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Nachforderung der Urkalkulation durch den Auftraggeber?

21.12.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Nordbayern hat mit Beschluss vom 29.10.2015 – 21.VK-3194-35/15 – Folgendes entschieden:

• § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG fordert vom Auftraggeber bei Fehlen von geforderten Erklärungen und Nachweisen, dass diese nachverlangt werden. Die Nachforderung steht nicht in seinem Ermessen.

• Bei der geforderten Urkalkulation handelt es sich um eine Erklärung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG. Es handelt sich um eine leistungsbezogene Erklärung des Bieters, die der Nachforderungspflicht unterliegt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Gerüstbauarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In der Aufforderung zur Abgabe des Angebots war bei den Anlagen, die ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen waren, u.a. angekreuzt: „Urkalkulation im verschlossenen Umschlag“. Nach Durchführung des Eröffnungstermins lag Bieter A an erster, Bieter B an zweiter Stelle. In der Submissionsniederschrift war bei B unter Bemerkungen eingetragen: keine Urkalkulation. Der AG teilte darauf mit, das Angebot des B auszuschließen, da die Urkalkulation nicht beigelegen habe. A sollte danach den Zuschlag erhalten. B rügte darauf den Ausschluss seines Angebots und reichte die Urkalkulation drei Tage später beim AG nach. Darauf erklärte der AG sein Informationsschreiben bezüglich des Zuschlags für ungültig und teilte mit, dass B das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und den Zuschlag erhalten sollte.

Dagegen wandte sich A mit dem Argument, dass zum Zeitpunkt des Einreichungstermins der B die Angebotsunterlagen nicht vollständig vorgelegt habe und deshalb sein Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen.

Die VK sieht den Nachprüfungsantrag des Bieters A als unbegründet an. Die Wertung des Angebots des B durch den AG sei rechtmäßig erfolgt. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG fordere vom AG bei Fehlen von geforderten Nachweisen und Erklärungen, dass diese nachverlangt werden. Diese Regelung verpflichte den Auftraggeber darauf hinzuwirken, dass ein Bieter seinen ersten Fehler (Nichtvorlage) korrigieren und so den Ausschluss seines Angebots vermeiden könne. Die Nachforderung stehe dabei nicht im Ermessen des Auftraggebers. Ein Ausschluss des Angebots könne nur dann erfolgen, wenn der AG die fehlende Erklärung nachgefordert habe und der Bieter diese Erklärung nicht fristgerecht nachreiche (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 VOB/A). Hierbei habe der AG dem Bieter eine Nachreichfrist von sechs Kalendertagen zu setzen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A-EG). Im vorliegenden Falle habe Bieter B es zwar versäumt, die geforderte Urkalkulation mit dem Angebot vor Ende der Angebotsfrist abzugeben. Dies führe jedoch nicht zum Ausschluss seines Angebots. Denn bei der geforderten Urkalkulation handele es sich um eine Erklärung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG, da es sich um eine leistungsbezogene Erklärung des Bieters handele, die der Nachforderungspflicht unterliege. Insbesondere bei einer nachgereichten Urkalkulation liege keine wettbewerbsrelevante Aufbesserung des Angebots des B vor. Die Urkalkulation sei weder Angebotsbestandteil noch Vertragsbestandteil. Sie diene vielmehr der Vereinbarung neuer Preise im Rahmen von Nachträgen. Hier habe der AG zwar keine ausdrückliche Nachforderung der Unterlagen durchgeführt und dem B auch keine Frist gesetzt. Dies sei jedoch vorliegend nicht relevant, da B nach Erhalt der Information, dass er keine Urkalkulation eingereicht habe und daher nicht den Zuschlag erhalte, diese sofort nachgereicht habe. Damit habe er auch die Sechs-Tage-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A-EG eingehalten, sodass es auf die ausdrückliche Anforderung durch den AG nicht mehr ankomme.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Kurfürstendamm 194
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Mit der Entscheidung wird klar dargestellt, dass der Begriff „geforderte Erklärungen und Nachweise“ in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A äußerst weit zu verstehen ist, mithin also auch eine geforderte Urkalkulation mit umfasst. Fordert der AG also eine solche in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots und legt ein Bieter diese nicht vor, hat der Auftraggeber diese nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG zwingend nachzufordern. Ein Angebotsausschluss wegen dieser fehlenden Unterlage ist damit unzulässig.

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