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Muss der Auftragnehmer den Baugrund untersuchen?

22.09.2015

Von RA Michael Werner

Das OLG Jena hat mit Urteil vom 10.04.2013 – 2 U 571/11 –, das mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH vom 25.06.2015 – VII ZR 108/13 – rechtskräftig geworden ist, u.a. Folgendes entschieden:

• Sind die Erdgeschossdecke und die Bodenplatte aufgrund der mangelnden Tragfähigkeit des Baugrunds nicht hinreichend tragfähig, liegt kein Mangel der Bauleistung vor. Denn das Baugrundrisiko trägt grundsätzlich der Auftraggeber. Etwas anderes gilt, wenn der Auftragnehmer vertraglich dazu verpflichtet ist, den Baugrund zu prüfen (hier verneint) und er seine diesbezüglichen Prüf- und Hinweispflichten verletzt hat.

Ein Unternehmer (AN) hatte aufgrund VOB/B – Vertrags auf dem Grundstück des AG ein Nebengebäude umgebaut. Der AG machte darauf eine Reihe von Mängeln des Rohbaus geltend und behauptete, dass dieser nicht standfest sei und abgebrochen werden müsse. In der Vorinstanz war darauf im selbstständigen Beweisverfahren das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt worden. Dieser stellte zwar Mängel fest, die aber keinen Abriss und einen Neuaufbau des Rohbaus rechtfertigten. Die Klage wurde vom LG abgewiesen. Mit seiner Berufung zum OLG machte darauf der AG die Kosten für den Abbruch des Rohbaus, Rückzahlung des von ihm an den AN gezahlten Werklohns und Erstattung nutzloser Aufwendungen für elektrische, sanitär- sowie heizungstechnische Einrichtungen, mit denen der Rohbau ausgestattet wurde, geltend.

Wie das vorinstanzliche LG weist das OLG die Klage ab. Zwar lägen Mängel im Sinne des § 13 VOB/B vor. Die Werkleistung sei auch abgenommen. Nach den Feststellungen im selbstständigen Beweisverfahren seien Erdgeschossdecke und Bodenplatte nicht hinreichend tragfähig, was aber nicht nur auf der Ausführung des Rohbaus, sondern auch auf der mangelnden Tragfähigkeit des Baugrunds beruhe.

Aus dem Gutachten ergebe sich nicht, dass das Gebäude bei vertragsgerechter Ausführung von Decke und Boden trotz des mangelhaften Baugrunds standsicher wäre; Baugrund und Bauausführung wirkten zusammen. Das Baugrundrisiko trage aber grundsätzlich der Auftraggeber. Eine Prüf- und Hinweispflicht des AN habe nicht bestanden. In dem VOB/B-Vertrag finde sich keine Pflicht des Auftragnehmers, den Baugrund zu prüfen.

Auch die Übergabe der Genehmigungsstatik an den Auftragnehmer, nach der die Zulässigkeit der Bodenbemessung und der angesetzten Bodenwerte (unter Beachtung der DIN 1054) zu überprüfen gewesen sei, beinhalte noch keine vertragliche Vereinbarung, dass diese Überprüfung nicht durch den AG, sondern durch den AN vorzunehmen gewesen wäre. Dies sei vielmehr Aufgabe des AG gewesen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die hier angesprochene Thematik des sog. „Baugrundrisikos“ ist in der baurechtlichen Rechtsprechung ein „Dauerbrenner“. Gab es in der Vergangenheit mehrere Entscheidungen, die den Baugrund als einen „vom Auftraggeber gelieferten Baustoff“ definierten (siehe z.B. OLG Koblenz, Urteil vom 08.06.2012 – 8 U 1183/10), wurde dem von anderen Gerichten widersprochen (z.B. OLG München, Urteil vom 11.02.2014 – 9 U 5582/10). Ebenfalls wurde vertreten, dass es gar kein „spezifisches Baugrundrisiko“ geben würde (z.B. OLG München, Urteil vom 10.12.2013 – 28 U 732/11).

Vor diesem Hintergrund kann Folgendes gesagt werden:
Entscheidend ist, was im konkreten Bauvertrag zum Baugrund geregelt ist. Im Zweifel ist der Willen der Parteien durch Auslegung des Bauvertrags zu ermitteln. Haben die Parteien zu dieser Thematik gar nichts geregelt und der vorgefundene Baugrund weicht von dem ab, was die Parteien bei Vertragsschluss angenommen haben, ist ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung (gemäß § 313 Abs. 2 BGB) gegeben.

Wie das o.g. Urteil des OLG Jena aufzeigt, bedarf es einer eindeutigen vertraglichen Vereinbarung bei entsprechender Vergütung, wenn der Unternehmer eigene Baugrunduntersuchungen vornehmen soll. Dies ist auch logisch, da der Bauherr nicht einerseits eigene Kosten für Baugrunduntersuchungen sparen, andererseits die sich daraus ergebenen Risiken einseitig dem Unternehmer aufbürden können soll.

  Quelle:


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