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Pflicht des Auftraggebers, das gesamte Wertungssystem bekanntzugeben

11.06.2014

Die Vergabekammer (VK) des Bundes hat mit Beschluss vom 06.12.2013 – VK 1-103/13 – u.a. Folgendes entschieden:

Der Transparenzgrundsatz gebietet, dass ein öffentlicher Auftraggeber alle Kriterien, die er seiner Angebotswertung zugrunde legen will, diesen vor Angebotserstellung mitteilt. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Bieter darf der öffentliche Auftraggeber seine Wertung anschließend auch nur auf die den Bietern genannten Kriterien und Wertungsmaßstäbe stützen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Nichtoffenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb Wartungs- und Instandhaltungsleistungen für einen Telekommunikationsanlagenverbund europaweit ausgeschrieben. Die Angebotswertung sollte nach den Zuschlagskriterien Konzept (Gewichtung: 60 %) und Preis (Gewichtung: 40 %) erfolgen. Das LV beinhaltete einen Fragenkatalog, anhand dessen das von den Bietern vorzulegende Konzept bewertet werden sollte. Der Fragenkatalog umfasste 52 Einzelfragen samt Gewichtung, die die Bieter mit „ja“, „nein“ oder – sofern so angegeben – mit einer konzeptionellen Beschreibung beantworten sollten. Die Leistungspunkte sollten nach drei Erfüllungsgraden vergeben werden (gering, durchschnittlich, hoch). In der Vergabeakte zur Wertung der Angebote befanden sich Wertungstabellen des AG, die neben neuen, mit Punkten versehenen Fragen auch konkrete „Bewertungsziele“ formulierte. Bieter A wehrte sich mit erfolglosen Rügen gegen die Angebotswertung. Er argumentierte, dass es gegen den Transparenzgrundsatz und § 19 Abs. 8 EG-VOL/A verstoße, wenn den Bietern nicht die vollständigen Wertungskriterien und deren Gewichtung bekanntgegeben würde.

Die Vergabekammer gibt Bieter A Recht. Der AG habe bei seiner Wertung vergaberechtswidrige Kriterien und Wertungsmaßstäbe angewendet, die er den Bietern vergaberechtswidrig vorher nicht bekanntgegeben habe. Damit die Bieter ihre Angebote möglichst zuschlagsfähig gestalten könnten, gebiete es der Transparenzgrundsatz, dass ein öffentlicher Auftraggeber alle Kriterien, die er seiner Angebotswertung zugrunde legen wolle, diesen vor Angebotserstellung mitteile (siehe z.B. § 9 Abs. 1 Satz 2 Ziff. b EG-VOL/A). Aus Gründen der Gleichbehandlung dürfe der AG die Wertung anschließend auch nur auf die den Bietern genannten Kriterien und Wertungsmaßstäbe stützen (§ 19 Abs. 8 EG-VOL/A). Dies gelte nicht nur für die Zuschlagskriterien im engeren Sinne, sondern auch für das Wertungssystem insgesamt, also auch für alle Unter- oder Unterunterkriterien, Bewertungsmatricen oder Leitfäden, die in die Wertung einfließen sollten. Zwar müsse der AG den ihm auf der vierten Wertungsstufe zustehenden Beurteilungsspielraum nicht dergestalt einschränken, dass er ein dezidiertes Wertungssystem samt detaillierten Bewertungsregelungen aufstelle – mit der Folge, dass die Qualität eines einzelnen Angebots bzw. die besondere Kreativität eines Angebotskonzeptes quasi vorgegeben sei und nicht mehr hinreichend gewürdigt und entsprechend angemessen bepunktet werden könne. Daher brauche der AG die hier nur allgemein angegebenen Zielerfüllungsgrade „hoch, durchschnittlich, gering“ nicht näher zu definieren. Wenn aber ein öffentlicher Auftraggeber bei der Wertung der Angebote eine Matrix oder einen Wertungsleitfaden verwende, an dem er sich bei der Angebotswertung orientiere, müsse er diese aus Gründen der Transparenz und Einheitlichkeit der Wertungsentscheidung den Bietern vorher mitteilen.

Da dies hier nicht geschehen sei, sei das Vergabeverfahren in das Stadium vor Übersendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft

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Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt in klarer Weise erneut folgenden Grundsatz: Alle Kriterien, die der AG seiner Angebotswertung zugrunde legen will, muss er vor der Angebotserstellung bekanntgeben. Dies gilt für alle Kriterien, die in die Wertung einfließen sollen.

  Quelle: RA Michael Werner


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