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Nachträgliche Gewichtung der Zuschlagskriterien möglich?

15.04.2014

Die Vergabekammer (VK) Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 30.10.2013 – VK 1-19/13 – u.a. Folgendes entschieden:

• Ändert die Vergabestelle nachträglich die Gewichtung der Zuschlagskriterien, so liegt hierin ein Verstoß gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot.

• Wird die Wertungsmatrix geändert, hat dies die Vergabestelle den Bietern so rechtzeitig bekannt zu machen, dass diese die Änderungen noch vor Abgabe der Angebote berücksichtigen können.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für die Bestandserweiterung eines Krankenhauses Architektenleistungen im Verhandlungsverfahren nach VOF europaweit ausgeschrieben. In der Einladung zum Verhandlungsverfahren hatte der AG die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bekanntgegeben. Danach sollten das Honorar mit einer Gewichtung von 25 % von einer 7-köpfigen Auswahlkommission bewertet werden. Im Nachgang zu den Verhandlungsgesprächen stellte der AG fest, dass sechs der sieben Kommissionsmitglieder eine Bewertung des Kriteriums „Honorar“ fachlich nicht vornehmen konnten. Diese sechs Kommissionsmitglieder wurden daher nicht mehr mit der Bewertung des Kriteriums „Honorar“ befasst. Der AG berücksichtigte allein die Bewertung des einen Kommissionsmitgliedes, der eine Bewertung vornehmen konnte. Bieter A wurde darauf mitgeteilt, dass der Auftrag an Bieter B vergeben werden sollte. Nach Einsicht in die Auswertung der Punktevergabe rügte Bieter A die Zuschlagswertung als vergaberechtswidrig. Nachdem der AG seiner Rüge nicht abhalf, beantragte er die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Die VK gibt hier dem Bieter A Recht, da der AG die Bestimmungen des Vergabeverfahrens verletzt habe. Der AG habe gemäß § 11 Abs. 4 VOF in der Aufgabenbeschreibung, in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Angebotsabgabe sämtliche Zuschlagskriterien einschließlich ihrer Gewichtung anzugeben. Er sei an diese Kriterien gebunden und nicht berechtigt, Änderungen der kommunizierten Wertungsmatrix im Nachgang der Präsentationen einseitig abzuändern. Im Ergebnis sei das Honorar mit der einfachen Wertung – anstatt der vorab verbindlich festgelegten Wertung von sieben Kommissionsmitgliedern – nur unzureichend in die Gesamtwertung mit eingeflossen. Damit habe der AG sowohl gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB als auch das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Die Verpflichtung zur Transparenz und Gleichbehandlung gebiete es, dass alle Kriterien, die von der Vergabestelle bei der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes berücksichtigt würden und ihre relative Bedeutung den Bietern zum Zeitpunkt der Vorbereitung ihrer Angebote bekannt seien. Demgemäß dürfe ein öffentlicher AG keine Zuschlagskriterien und Gewichtungsregeln anwenden, die er dem Bieter nicht vorher bekannt gegeben habe. Demgemäß seien Änderungen der Wertungsmatrix gegenüber den Bietern so rechtzeitig bekannt zu geben, dass diese die Änderung vor der Abgabe ihrer Angebote noch berücksichtigen könnten. Dies sei hier nicht der Fall, da die Änderung der Gewichtung erst nach Blick in die abgegebenen Angebote erfolgt sei. Der AG sei daher an die selbst aufgestellten und allen Bietern gleichermaßen unterbreiteten Auswahlkriterien zwingend gebunden.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft

Haus Cumberland
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D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Eine zu begrüßende, klare Entscheidung. Danach ist zu beachten, dass nachträglich – d.h. nach Angebotsabgabe – neben den Zuschlagskriterien auch die Gewichtung der Zuschlagskriterien nicht mehr verändert werden kann. Eine nachträgliche Veränderung der vorab festgelegten Gewichtung ist grundsätzlich unzulässig. Ausnahme nur dann, wenn allen Bietern vor Ablauf der Angebotsfrist die Änderung der Gewichtung tatsächlich bekannt gegeben wird.

  Quelle: RA Michael Werner


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