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Ohne nachhaltige Materialien nachhaltigen Produkte

11.12.2018

Mut und Kooperation sind notwendig, um die Entwicklung nachhaltiger Materialien voranzutreiben. In diesem Punkt waren sich die Teilnehmer des Seminars „Erneuerbare Rohstoffe für die Industrie“, das die Deutsch-Schwedische Handelskammer gemeinsam mit BASF in Stockholm veranstaltete, schnell einig. Doch Mut und Kooperation alleine genügen nicht. Intensive Forschung und genaue Kenntnisse der Wertschöpfungsketten seien mindestens genauso wichtig, betonte Hauptrednerin Cordula Mock-Knoblauch, Director Renewables & Sustainability im Unternehmensbereich Intermediates von BASF.

Bei dem Seminar, das im Rahmen der bilateralen Innovationsplattform German Swedish Tech Forum stattfand, wurde eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit diskutiert: der Übergang zu einer klima- und umweltfreundlicheren Industrieproduktion. Deutschland und Schweden spielen dabei beide wichtige Rollen. So ist beispielsweise BASF mit seinem Hauptsitz in Ludwigshafen einer der größten Chemiekonzerne der Welt. Schweden wiederum ist nach Kanada und den USA weltweit drittgrößter Exporteur von Holzprodukten. Gemeinsam können beide Länder viel bewirken.

Wie Mock-Knoblauch anführte, werden pro Jahr, laut den ernüchternden Zahlen des Nova-Instituts, weltweit rund 370 Millionen Tonnen Plastik produziert. Tendenz steigend. Ganze 98 Prozent des Plastiks basieren auf fossilen Rohstoffen.

Auch bei BASF stammen derzeit nur rund 5 Prozent aller eingekauften Rohstoffe aus erneuerbaren Quellen. Doch der Konzern denkt um. „Wir wollen Vorreiter werden“, erklärte Mark Meier, Geschäftsführer von BASF in Nordeuropa und dem Baltikum. „Denn im Prinzip kommt keine Industrie ohne unsere Produkte aus.“ Bis 2030, so die neue Konzernstrategie, wolle BASF CO2-neutral wachsen.

Rohstoff Holz mit großem Potenzial
Ein Schritt ist die Einführung des sogenannten Biomassenbilanz-Verfahrens. Bei einer Tonne biomassenbilanziertem Produkt ersetzt BASF die entsprechende Menge fossiler Rohstoffe am Anfang des chemischen Produktionsprozesses durch erneuerbare. Es handelt sich hier um ein Rechenverfahren ähnlich wie beim Ökostrom: das Endprodukt selbst ist nicht unbedingt aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt, aber es gibt einen entsprechenden Anteil im Gesamtsystem.

Hier, so Mock-Knoblauch, komme dann das schwedische Holz ins Spiel. Holz schneide nämlich im Vergleich mit anderen Biomasselieferanten wie Zucker, Getreide oder Palmöl in puncto Nachhaltigkeit besonders gut ab. Magnus Berg, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung beim Verband der schwedischen Forstindustrie (Skogsindustrierna), sieht ein enormes Potenzial: „Die schwedischen Wälder, die 70 Prozent des Landes bedecken, können die notwendige Biomasse und erneuerbare Energie bereitstellen.“

Doch nicht nur bei den erneuerbaren Rohstoffen kann Schweden punkten. Svante Axelsson ist nationaler Koordinator der Initiative Fossilfreies Schweden (Fossilfritt Sverige). In ihr sind 350 Akteure aus Wirtschaft und Politik, aber auch Gemeinden, Städte und Organisationen zusammengeschlossen. Die Initiative soll bei der Umsetzung der ehrgeizigen Klimapläne helfen, die die rot-grüne schwedische Regierung 2017 verabschiedet hat.

Demnach soll Schweden einer der ersten Wohlfahrtsstaaten der Welt werden, der ohne fossile Rohstoffe auskommt. Teilziel ist Klimaneutralität bis spätestens 2045. Neun Industriesektoren, darunter Luftfahrt, Stahl und Bergbau, haben bereits ihre eigenen Roadmaps erstellt. Weitere neunzehn sollen in Kürze dazukommen. Svante Axelsson spricht von einer „neuen grünen Bewegung“ im Land. Doch damit nicht genug: „Jetzt wollen wir die neuen Technologien in der ganzen Welt verbreiten.“

Politischer Rahmen mit Freiräumen
Der Ansatz der Schweden fasziniert Cordula Mock-Knoblauch von BASF: „Schweden hat sich einen langfristigen politischen Rahmen gegeben, aber gleichzeitig den Akteuren viel Freiraum gelassen. Das ist eine positive Vision, die – so mein Eindruck – die Lust kreiert, gemeinsam etwas schaffen zu wollen. Diesen Schwung finde ich klasse!“

Verbesserungsmöglichkeiten gibt es laut Ylwa Alwarsdotter vom Cleantech-Unternehmen Sekab dennoch. Sekabs Bioraffinerie im nordschwedischen Örnsköldsvik produziert seit 1980 Biokraftstoff und ist einer der führenden Akteure in Europa. „Wir haben die Technologie für neue Materialien“, betonte Alwarsdotter. Die Kosten und Risiken für Innovationen könnten gerade die kreativen, kleinen Unternehmen aber oft nicht alleine stemmen.

Sie traf auf volles Verständnis bei der Zentrumspolitikerin Kristina Yngwe, Vorsitzende des Umwelt- und Landwirtschaftsausschusses des schwedischen Parlaments. Unternehmen, so Yngwe, bräuchten staatliche Unterstützung vor allem, wenn es um die Kommerzialisierung von Innovationen gehe. Yngwes Ausschusskollegin, die Sozialdemokratin Marlene Burwick, machte sich ihrerseits für eine nationale Strategie für neue Materialien stark.

Enge Zusammenarbeit in der Lieferkette
Diese neuen Materialien sind überall gefragt, auch in der Automobilindustrie. Eva Bennis, Nachhaltigkeitsdirektorin bei Volvo Group Purchasing, betonte, dass immer mehr Kunden nachhaltige Produkte einforderten. „Man kann aber keine nachhaltigen Produkte ohne nachhaltige Komponenten produzieren“, meinte Bennis. Daher sei die Zusammenarbeit mit den Zulieferern so wichtig. Pro Jahr tätigt die Volvo-Gruppe, die Lkws, Busse und Baumaschinen produziert, Einkäufe im Wert von 200 Milliarden schwedischen Kronen (circa 19,5 Milliarden Euro), und das bei rund 51.000 Zulieferern.

Tina Carvid, Senior Project Manager beim Pkw-Hersteller Volvo Cars, blies ins selbe Horn. Im Rahmen einer breit angelegten Kreislaufstrategie setzt Volvo Cars neue Maßstäbe: Bis 2025 sollen mindestens 25 Prozent aller in den Autos eingesetzten Kunststoffkomponenten aus Recyclingmaterial stammen. „Da wir Plastikkomponenten allerdings nicht selbst herstellen, liegt der Schlüssel in der Zusammenarbeit“, sagt Carvid. „Unsere Erfahrung ist, dass die Zulieferer demgegenüber sehr offen sind und uns helfen wollen.“

Die Bereitschaft zu innovativen Lösungen besteht also vielerorts – jetzt heißt es, sich an die Umsetzung zu machen. „Schaffen Sie einen Markt, schaffen Sie Nachfrage und kommen Sie mit Ihren Ideen zu uns“, appellierte Mark Meier abschließend.

Der Nordeuropa-Chef von BASF stand übrigens – eher untypisch – mit einer gelben Wanderjacke über dem Anzug auf dem Podium. Das war kein modischer Fehltritt, sondern natürlich ausstudiertes Product-Placement. Die Jacke stammte nämlich vom schwedischen Hersteller Klättermusen und bestand aus biomassenbilanzierten Polyamiden von BASF. Ein typisches Beispiel schwedisch-deutscher Innovationspartnerschaft.

  Quelle: www.handelskammer.se


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