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Nur tatsächlich ausgeführte Leistungen werden bezahlt!?

21.11.2019

Von RA Michael Seitz

In einem VOB/B-Einheitspreisvertrag werden die Leistungen nach den vertraglichen Einheitspreisen, multipliziert mit den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet, wenn nichts anderes vereinbart wird.

Dies hat das OLG Zweibrücken in einem Urteil vom 19.01.2017 (Az.: 4 U 15/14) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 22.05.2019 (Az.: VII ZR 49/17) zurückgewiesen.

Der Fall: AN erstellt für AG eine Baugrube. Entgegen der geplanten Ausführung war ein Böschungswinkel von 40 Grad nicht möglich. Vielmehr musste die Baugrube unstreitig wegen zu geringer Breite des Grundstücks mit einem Böschungswinkel von 70 Grad hergestellt werden. So rechnet der AN auch in seinen Abschlagsrechnungen ab. Mit Schlussrechnung jedoch rechnet er höhere Erdaushubmengen ab, die sich aus dem ausgeschriebenen, aber nicht ausgeführten Böschungswinkel von 40 Grad ergeben.

AG kürzt die Rechnung auf die tatsächlichen Erdaushubmengen. Die Differenz klagt AN ein. Die VOB/C, DIN 18300 war vereinbart. Nach Auffassung des Landgerichts ist die Berechnung des AN nach der DIN 18300 (40 Grad Böschungswinkel) zwar zutreffend, dennoch könne er nach Treu und Glauben für die Vergütung nur die „Ist-Mengen“, nicht für die fiktiven „Soll-Mengen“ verlangen.

Das Urteil: Auch die Berufung des AN hat keinen Erfolg. Allerdings korrigiert das OLG die Begründung des Landgerichts. Zwar hätten die Parteien für die Abrechnung der Erdarbeiten die DIN 18300 zugrunde gelegt. Das bedeute jedoch nicht, dass die Massen nach einem fiktiven Böschungswinkel abgerechnet werden könnten. Auch nach der DIN 18300 seien vielmehr nur die tatsächlich angefallenen Massen und nicht etwa fiktive Massen abzurechnen. Die Vergütung berechnet sich nach Einheitspreisen, multipliziert mit den tatsächlich ausgeführten Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 VOB/B. Etwas anderes hätten die Parteien auch nicht vereinbart. Daher sei nach Aufmaß abzurechnen. Zwar enthalte Abschnitt 5 der DIN 18300 Näherungsverfahren, bei dem übliche Böschungswinkel zugrunde gelegt werden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass der AN tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abrechnen könne, denn die DIN diene dem Schutz des AG. Etwaige Mehrkosten wegen der geänderten Leistung (steilere Böschungswinkel) machte AN hier nicht geltend.

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Fazit: Vordergründig erscheint die Entscheidung völlig richtig. Warum sollte AN Leistungen abrechnen dürfen, die er gar nicht erbracht hat? Denkt man die Entscheidung des OLG Zweibrücken jedoch zu Ende, so würden alle Übermessungsregeln in den Abschnitten 5 der entsprechenden DIN-Normen obsolet. Können etwa in der Mauerwerks-DIN Aussparungen bis zu einer bestimmten Größe übermessen werden, so hat AN auch diese Leistung – Mauerwerk in der Aussparung – tatsächlich nicht erbracht. Soll er deshalb trotz Vereinbarung der DIN nun für diese Aussparungen keine Vergütung erhalten, also exakt aufmessen müssen? Vor diesem Hintergrund vermag die Begründung des OLG Zweibrücken nicht zu überzeugen. Die Übermessungsregeln in den DIN-Normen dienen der Vereinfachung der Abrechnung und nicht – wie das OLG Zweibrücken meint – lediglich dem Schutz des AG.

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