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Neue Kraftwerke bedrohen die Energiewende

04.05.2012

 

Experten warnen vor Fördergeld für konventionelle Anlagen

-- Von Katrin Aue --

Berlin (dapd). Es gäbe zum Thema Energiewende vieles zu besprechen: den sich verzögernden Netzausbau etwa, oder die nur schleppend anlaufende Gebäudesanierung. Doch beim Energiegipfel im Kanzleramt am späten Mittwochnachmittag geht es darum, wie in Deutschland mehr Großkraftwerke gebaut werden können. Schon im vergangenen Jahr hat die schwarz-gelbe Regierung gezeigt, wie wichtig ihr die Förderung von fossilen Kraftwerken ist: Sie beschloss die Mitfinanzierung von Neubauprojekten aus dem Energie- und Klimafonds (EKF), der eigentlich dem Klimaschutz dienen sollte.

"Ich halte weder den Neubau noch die Förderung des Neubaus für sinnvoll", kritisiert Olav Hohmeyer, Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft an der Universität Flensburg. Ginge die Bundesregierung die von ihr angekündigte Energiewende wirklich an, wären neue Kohle- oder Gaskraftwerke nicht notwendig, sagt das Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät. Und: "Viel sinnvoller wäre es, das gleiche Geld in den Netzausbau und in die Entwicklung von Speichertechnologie zu stecken."

Angst vor der Stromlücke

Hintergrund des Spitzentreffens mit Vertretern der großen Energieversorger und Industrieunternehmen ist die Angst vor der Stromlücke. Seitdem acht deutsche Atomkraftwerke abgeschaltet sind und der Atomausstieg bis 2022 beschlossen wurde, malen Versorger und Netzbetreiber einen großflächigen Stromausfall an die Wand. Der zunehmende Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix ist tatsächlich eine Herausforderung. Rund 20 Prozent des deutschen Bedarfs wurden 2011 durch Wind, Sonne oder Biogas gedeckt. Doch Planungssicherheit gibt es keine: Bläst kein Wind, wird keine Energie produziert. Möglichkeiten, Strom für Flauten-Zeiten zu speichern, sind bislang nicht ausreichend erforscht.

Doch deshalb ausgerechnet auf fossile Großkraftwerke zu setzen, nennt Hohmeyer "ein Konzept von gestern für die Probleme von morgen". Auch die Opposition kritisiert die Fokussierung auf die alte Technologie vehement. "Mit fernsehgerechten Showtreffen wenige Tage vor Landtagswahlen wird in Deutschland kein Meter Hochspannungsnetz gebaut, keine Speichertechnologie erforscht und kein Altbau gedämmt", wettert der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir. Die Sitzung im Kanzleramt sei "kein Energiegipfel, sondern ein schlechter Witz", ergänzt Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Neue Kraftwerke schaden dem Klima

Das Problem bei Kraftwerksneubauten ist: Sind sie einmal gebaut, laufen sie in der Regel 35 bis 40 Jahre lang. In der Zeit stoßen sie das Treibhausgas Kohlendioxid aus, was wiederum den Klimaschutzzielen widerspricht. Außerdem könnten sie Investitionen in regenerative Energien verhindern - schließlich liefern sie verlässlich Energie an den Markt. Diverse Gutachten warnen deshalb vor einem Wachstum des Kraftwerksparks in Deutschland.

Eine Studie des Arrhenius-Instituts für Klima- und Energiepolitik kommt zu dem Schluss, dass neue Kohlekraftwerke gar nicht gebraucht werden und dass bis 2020 ein "überschaubarer Bedarf von drei Gigawatt an zusätzlicher Leistung" durch einzelne Gaskraftwerke gedeckt werden könne. Außerdem sei eine "Vielzahl von Gaskraftwerken entweder bereits im Bau oder in Planung", schreiben die Autoren.

Warnung vor "Strategischer Reserve"

Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen kam 2011 zu dem Schluss, dass der Bestand an konventionellen Kraftwerken "mit einem geringen Zubau an Gaskraftwerken" ausreicht.

Das Energiewissenschaftliche Institut der Universität Köln (EWI) warnt in einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums sogar vor Kraftwerken, die als "Strategische Reserve" für den Notfall vorgehalten werden könnten. Sie könnten nämlich häufiger als für diese Reserve notwendig eingesetzt werden. "Dies würde die Investitionsanreize außerhalb der Strategischen Reserve reduzieren", heißt es in der Studie. Will heißen: Wenn dadurch Energie verfügbar ist, wird zu wenig in alternative Energien investiert.

Hohmeyer rät deshalb dazu, die vorhandenen Kraftwerke im Bedarfsfall länger als geplant laufen zu lassen. Auch Technologien, um bestehende Anlagen leistungsfähiger zu machen, seien verfügbar. "Um die Versorgung zu sichern, gibt es sehr viel sinnvollere Wege als den Neubau von Kraftwerken", sagt der Berater der Bundesregierung.

 

  Quelle: dapd


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