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Preisprüfung: Auch Preise der Nachunternehmer sind aufzuschlüsseln!

28.09.2021

Von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.05.2021 – Verg 13/21 – u. a. folgendes entschieden:

• Der öffentliche Auftraggeber kann auch dann in eine Preisprüfung einzutreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen – etwa weil der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint und zugleich Anhaltspunkte füreine Mischkalkulation bestehen – konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt.

• Mit dem Nachforderungs- und Aufklärungsschreiben kann der Auftraggeber den Bieter zugleich dazu auffordern, sich zu bestimmten Einzelpreispositionen näher zu erklären.

• Es ist einem Bieter grundsätzlich zumutbar, auch die Preise solcher Leistungspositionen aufzuschlüsseln, die von Nachunternehmern erbracht werden.

Eine Autobahndirektion (AG) hatte den Ersatzneubau einer Autobahnbrücke europaweit ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Der Angebotsaufforderung lag das Formblatt 223 VHB Bund („Aufgliederung der Einheitspreise“) bei, das „ausgefüllt auf besonderes Verlangen“ beim AG einzureichen war. Dieses gab die einzelnen Positionen des LV tabellarisch wieder und ergänzte sie um 5 auszufüllende Spalten zum „Zeitansatz“ sowie den Teilkosten „Löhne“, “Stoffe“, „Geräte“ und „Sonstiges“. Die 5 Spalten waren jeweils mit folgender Fußnote versehen: „Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon, ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.“ Nach Submission lag das Angebot des Bieters A an erster Stelle vor dem Angebot des Bieters B. Darauf forderte der AG den A auf, das Formblatt bis zum 26.11.2020 vorzulegen mit dem Hinweis, das Angebot werde ausgeschlossen, wenn die Angaben nicht fristgemäß vollständig vorgelegt würden. Mit gleichem Schreiben bat der AG mit identischer Frist um Erläuterung der Zeitansätze und der Kalkulation in den 4 anderen Spalten, da die angebotenen EPe weit unter marktüblichen Preisen für diese Positionen lagen. A legte darauf das Formblatt zwar fristgerecht vor, jedoch war in zahlreichen Positionen lediglich die Angabe „0,00“ eingetragen, das Feld „Zeitansatz“ war gar nicht ausgefüllt. Darauf schloss der AG das Angebot des A gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A aus.

A rügte diesen Ausschluss – u. a. mit dem Argument, dass die Aufschlüsselung der NU-Preise mit dem Formblatt nicht verlangt worden und auch nicht zumutbar gewesen sei – und stellte Antrag auf Nachprüfung. Nach Zurückweisung durch die Vergabekammer erhob er sofortige Beschwerde zum OLG.

Das OLG gibt dem AG Recht. Der Ausschluss habe hier sowohl auf § 16 EU Nr. 4 VOB/A als auch auf § 15 EU Abs. 2 VOB/A gestützt werden können. Dass der AG das Angebot des A einer Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/A i.V.m. § 15 EU Abs. 1 VOB/A unterzogen hat, sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Zwar weise hier A zutreffend darauf hin, dass ein Überschreiten einer Aufgreifschwelle mit dem Preisabstand zwischen seinem Angebot und dem des B nicht begründet werden könnte. Der Preisabstand zwischen den Angeboten habe keine 10 Prozent erreicht und damit auch nicht den niedrigeren der insoweit vertretenen Schwellenwerte. Allerdings gäben die in der Rechtsprechung anerkannten Aufgreifschwellen nur Auskunft darüber, wann der öffentliche AG zu einer Prüfung der Angemessenheit der Preise verpflichtet sei, sie beantworteten aber nicht die Frage, wann der AG Preise auch ohne entsprechende Verpflichtung auf ihre Angemessenheit prüfen dürfe. Überdies sei der preisliche Abstand zwischen Angeboten nicht zwingend der einzige Bezugspunkt für die Entscheidung der Frage, ob in eine Preisprüfung eingetreten werden solle. Anlass für eine Prüfung könne auch eine Abweichung von der eigenen Auftragswertschätzung des öffentlichen AG geben. Da die Preisprüfung in erster Linie dem haushaltsrechtlich begründeten Interesse des AG und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung diene, könne es dem AG nicht verwehrt sein, in eine Preisprüfung auch dann einzutreten, wenn zwar eine Aufgreifschwelle nicht erreicht sei, aber das Angebot aus anderen Gründen konkreten Anlass zur Preisprüfung gebe. Entscheide sich der öffentliche AG in einem solchen Fall für eine Preisprüfung, könne diese Entscheidung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur daraufhin geprüft werden, ob sie gegen das Willkürverbot verstoße. Hier sei die Entscheidung keinesfalls willkürlich gewesen. Der AG berufe sich hier darauf, dass ihm der Angebotspreis des A unangemessen niedrig erschien und zugleich Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation bestanden hätten. Darüber hinaus habe das Angebot des A, was durch den vom AG erstellten Preisspiegel gut sichtbar gewesen sei, eine Vielzahl von auffälligen Einzelpreispositionen aufgewiesen, die auf eine unzulässige Mischkalkulation hindeuten könnten. Im Rahmen der Prüfung nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/A i. V. m. § 15 EU Abs. 1 VOB/A habe der AG auch das Formblatt 223 von A anfordern dürfen, dessen Nachforderung er sich in den Vergabeunterlagen vorbehalten habe. Die Nachforderung des Formblatts habe im inhaltlichen Zusammenhang mit der – wie ausgeführt – zulässigen Preisprüfung gestanden. Weil aber A das zulässigerweise nachgeforderte Formblatt 223 binnen der ihm gesetzten Frist nur unvollständig ausgefüllt vorgelegt habe, sei sein Angebot sowohl nach § 16 EU Nr. 4 Satz 1 VOB/A als auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen gewesen. Wie sich aus dem Wortlaut und Sinn und Zweck dieser Vorschriften ergebe, sei ein Angebot auszuschließen, wenn ein Bieter die geforderten Angaben bzw. Erklärungen und Nachweise nicht vorlege. Das sei nicht nur dann der Fall, wenn sie physisch in Gänze fehlten, sondern auch, wenn sie – wie hier – inhaltlich unvollständig seien, weil die in einem Formblatt vorzunehmenden Eintragungen vom Bieter nicht vorgenommen worden seien.

Dass es dem A, wie er meine, schon grundsätzlich nicht zugemutet werden hätte können, die Preise der Leistungspositionen aufzuschlüsseln, die von Nachunternehmern erbracht würden, sehe der Senat nicht. Bieter A sei zum Zeitpunkt der Nachforderung des Formblatts 223 als Erstplatzierter nicht nur Zuschlagsprätendent, sondern auch unbestritten in der Lage gewesen, sämtliche seiner Nachunternehmer zu benennen. Dass diese ausdrücklich erklärt hätten, zu einer Aufschlüsselung ihrer Preise nicht bereit zu sein, habe A nicht dargetan.

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Anmerkung:
Zwei Aussagen in dieser Entscheidung sind festzuhalten:
• Selbst wenn die von der Rechtsprechung entwickelten Aufgreifschwellen (am Bau ab ca. 15 - 20 Prozent) zwischen erstplatzierten und zweitplatzierten Angebot nicht erreicht sind, ist der AG durchaus berechtigt, in eine Preisprüfung einzutreten, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die dies rechtfertigen (z. B. Mischkalkulation, Unterkostenangebote, übertriebene Spekulation etc.).

• Zumindest von den Bietern der engeren Wahl darf der Auftraggeber in der Preisaufklärung auch die Aufschlüsselung der Preise in den Positionen verlangen, die von Nachunternehmern erbracht werden sollen.

  Quelle:


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