohen Deckungsgrad zu erzielen. Aufgrund des regelmäßigen Schnittes und der Überfahrt, müssen die Blühmischungen eine gute Schnittverträglichkeit sowie Befahrbarkeit aufweisen. Ein gutes Erscheinungsbild wird über einen langen Zeitraum durch einen geschlossenen Vegetationsbestand mit großer, vielfältiger Blütenpracht erreicht. Es sollen durch die Aktivität des Mähroboters (Schnitt und Überfahrt) keine auffällig sichtbaren Vegetationsschäden entstehen. Gebietsheimische Blühmischungen mit einem guten Biodiversitätswert zeichnen sich durch eine hohe Attraktivität für Hautflügler (Hymenopteren) sowie andere Insekten aus und sorgen für ein hohes Insektenvorkommen.


Solche Blühmischungen lassen sich auch kombinieren. Zum einen kann die „einstufige“ Ansaat einer einzigen Blühmischung erfolgen, zum anderen die gestaffelte, „mehrstufige“ von mindestens zwei verschiedenen Blühmischungen: beispielsweise eine niedrig- bis mittelhochwüchsige Mischung im vorderen, teilweise befahrenen Bereich sowie eine hochwüchsige Mischung im hinteren Bereich. Durch die mehrstufige Ansaat verschiedener Blühmischungen lässt sich das Erscheinungsbild weiter verbessern und der Biodiversitätswert weiter steigern.

  Quelle: www.soll-galabau.de


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