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Nadelstiche in ein System aus Subunternehmen

21.05.2012

Zöllner suchen auf Baustellen nach Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten - Die Hintermänner sind schwer zu finden
Von Philipp Heinz

Wiesbaden (dapd-hes). Hände an die Wand, Beine breit und ruhig bleiben: Äußerlich gelassen nimmt der Bauarbeiter die Kontrolle der Zollbeamten hin. Die graue Arbeitshose des Serben ist nass, denn als die sechs Zöllner anrückten, ist der junge Mann in eine Grube auf der Baustelle gesprungen, in der kniehoch das Wasser steht. Dort war er leicht zu finden. Ein Beamter zieht sich blaue Einweghandschuhe an, um ihn zu durchsuchen, der andere steht drei Schritte entfernt, die Hand an der Pistole.

"Ohne Identität kann keiner hier weg", sagt Zöllner Udo Bäumle von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Am Morgen ist die Kontrolleinheit in Wiesbaden ausgerückt, als Teil einer bundesweiten Aktion gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit auf dem Bau. "Das soll auch eine Außenwirkung haben", sagt Bäumle. Im vergangenen Jahr hat allein das Hauptzollamt Darmstadt, zu dem die Wiesbadener Dienststelle gehört, 12.500 Beschäftigte kontrolliert. Die Bußgelder beliefen sich auf 1,6 Millionen, die Geldstrafen auf 800.000 Euro.

Das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland ist naturgemäß schwer festzustellen. Oft zu lesen sind die Angaben zweier Wirtschaftswissenschaftler, die den Umfang der gesamten Schattenwirtschaft, zu der auch Schwarzarbeit zählt, im vergangenen Jahr auf rund 350 Milliarden Euro schätzten. Doch die Zahlen sind umstritten. Klar ist dagegen, dass Schwarzarbeit die Steuerzahler eine hohe Summe kostet und den Sozialkassen schadet.

Der Serbe auf der Wiesbadener Baustelle hat im Schreck des Augenblicks sofort zugegeben, dass er illegal in Deutschland ist und keinen Pass bei sich hat. Auf dem Bürgersteig sammeln sich die ersten Schaulustigen, auf einem Balkon des Nachbarhauses steht ein älterer Mann im lila Jogginganzug. "Den müssen wir im Büro noch mal richtig durchsuchen, hier gucken die Leute zu, das können wir nicht machen", sagt einer der beiden Zöllner. Weil der Arbeiter sich nicht ausweisen kann, klicken die Handschellen.

"Uns ist schon bewusst, dass das hier die Leidtragenden sind", sagt die Leiterin der Kontrolleinheit, Priska Bauer. "Ziel ist es, immer auch an die Hintermänner zu kommen." Doch das ist schwer. Wer von den Auftraggebern die Regeln kennt und die Sprache versteht, kann oft alles so drehen, dass zumindest auf dem Papier die ganze Schuld beim Arbeiter liegt.

Ein Hilfsarbeiter in Westdeutschland muss den Mindestlohn von 11,05 Euro bekommen, ein Geselle 13,40 Euro. Für viele Arbeiter aus dem Ausland ist aber selbst ein Drittel dieser Summe höher ist als die Bezahlung daheim. Auch etliche Hartz-IV-Empfänger nutzen einen Job auf dem Bau für ein Zubrot - wenn sie das aber nicht vom ersten Tag an melden, machen sie sich strafbar. Und Ausländer ohne Arbeitsgenehmigung dürfen erst Recht nicht auf den hiesigen Baustellen zum Hammer oder zur Kelle greifen.

Subunternehmen über Subunternehmen

Die Bauwirtschaft ist zu einem System aus Sub-, Subsub- und Subsubsubunternehmen geworden. Schon auf der ersten Baustelle, die die Wiesbadener Zöllner kontrollieren, treffen sie einen Bulgaren, sich als Selbstständiger ausgibt. Besser gesagt: Sein türkischer Auftraggeber, wiederum Subunternehmer seines Cousins, erklärt den Beamten, dass der Bulgare, der selbst kein Wort versteht, als Eisenbieger ein Gewerbe angemeldet hat. Auffällig ist, dass es auf der Baustelle um Dämm- und Dacharbeiten geht. Eisen gibt es in der Regel nur im Rohbau zu biegen.

Rumänen und Bulgaren sind zwar mittlerweile EU-Bürger, dürfen aber in Deutschland noch nicht als Angestellte arbeiten - als Selbstständige sehr wohl. Eine Kranken- und Unfallversicherung kann der Bulgare auch nicht nennen. Da die Zöllner aber ohne konkrete Hinweise auf Scheinselbstständigkeit keine Ermittlungen beginnen, geben sie den Betroffenen Zeit, Unterlagen nachzureichen.

Auf der zweiten kontrollierten Baustelle geht es dann zur Sache: Von den sechs kontrollierten Arbeitern, die mit dem Rohbau am Rheinufer beschäftigt sind, muss außer dem Serben noch ein Grieche seinen Arbeitstag in Handschellen beenden. Auch er hat keine Papiere bei sich. Damit ist der Einsatz der Zöllner für diesem Vormittag beendet. Jeweils zwei Beamte müssen sich um die beiden Festgenommenen kümmern, die übrigen zwei reichen für weitere Kontrollen nicht aus.

Der Rest des Tages besteht für die Beamten aus Vernehmungen und Schreibkram. Der Pass des Griechen findet sich in seiner Wohnung in Offenbach, das Vergessen zählt als Ordnungswidrigkeit. Der Serbe dagegen bekommt die volle Härte der Behörden zu spüren: Bei einem Abgleich mit der Datei der Polizei stellt sich heraus, dass er zur Ausweisung ausgeschrieben ist. Am Tag danach beantragt die Ausländerbehörde Abschiebehaft.

 

  Quelle: dapd


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