zurück

Präqualifikation befreit nicht von geforderten Nachweisen!

20.09.2022

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22 – folgendes entschieden:
1. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem dient der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändert nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen ist.
2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise müssen für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht. Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Erneuerung von Fahrzeugrückhaltesystemen bei einer Straße im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Die Bekanntmachung enthielt in Ziffer III.1.3 „Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ einen direkten Link zur Eigenerklärung Eignung. Darin war die Ziffer „Verpflichtende Eignungsnachweise“ mit dem Klammerzusatz überschrieben: "Angaben sind immer vorzunehmen, soweit das Unternehmen nicht PQ-qualifiziert ist". In Ziffer III. 1.4. wurde die Vorlage geeigneter Referenzen über die Ausführung von Bauleistungen in den letzten fünf Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar waren, gefordert, wobei Angaben zu drei Referenzen einzutragen waren. Bieter A reichte fristgerecht ein Angebot ein, in dem er seine Präqualifizierungsnummer angab. Der PQ-Eintrag umfasste u.a. die Leistungsbereiche „Ausstattung von Straßen“ und „Umfassende Bauleistungen für Fernstraßen und Straßen“. Für den einschlägigen Leistungsbereich „Ausstattung von Straßen“ waren drei Leistungen aus dem Bereich Fahrzeugrückhaltesysteme eingetragen. Der AG schloss im folgenden das Angebot des A aus, da dieser nur 2 vergleichbare Referenzen nachgewiesen habe, und beabsichtigte, den Zuschlag an Bieter B zu erteilen. Dagegen beantragte A Nachprüfung zur VK mit dem Argument, sein Angebot könne nicht wegen angeblich fehlendender Referenzen unberücksichtigt bleiben, da von präqualifizierten Unternehmen an keiner Stelle die Vorlage von Referenzen gefordert worden sei. Soweit in der Eigenerklärung Eignung drei vergleichbare Referenzen anzugeben gewesen seien, sei diese Erklärung nur abzugeben, falls keine PQ-Nummer vorhanden wäre. Die VK gab A Recht. Dagegen legte der AG sofortige Beschwerde zum OLG ein.


Das OLG gibt dem AG Recht. Dessen Ausschlussentscheidung sei nicht zu beanstanden, da eine der drei von A im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen nicht den Anforderungen genüge (§ 6a Nr. 3 Ziff. a VOB/A-EU). A verkenne die Reichweite des Eignungsnachweises durch Eintragung in das PQ-Verzeichnis nach § 122 Abs. 3 GWB, § 6b Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU. Diese enthebe ihn nicht davon, seine technische und berufliche Leistungsfähigkeit durch drei nach Art und Umfang mit den ausgeschriebenen vergleichbaren Referenzleistungen nachzuweisen; ihm werde lediglich die Führung dieses Nachweises erleichtert. Die Teilnahme am PQ-System diene folglich der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändere aber nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen sei. Deswegen müssten die Eintragungs- oder Zertifizierungsnachweise, die die Bieter dem AG vorlegen könnten, die Nachweise angeben, aufgrund derer die Eintragung in das Verzeichnis oder die Zertifizierung erfolgt sei. Der AG müsse gerade die Möglichkeit haben, die im Verzeichnis hinterlegten Nachweise auf Vergleichbarkeit mit den von ihm nach Art und Umfang geforderten Eignungsnachweisen prüfen zu können.


Eine Ersetzung der von den übrigen Bietern verlangten Eignungsnachweise durch die Eintragung im PQ-Verzeichnis zu dem einschlägigen Leistungsbereich wäre auch mit dem für das Vergaberecht zentralen, in § 97 Abs. 2 GWB normierten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Teilnehmer am Vergabeverfahren nicht zu vereinbaren. Der im PQ-Verzeichnis eingetragene Bieter sei nur insoweit privilegiert, als er von der Beibringung der geforderten Eignungsnachweise entlastet und die inhaltliche Richtigkeit der hinterlegten Nachweise vermutet werde. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignungsnachweise gälten hingegen auch für ihn, da nur so das der Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dienende Eignungserfordernis gemäß § 122 Abs. 1 GWB, wonach Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden, gewährleistet sei. Hierdurch solle sichergestellt werden, dass erstens alle Bieter gleichermaßen den ausgeschriebenen Auftrag sachgerecht würden erfüllen können, und zweitens der AG anhand vorher festgelegter und für die Bieter transparenter Kriterien willkürfrei diejenigen Unternehmen auswähle, deren Angebote gewertet werden sollten. Dementsprechend sei der öffentliche Auftraggeber zur Prüfung der Bietereignung verpflichtet. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise müssten folglich für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert sei oder nicht.


Auch bei einem präqualifizierten Bieter habe der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Nachweise, die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdeckten. Fordere der AG - wie hier - die Angabe dreier mit der zu vergebenden Leistung vergleichbarer Referenzen, könne nur der Bieter die verlangten Angaben allein mit Verweis auf seine Eintragung im PQ-Verzeichnis leisten, für den dort drei Nachweise über mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Leistungen hinterlegt seien. Die Eintragung ersetze insoweit lediglich die Eintragung in der Eigenerklärung Eignung. Erst im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung komme ihm dann wieder zugute, dass nach § 6b Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A - EU die dort hinterlegten Angaben nicht ohne Grund in Zweifel gezogen würden. Mehr sei § 6b Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A-EU aber nicht zu entnehmen. Insbesondere bestimme dieser nicht, dass präqualifizierte Bieter von einer Vergleichbarkeit der Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung nach Art und Umfang befreit wären. Ein Bieter sei nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmten.

Anmerkung:
Allein der Bieter trägt das Risiko, dass die von ihm im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen mit der konkret ausgeschriebenen Leistung tatsächlich vergleichbar sind. Daher kann Bietern nur geraten werden, vor Angebotsabgabe zu prüfen, ob ihre im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen den Eignungskriterien der jeweiligen Ausschreibung entsprechen. Ergeben sich dabei Zweifel, sollten ggf. zusätzliche Referenzen mit dem Angebot eingereicht werden. Denn nach ständiger Rechtsprechung darf der Auftraggeber keine weiteren Referenzen zum Eignungsnachweis nachfordern, wenn ein Bieter seine Eignung unter Bezugnahme auf die Eintragungen im Präqualifikationsverzeichnis nicht nachgewiesen hat (siehe z.B. VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.08.2020 - 3 VK LSA 27/20).

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare