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Nachträgliche Zulassung oder Ausschluss von Nebenangeboten möglich?

25.08.2015

von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 28.01.2015 – Verg 31/14 – u. a. Folgendes entschieden:

• Der öffentliche Auftraggeber kann Nebenangebote nachträglich zulassen oder auch ausschließen, wenn das Gebot der Gleichbehandlung der Bieter und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Transparenz beachtet wird.

• Mindestanforderungen an Nebenangebote bedürfen zwingend der schriftlichen Dokumentation.

• Wählt der Auftraggeber das ausfüllungsbedürftige Kriterium der Wirtschaftlichkeit, ohne dieses inhaltlich auszufüllen, müssen die Bieter nicht damit rechnen, dass die Zuschlagsentscheidung ausschließlich anhand des Preises erfolgt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen Bauauftrag europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben; Nebenangebote waren nicht zugelassen. Zuschlagskriterium war „das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien“. Weder in der Bekanntmachung noch in den späteren Vergabeunterlagen waren jedoch Wertungskriterien aufgeführt. Später informierte der AG die Bieter mündlich darüber, dass für den Fall der Angebotsabgabe Nebenangebote doch zugelassen seien. Die Mindestanforderungen an diese Nebenangebote wurden den Bietern ebenfalls nur mündlich mitgeteilt. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs forderte der AG die Bieter zur Angebotsabgabe auf. Zuschlagskriterien waren auch dabei nicht festgelegt. In den Bewerbungsbedingungen waren Nebenangebote zugelassen. Bieter A und B reichten darauf jeweils ein Haupt- und ein Nebenangebot ein; unter diesen war das Hauptangebot des Bieters B das preisgünstigste. Darauf informierte der AG den A, den Zuschlag auf das Hauptangebot des B erteilen zu wollen; Nebenangebote seien nicht zugelassen worden und deshalb auszuschließen. Darauf rügte A den Ausschluss seines Nebenangebotes als vergaberechtswidrig und wandte sich gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung an B, wobei er die Intransparenz des Verfahrens beanstandete.

Das OLG gibt hier Bieter A Recht und stellt fest, dass das Vergaberecht in mehrfacher Weise gravierend verletzt worden sei. So verlange das Transparenzgebot, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens den Bietern so bekannt gemacht würden, dass sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung verstehen und in gleicher Weise auslegen könnten und der AG prüfen könne, ob die Angebote der Bieter die geltenden Kriterien erfüllten. Aus dem Gebot von Gleichbehandlung und Transparenz folge, dass Vergabeunterlagen den Bietern in schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen seien; mündliche Mitteilungen durch öffentliche Auftraggeber gegenüber Bietern genügten nicht. Dies ergebe sich auch aus § 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A–EG, wonach Vergabeunterlagen den Bietern schriftlich zu übersenden seien, wenn sie nicht elektronisch zur Verfügung gestellt würden. Dies gelte auch für die hier bloß mündlich erfolgte Mitteilung von Mindestanforderungen. Nachdem die Hauptangebote durch die Bieter in der Annahme abgegeben worden seien, parallel eingereichte Nebenangebote seien zulässig, habe der AG nicht einfach nur die Hauptangebote werten dürfen. Würden Hauptangebote in der Annahme erstellt, Nebenangebote seien zugelassen, könne im allgemeinen davon ausgegangen werden, dass die Zulassung eines Nebenangebotes auf die Erstellung des Hauptangebotes Einfluss ausübe; denn es habe Einfluss auf die Kalkulation, wenn die Bieter davon ausgingen, Nebenangebote seien zulässig.

Der Zuschlag auf das Hauptangebot des B allein auf Grundlage des Preises sei außerdem unzulässig, weil der AG seine Absicht, in Abweichung von den Festlegungen in der Bekanntmachung eine reine Preiswertung durchzuführen, ebenfalls nicht transparent bekannt gemacht und den Bietern keine Gelegenheit gegeben habe, darauf durch Unterbreitung modifizierter Hauptangebote zu reagieren. Die Wertung der Hauptangebote unter Außerachtlassung des Wirtschaftlichkeitskriteriums in Form einer reinen Preiswertung habe ebenfalls gegen die vergaberechtlichen Gebote der Transparenz und der Gleichbehandlung verstoßen. Die Beachtung dieser Grundsätze erfordere es, dass potenziellen Bietern zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Angebote alle Kriterien, die vom öffentlichen Auftraggeber bei der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes berücksichtigt würden und deren relative Bedeutung, bekannt seien. Diesem Erfordernis sei nicht genüge getan, wenn der AG nach Eingang der Angebote das mitgeteilte Wertungskonzept grundlegend ändere und sich dazu, ohne die Bieter hiervon in transparenter Form zu unterrichten und eine Anpassung der Angebote zu ermöglichen, entschließe, die Zuschlagsentscheidung ausschließlich am Preis zu orientieren. Ein solches Vorgehen komme auch dann nicht in Betracht, wenn der AG das ausführungsbedürftige Kriterium der Wirtschaftlichkeit gewählt habe, ohne dieses inhaltlich auszufüllen. In einem solchen Fall müsse der Bieter nicht damit rechnen, dass mangels Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitskriteriums die Zuschlagsentscheidung ausschließlich anhand des Preises erfolge, weil dieser als allein sinnvoll und damit als maßgeblicher Gesichtspunkt verbleibe.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung stellt grundsätzliche Maßstäbe fest, z. B. dass Mindestanforderungen an Nebenangebote immer schriftlich dokumentiert werden müssen. Eine Änderung der Zulassung oder Nichtzulassung von Nebenangeboten ist zwar gundsätzlich zulässig, muss aber allen Bietern transparent zur Kenntnis gegeben werden. Wichtig ist auch die Aussage zu den Nebenangeboten: Wenn ausweislich der Bekanntmachung davon auszugehen ist, dass die Zuschlagsentscheidung maßgeblich von anderen Umständen und Kriterien als dem Preis abhängt, kann eine Angebotswertung in Form einer reinen Preiswertung nicht erfolgen, ohne dass den Bietern Gelegenheit gegeben wird, darauf durch die Unterbreitung modifizierter Angebote reagieren zu können.

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