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„Ohne juristisches Fachwissen ist die Vertragsgestaltung ein Roulettespiel“

21.08.2013

Dr. Andreas Koenen, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, sieht in mangelhafter Vertragsgestaltung einen Hauptgrund für das Scheitern von Großprojekten

Der verantwortliche Architekt Meinhard von Gerkan äußert sich in seinem Buch „Black Box BER: Vom Flughafen Berlin-Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut“ zu den Hintergründen des Flughafenbaus und zu der seiner Meinung nach „peinlichsten Baustelle“ Deutschlands. So seien die Verschleierung realer Kosten, mangelnde Transparenz und das Ausbleiben des Dialogs zwischen Politik und Steuerzahler entscheidend für die Bauzeitverzögerungen.

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Hält mangelhafte Vertragsgestaltung für den Hauptgrund bei Bauzeitverzögerung: Dr. Andreas Koenen, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

Foto: www.bauanwaelte.de


Dr. Andreas Koenen ist Namensgeber der größten reinen Baurechtskanzlei der Region mit vier Standorten in Essen, Hannover, Münster und Bielefeld sowie Geschäftsführer des Netzwerks Bauanwälte, eines bundesweiten Zusammenschlusses von auf Baurecht spezialisierten Kanzleien. Er hat zu den Bauzeitverzögerungen von Großprojekten eine klare Meinung: „Für den Bauherrn eines Großprojektes ist nicht nur die Auswahl der Vertragspartner, sondern vor allem die richtige Vertragsgestaltung unerlässlich“. Ziel müsse die termingerechte und mangelfreie Erledigung der übernommenen Aufgaben unter Einhaltung des vorgegebenen Kostenrahmens sein. 

„Ohne vertieften juristischen Sachverstand gleicht das Bauen heutzutage einem Roulettespiel mit enormen Summen“, erläutert Dr. Koenen, zugleich Lehrbeauftragter für Baurecht am Institut für Baubetrieb und Baumanagement an der Universität Duisburg-Essen. Die Planung in der Baupraxis sei oft gar nicht oder nur mit erhöhten Kosten umzusetzen. Doch auch Baumängel, Zahlungsverzug oder Lieferschwierigkeiten spielen eine wichtige Rolle, ergänzt Dr. Koenen.

Mitschuld von Architekten an Bauzeitverzögerungen?
In seiner Ausgabe vom 10. Juni 2013 hatte der „Spiegel“ über ein „Gipfeltreffen der geplagten Architekten“ Pierre de Meuron, Meinhard von Gerkan und Christoph Ingenhoven berichtet, welche für die aktuell größten Bauprojekte des Landes verantwortlich sind: die Elbphilharmonie in Hamburg, den Hauptbahnhof Stuttgart und den Flughafen Berlin-Brandenburg. Das Nachrichtenmagazin hatte danach gefragt, ob die renommierten Architekten eine „Mitschuld“ tragen und dabei auch auf die Honorare verwiesen, die beispielsweise im Falle der Elbphilharmonie 93,9 Millionen Euro betragen.

Nun rechnet der Architekt des Berliner Flughafens mit seinem Bauherrn ab und verweist auf Politik und Politiker als Hauptschuldige, die ihn im vergangenen Jahr als Bauernopfer fallen gelassen hätten. Die Bauaufgaben des BER seien unklar gewesen, und er sei mit Änderungswünschen überfallen worden. Schließlich seien auch die Termine aus politischen Gründen willkürlich verordnet worden.

Für Dr. Koenen liegen die Ursachen der Fehlentwicklungen am Bau, insbesondere bei Großbauvorhaben, vor allem in der Diskrepanz des Selbstverständnisses der Architekten einerseits und der Erwartungshaltung der Bauherrn andererseits. Wie zuletzt das Spiegel-Interview eindrucksvoll gezeigt habe, würden sich die Architekten der Projekte in Berlin, Hamburg und Stuttgart nach Bekanntwerden der Folgen auf ihre Rolle als Künstler zurückziehen.

Dieses Selbstverständnis ziehe sich wie ein roter Faden auch durch das Buch „Black Box BER“. So ist davon die Rede, dass Flughäfen zu Shoppingcentern mit Flugzeuganschluss verkommen seien. Sehnsüchtig erinnert sich von Gerkan deshalb an die Zeiten, in denen der von ihm selbst mitgeplante Berliner Flughafen Tegel nur einen Zeitungskiosk, einen Souvenirladen und ein paar Zigarettenautomaten hatte. Von der Taxivorfahrt bis zum Check-In-Schalter waren es damals gerade mal 20 Meter. Gegenüber dieser belästigenden Zudringlichkeit von Schaufenstern, Vitrinen und endlosen Ladenzeilen, so der Architekt des Flughafens Berlin-Brandenburg, würden heutzutage die Primärfunktionen eines Flughafens, vor allem aber die Würde eines öffentlichen Gebäudes, völlig in den Hintergrund treten.

Ein derart ästhetisch geprägtes Selbstverständnis sei für jeden Bauherrn jedenfalls dann ein unkalkulierbares Risiko, wenn dieser in seinem Architekten den umsichtigen Gesamtplaner oder gar Sachwalter seines Projekts vermutet, erklärt Dr. Koenen. Die sich aus dieser Divergenz ergebenden Risiken und Probleme lassen sich nur durch eine von Anfang an gut durchdachte Vertragsgestaltung vermeiden.

Diese wird jedoch heutzutage in vielen Fällen von Seiten der Bauherrn als Nebenleistung, gar als kostenloser Service des Architekten verstanden. Und damit tragen die Bauherrn selbst maßgeblich dazu bei, dass in vielen Fällen das Unheil seinen Lauf nimmt. „Künstler können keine Rechtsberatung leisten und damit auch keine guten Verträge erstellen. Die Erwartungen an die juristischen Fähigkeiten eines Architekten sind viel zu hoch, zumal rechtliche Themen in der Ausbildung eine völlig untergeordnete Rolle spielen“, betont der Rechtsanwalt.

Rechtliche Beratung durch fachliche Laien
In der Realität werden die juristischen Grundlagen eines Bauvorhabens häufig nur unzureichend ermittelt, teilweise wird auf eine juristische Grundlagenermittlung komplett verzichtet. „Wenn Google in diesem Bereich eine größere Rolle spielt als juristischer Sachverstand und baurechtliche Erfahrung, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn es im Ernstfall schief geht“, erläutert der Baurechtsspezialist die Folgen. Rechtliche Gesichtspunkte würden häufig – wenn überhaupt – viel zu spät berücksichtigt. Dabei wären Architekten bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung verpflichtet, den wirtschaftlichen und damit auch juristischen Rahmen festzulegen. Wenn dieser Rahmen überschritten wird, müssen regelmäßig auch die Bauzeitenpläne über Bord geworfen werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf den Honoraranspruch des Architekten, der unter Umständen sogar komplett entfallen kann. Deutet sich ein solcher Konflikt zwischen Bauherr und Architekt an, ist es häufig nur eine Frage der Zeit, bis aus der anfänglichen, teils freundschaftlichen Kooperation, Misstrauen und bisweilen sogar offene Feindschaft wird. Am Bau ist dann erst einmal Stillstand angesagt.

Dramatische Folgen bei Rechtsberatung durch Architekt
Bei der Gestaltung des zeitlich ersten Vertrages mit dem Architekten, wird dieser wohl kaum die Interessen des Bauherrn vertreten oder wahren wollen. Insoweit leuchtet es jedem Bauherrn ein, dass hier die Interessen des Architekten im Vordergrund stehen. Viele Bauherrn verkennen jedoch, dass sich dieser Blick auf die Vertragsgestaltung bei allen weiteren Verträgen nicht wesentlich ändert. So sorgen Architekten regelmäßig dafür, dass Verträge mit Fachplanern bzw. Sonderfachleuten abgeschlossen werden, die auch originäre Architektenaufgaben beinhalten. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung des Architekten (bei gleichem Honorar). Außerdem zeigen viele von Architekten vorbereitete Abnahmeregelungen, dass es offenbar vor allem darum gehen soll, dass die Leistungspflichten des Architekten schneller enden als dies aus Sicht des Bauherrn sinnvoll ist. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass sich die juristische Tätigkeit eines Architekten als unerlaubte Rechtsberatung erweist – mit fatalen Folgen für den Bauherrn. Dr. Koenen erklärt: „Rechtsberatung ist gesetzlich den rechtsberatenden Berufen, insbesondere den Anwälten, vorbehalten. Wird die Grenze zur Rechtsberatung überschritten, wäre der Vertrag mit dem Architektur- oder Ingenieurbüro nichtig“. Die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH als Bauherr hätte dann keine vertraglichen Haftungsansprüche und keinen Versicherungsschutz. Die Rechtslage wäre dann vergleichbar mit der bei Verträgen mit „Ohne-Rechnung“-Abreden, bei denen, wie der Bundesgerichtshof kürzlich festgestellt hat, dem Bauherrn keinerlei Gewährleistungsansprüche zustehen (BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13).

Der richtige Vertrag zum richtigen Zeitpunkt ist daher für den Erfolg eines Projektes von entscheidender Bedeutung. „Viele Probleme am Bau, wie auch beim Flughafen BER, kann man durchaus in den Griff bekommen, allerdings nur, wenn die Vertragsgestaltung professionell, d.h. durch einen Baurechtsspezialisten durchgeführt wird“, sagt Dr. Koenen.

  Quelle: www.sputnik-agentur.de


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