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Nachforderung von 0,00 Euro - Preisen?

03.05.2022

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RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Baden - Württemberg hat mit – erst jetzt veröffentlichtem - Beschluss vom 19.04.2021 -1 VK 12/21 – folgendes entschieden:

1. Jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis ist so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird.

2. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise.

3. 0,00 Euro-Preise fehlen nicht und können daher nicht nachgefordert werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte raumlufttechnische Anlagen europaweit gemäß EU VOB/A ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Nach Submission lag das Angebot des Bieters A an erster Stelle. A hatte in seinem Angebot bei der LV-Position 1.1.0010 einen Preis angegeben und bei den folgenden 11 Positionen jeweils „0,00 Euro“ und den Zusatz „Enthalten in Position 1.1.0010“. Darauf forderte der AG von A eine positionsbezogene Aufgliederung der Preise. Im Rahmen dieser Aufklärung benannte A sowohl in der Position 1.1.0010 einen neuen Preis als auch bei den folgenden 11 Positionen Einzelpreise, die in der Summe exakt den Betrag ergaben, den A im Angebot bei Pos. 1.1.0010 angegeben hatte. Darauf schloss der AG das Angebot wegen fehlender Preisangaben aus. Gegen den Ausschluss beantragte A Nachprüfung zur VK, u.a. mit dem Argument, auch Null-Euro-Preise seien Preisangaben. Da im Übrigen nur unwesentliche Positionen betroffen wären, hätte der AG diese nachfordern müssen.

Die VK gibt dem AG Recht. Der Angebotsausschluss war vergaberechtlich geboten und daher nicht zu beanstanden. Der Ausschluss des Angebots des A sei bereits nach § 16a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A zwingend, weil er nicht die geforderten Preise angegeben habe. Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sei jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht werde. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteile, benenne nicht die von ihm geforderten Preise (siehe BGH Urteile vom 18.05.2004 - X ZB 7/04 und vom 24.05.2005 X ZR 243/02). Weder in der Hauptposition noch in den Einzelpositionen seien von A die tatsächlich beanspruchten Preise benannt worden, wie sich aus der späteren Aufschlüsselung ergebe. Unerheblich sei dafür, ob die Preise in verdeckter Weise vermischt würden. Vielmehr sei allein entscheidend, dass die Angebote der Bieter dann nicht mehr vergleichbar seien, so dass eine einheitliche Wertung durch den AG nicht mehr möglich sei.
Weil auch mit der Angabe von 0,00 € Positionen - wovon alle Beteiligten offensichtlich auch ausgingen - die Angaben vorlägen, fehlten sie nicht und hätten daher nicht nachgefordert werden können. Dies ergebe auch nach § 16a EU Abs. 2 Satz 1 VOB/A. Die Grenze der Nachforderung bzw. Aufklärung sei durch die Rechtsprechung des EuGH insoweit klar gezogen, dass nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Angebotsabgabe nur noch offensichtliche Fehler korrigiert werden könnten (siehe EuGH, Urteil vom 11.05.2017, Rs. C-131/16 Rdnr. 26 - 31).
Von einem offensichtlichen Fehler könne man aber dann nicht mehr sprechen, wenn der Bieter A wie hier– während des Nachprüfungsverfahrens – eingeräumt habe, dass er die Eintragungen bewusst so vorgenommen habe. Mit einer bloßen Angabe der Preise bei den elf Einzelpositionen wäre die hier erforderliche Korrektur auch nicht erledigt. Wie der AG zutreffend ausgeführt habe, müsste auch der Teilpreis für die Positionsnummer 1.1.0010 nachträglich abgeändert werden, was aber inhaltlich auf eine Änderung des Angebots nach Angebotsabgabe hinauslaufe. Wegen des maßgeblichen Zeitpunktes der Angebotsabgabe komme es letztlich nicht mehr darauf an, was A später an Preisen benannt habe.

Vor diesem Hintergrund sei der Ausschluss des Angebotes nach § 16a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Anmerkung:

Die VK nimmt in dieser Entscheidung direkten Bezug auf das Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahre 2004 zum Thema „Mischkalkulation“ (Urt. v. 18.05.2004 - X ZB 7/04). Danach müssen die Preisangaben im Angebot der internen Kalkulation des Bieters entsprechen, was bei Kostenverlagerungen – wie hier - gerade nicht der Fall ist.
An sich steht es dem Bieter grundsätzlich frei, innerhalb seiner unternehmerischen Freiheit so zu kalkulieren, wie er selbst es für richtig hält. Dabei kann er auch Null-Euro-Preise oder Cent-Preise verwenden – wobei aber sichergestellt sein muss, dass er aus Sicht des AG tatsächlich in der Lage sein wird, die Bauleistung vertragsgemäß zu erbringen und auch die Haftung für die Gewährleistung nach Abnahme zu übernehmen (BGH, Urt. v. 19.06.2018 –X ZR 100/16).
Allerdings unterliegt diese Kalkulationsfreiheit des Bieters gewissen Grenzen – etwa, wenn der AG den Bietern bestimmte Kalkulationsvorgaben macht oder wenn der Bieter Kostenbestandteile einzelner Positionen in andere Positionen verteilt oder verschiebt (z.B. in die Position „BE – Baustelleneinrichtung“). Nach der genannten BGH-Rechtsprechung ist klares Indiz für eine solche Kostenverlagerung, wenn bestimmte Positionen auffällig niedrig und andere Positionen auffällig hoch vom Bieter bepreist werden (siehe auch OLG München, B. v. 17.04.2019 - Verg 13/18). Wenn es dem Bieter gelingt, diese Indizwirkung für eine solche unzulässige Mischkalkulation zu erschüttern, dann bleibt sein Angebot in der Wertung. Gelingt ihm das nicht, ist davon auszugehen, dass sein Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält – mit der Folge, dass das Angebot auszuschließen ist.

  Quelle: RA Michael Werner


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