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Natur erobert Trassenkorridor der Ostseepipeline zurück

01.08.2012

Tauchroboter sichtet junge Algenwälder auf neuen Steinschüttungen

Von Ralph Sommer

Lubmin (dapd-lmv). Zentimeter für Zentimeter Meter gleitet der rote Tauchroboter "Predator" über den steinigen Ostseegrund. Ausgerüstet mit Videokameras und Laser-Pointern scannt das Gerät in knapp sechs Metern Tiefe die Meeresfauna im trüben Wasser am Ausgang des Greifswalder Boddens. An Bord des ehemaligen deutschen Forschungsschiffs "Professor Albrecht Penck" steuert Anja Schanz das Tauchgerät über eine Steinschüttung, genau über jene Stelle, an der vor zwei Jahren Spezialschiffe die deutsch-russische Ostseepipeline in den Meeresboden versenkt hatten.Am Monitor der Meeresbiologin werden Seepocken und rötlich schimmernde Algenwälder sichtbar. Die zehn bis 20 Zentimeter großen Pflanzen, die sich in der Strömung wiegen, seien die ersten Rückkehrer, sagt Schanz. Nur acht Monate nach der Ankunft des ersten sibirischen Erdgases am Anlandepunkt in Lubmin erobere die Natur den kahlen Trassenkorridor der Gaspipeline zurück.Seit 2011 sind Schanz und ihre Kollegen vom Rostocker Institut für Angewandte Ökosystemforschung im deutschen Küstenmeer unterwegs, um die ökologischen Auswirkungen des Trassenbaus zu untersuchen. An Bord deutscher und schwedischer Forschungsschiffe nehmen sie im Greifswalder Bodden und in der Pommerschen Bucht Sedimentproben von jenen Stellen, an denen die Leitung metertief im Boden vergraben und mit neuem Stein- und Sandmaterial abgedeckt wurde. Seit einigen Monaten finden sich in den ausgesiebten Proben auch schon wieder erste Kleinstlebewesen. Flohkrebse, Wattschnecken und Meeresringelwürmer haben sich auf der früheren Unterwasser-Baustelle wieder eingerichtet. "In einigen Monaten werden auch die ersten Muscheln zurückkehren, die derzeit noch im sommerlichen Larvenstadium durch das offene Wasser treiben", sagt Schanz.

Jede zweite Art schon wieder im Trassenkorridor nachgewiesen

Auf drei Quadratkilometer Gesamtfläche summiere sich die Eingriffsfläche der Gasleitung vor der deutschen Küste, sagt Jan Kube, Umweltmanager des Betreiberkonsortiums Nord Stream, das das umfassende Umweltmonitoring-Programm finanziert. "Schon jetzt sei absehbar, dass die Vorgabe eingehalten wird: Spätestens 2014 wird der Trassenkorridor wieder in jenem Zustand sein, wie wir den Greifswalder Bodden vor vier Jahren vorgefunden hatten." Inzwischen seien bereits 50 Prozent der im Bodden vorkommenden Lebewesen wieder im Trassenverlauf nachgewiesen worden.Insgesamt 100 Millionen Euro investiert Nord Streams in die Untersuchungen der Ostsee. Anfang Juli gingen die ersten Ergebnisse der Umweltuntersuchungen den zuständigen Behörden der Anrainerstaaten zu. Allein 40 Millionen Euro fließen bis 2014 in das Umweltmonitoringprojekt entlang der Trasse. Über einen Zeitraum von 15 Jahren untersuchen etwa 100 Experten aus 15 Ingenieurbüros und Instituten in Deutschland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden den biologischen, chemischen, physikalischen und sozioökonomischen Zustand der betreffenden Seegebiete. Insgesamt überwachen sie rund 1.000 vorgegebene Messpunkte auf der Leitungsroute.

Umweltgerechte Kompensationsprojekte auch an Land

Nach Angaben der Auftragsforscher wurden auch während der Bauphase alle staatlich vorgegebenen Richtwerte eingehalten. Demnach sollen auch die Rammarbeiten am Anlandepunkt in Lubmin und der Lärm des seinerzeit um die Hälfte angestiegenen Schiffsverkehrs keine akustischen Beeinträchtigungen für Kegelrobben und Schweinswale zur Folge gehabt haben. Hinzu seien Ersatzmaßnahmen gekommen, etwa der Bau einer Robbenbank vor der Insel Ruden, sagt Kube. Auch an Land würden umweltgerechte Kompensationsprojekte umgesetzt. So sei eine ökologisch wertvolle Trockendüne vor der Lubminer Heide renaturiert worden. "Wir setzen dort wieder Samen von Pflanzen aus, die inzwischen sehr selten geworden sind und auf der Roten Arten-Liste stehen", sagt der Biologe. Für die Aussaat werden derzeit von Forschern in Gewächshäusern Pflanzensonderlinge gezüchtet mit klingenden Namen wie Küchenschelle, Sandnelke, Geflecktes Ferkelkraut, Dünenschwingel und Meer-Wundklee.

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Foto: Jens Koehler / dapd

  Quelle: dapd


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