zurück

Nachhaltige Vergabe statt billigstes Angebot

15.09.2022

Worauf Vergabestellen in Zukunft achten müssen, um die öffentliche Vergabe an das Klima anzupassen


Bei öffentlichen Ausschreibungen soll nicht mehr zwangsläufig das günstigste Angebot den Zuschlag bekommen, sondern auf Nachhaltigkeit geachtet werden. In der Praxis ist das vielerorts noch nicht angekommen. Ein Bahnprojekt aber zeigt, wie es gelingen könnte.


Was nachhaltige Vergabe ausmacht


Es war eine außerordentliche Fleißarbeit, die die fünf Verkehrverbünde Nordrhein-Westfalens samt technischen und juristischen Beratern vollbrachten. Neben den Anschaffungskosten für die Züge des Rhein-Ruhr-Express (RRX) mussten sie Wartung, Verschleißteile und zukünftigen Energieverbrauch abschätzen und daraus den gesamten Preis für das Milliardenprojekt ermitteln. Lebenszyklusberechnung heißt dieses Verfahren, das in diesem Fall zwei Jahre dauerte. Viele Vergabestellen schrecken allerdings vor solch langwierigen und komplizierten Berechnungen zurück. Sie halten es lieber einfach, orientieren sich am niedrigsten Anschaffungspreis. Weniger Aufwand und keine Nachfragen vom Chef oder dem Stadtrat.
Mit dieser Haltung sind die Verwaltungen landauf, landab lange Zeit gut durchgekommen. Doch inzwischen gewinnen Fragen zur Nachhaltigkeit an Bedeutung. Damit der billigste Anbieter eine Gemeinde am Ende nicht doch teuer zu stehen kommt, machen vor allem Kommunalpolitiker mancherorts Vorgaben für einen umweltfreundlicheren Einkauf. Schließlich wirkt sich ein niedrigerer Spritverbrauch bei Bussen nicht nur auf die Ökobilanz, sondern auch auf die Kasse der Kommune aus.


Wo liegt das Problem?


Überall angekommen sei dieses Denken allerdings noch nicht. Viele Schrecken immer noch vor nachhaltigen Projekten zurück, die vielleicht das geplante Budget in der Anschaffung sprengen würden. Und das obwohl sie sich langfristig durchaus auszahlen würden und nur mit einem zusätzlichen Kredit im Hier und Jetzt verbunden sind.


So wird das Thema Nachhaltigkeit leider noch viel zu oft vernachlässigt. Mal aus Bequemlichkeit, mal aus Unwissenheit. Aber auch weil die zuständigen Behördenmitarbeiter überfordert sind. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist Experten zufolge einfach zu ungenau. Denn es geht dabei nicht nur um ökologische Standards. Auch behindertengerechte Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen oder der Einsatz wartungsarmer Technik vom Aufzug bis zur Lüftungsanlage könnten dazu zählen. Die Folge: Aus Angst, Fehler zu machen, bleiben die Beamten lieber beim alten Muster. Der billigste Anbieter bekommt den Zuschlag. Wer sich danach richtet, braucht kein Nachprüfungsverfahren unterlegener Bieter zu fürchten. Anders als beim Vergleich von Nachhaltigkeitskonzepten.


Das Positivbeispiel


Umso erfreulicher wenn Großprojekte wie der RRX zeigen, dass es auch anders geht. 84 neue doppelstöckige Nahverkehrszüge, die im 15-Minuten-Takt zwischen Köln und Dortmund mit 53 Haltepunkten bis 2025 fahren sollen, umfasste die Ausschreibung. Das Auftragsvolumen: über vier Milliarden Euro. „Erstmals wurden in einem Vergabeverfahren eines Großprojekts nicht nur die Planung und der Bau der Züge, sondern auch deren Instandhaltung und Energieverbrauch für die nächsten 30 Jahre zusammengefasst“, betonen die Beteiligten. So mussten sich die Auftraggeber etwa mit dem Gewicht der Züge auseinandersetzen. Denn je leichter die Bahnen, desto niedriger der Energieverbrauch.


In die Berechnungen musste ebenfalls einbezogen werden, wie viel Strom beim Bremsen des Zuges zurückgewonnen wird. Und schließlich nahmen die Verkehrsverbünde Siemens in die Pflicht, die Züge nicht nur zu bauen, sondern in den nächsten 30 Jahren in Schuss zu halten. Übliche Garantien seien nach spätestens fünf Jahren ausgelaufen. Reparatur oder gar Neubeschaffung müssten dann die Betreiber finanzieren. „Die Lösung ist deshalb, nicht Züge, sondern Verfügbarkeit für 30 Jahre Betriebsdauer zu kaufen“, sagt eine Expertin. Dieses Rundum-sorglos-Paket war zwar auf den ersten Blick teurer als Angebote anderer Anbieter, aber auf lange Sicht spart es Emissionen und Energie – und damit auch Geld.


Auch Unternehmen, die sich auf öffentliche Ausschreibungen bewerben, denken immer öfter in diese Richtung. Manche achten bei der Bewerbung eher auf Kleinigkeiten – etwa darauf, dass sie grünen Strom verwenden, kein unnötiges Papier ausdrucken oder den Individualverkehr senken, indem ihre Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten.

  Quelle: www.wiwo.de


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare