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Ohne Rüge kein Anspruch!

08.12.2016

von RA Michael Seitz

Bei einem Streckengeschäft hat die handelsrechtliche Mängelrüge grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse zu erfolgen. Die Nachfrage beim Hersteller im Bezug auf Mängel entlastet den Käufer im Hinblick auf die Mängelrüge nach § 377 HGB gegenüber dem Verkäufer nicht, denn sie ist diesem nicht zuzurechnen.

Dies hat das OLG Karlsruhe in einem Urteil vom 19.07.2016 (Az. 12 O 31/16) entschieden.

Der Fall: Dachdecker AN bestellt bei einem Großhändler G Wärmedämmplatten des Typs Tekurat für fast 50.000,00 €. Der Großhändler bestellt diese seinerseits beim Hersteller H, dieser liefert die Wärmedämmplatten direkt auf die Baustelle. Allerdings liefert er nicht Tekurat, das über eine Alubeschichtung verfügt, sondern vielmehr das Produkt Neopor ohne eine solche Beschichtung. Das fällt dem Bauleiter des Bauherrn auf. Er fragt beim Hersteller H nach, dieser antwortet dem Bauleiter, die Neopor-Platten seien gleichwertig. Das ist jedoch falsch. Nach Fertigstellung des Daches beauftragt der Bauherr einen Sachverständigen, der feststellt, dass die Neopor-Platten schlechtere Wärmedämmwerte aufweisen. AN schließt einen Vergleich mit AG, bessert nach, akzeptiert eine Minderung und trägt auch Gutachter- und Rechtsanwaltskosten. Diese Kosten will AN von Großhändler G ersetzt haben. G wendet ein, AN habe die Mängel nicht rechtzeitig gerügt. AN erhebt Zahlungsklage.

Das Urteil: Ohne Erfolg! Im kaufmännischen Handelsverkehr – also auch zwischen Dachdecker AN und Großhändler G – gilt Ware als genehmigt, sofern sie nicht unverzüglich gerügt wird (§ 377 Abs. 2 HGB). AN hatte die Ware hier nicht gerügt. Auch die Tatsache, dass der Bauleiter des AG beim Hersteller nachgefragt hat, entlastet ihn nicht. Beim so genannten Streckengeschäft (AN bestellt bei G, G bestellt beim Hersteller H und der H liefert unmittelbar auf die Baustelle) müssen nach allgemeiner Auffassung die Mängelrügen grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse erfolgen. Mit anderen Worten: AN muss gegenüber seinem Verkäufer G rügen, dieser dann gegenüber dem H. Gegenüber G hatte AN aber nicht gerügt. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe ist der Hersteller auch nicht Empfangsvertreter des G, er ist also für den Empfang der Mängelrüge des AN nicht zuständig. Hier trat noch hinzu, dass AN gar nicht gerügt hatte. Vielmehr hatte der Bauleiter des AG beim Hersteller nachgefragt und eine falsche Auskunft erhalten. Eine Mängelanzeige gemäß § 377 HGB setzt aber voraus, dass der Käufer (hier also AN) von seinen Rechten Gebrauch machen will. Das konnte G hier schon deshalb nicht erkennen, weil die Nachfrage zwischen AG und dem Hersteller erfolgte, also weder AN noch G davon überhaupt wussten. Die bloße Nachfrage bei offensichtlicher Falschlieferung reicht außerdem auch nicht aus. Nach der – falschen – Antwort des Herstellers wurden die Platten ohne weiteres eingebaut. Damit wurden sie von AN gegenüber G als vertragsgerecht genehmigt.

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Fazit: Die Vorschrift des § 377 HGB ist außerordentlich gefährlich, deshalb sollte jeder Bauunternehmer sie kennen! An ihr scheitern mutmaßlich sehr viel mehr Ansprüche zwischen Lieferant und Bauunternehmer als an der viel diskutierten Frage der Aus- und Einbaukosten. § 377 HGB bewirkt, dass der Käufer sämtliche (!) Mängelrechte verliert, es sei denn, sie waren bei der Untersuchung objektiv nicht erkennbar. Dieses ohnehin scharfe Schwert des Käufers wird von den Gerichten nur allzu gern genutzt und auch noch ausgedehnt, weil es einfache und schnelle Entscheidungen ermöglicht. Ist die angelieferte Ware nicht rechtzeitig gerügt, so verliert der Käufer sämtliche Mängelrechte und alle weiteren Überlegungen des Gerichts zu Art und Umfang der Mängel sowie Schadenersatzansprüchen sind obsolet. Daher kann man jedem Bauunternehmer nur raten, auf der Baustelle angelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und ggf. auch eine Mängelrüge auszusprechen, und zwar stets gegenüber seinem Lieferanten und nicht etwa gegenüber dem Hersteller oder anderen Personen in der Lieferkette. Dies gilt – wie die vorliegende Entscheidung anschaulich zeigt – gerade auch beim weithin üblichen „Streckengeschäft“.

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