Kanalneubau mit bergmännischem Stollenvortrieb im Musikerviertel in Bonn
Im Stollenquerschnitt sind neben der Stromversorgung für die Beleuchtung und anderer technischer Geräte noch die Bewetterung sowie die provisorische Abwasserleitung untergebracht.
Die Straßennamen in der Weststadt erinnern an große Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, die mit ihren Werken unsere Kultur nachhaltig geprägt haben. Nachhaltigkeit ist auch das Stichwort, welches das Tiefbauamt der Bundesstadt Bonn dazu veranlasste, das Kanalnetz im sogenannten Musikerviertel zum Schutz der Umwelt neu zu planen. Dabei wurden rund 220 Meter der neuen Leitungstrasse grabenlos im bergmännischen Stollenvortrieb verlegt, der Rest der Strecke und weitere notwendige Kanalerneuerungsmaßnahmen mit einer Gesamtlänge von knapp 280 Metern erfolgten in offener Bauweise. Auch hier spielten Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung eine große Rolle: Die ARGE Hauptsammler West, bestehend aus DA Ingenieur-Bau GmbH, Dormagen, und Wilhelm Fenners Baugesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, konnte ihre Eignung für die Kanalbaumaßnahme mittels der geforderten Gütezeichen AK 1 und VO des Güteschutz Kanalbau nachweisen.
Nicht ganz alltäglich Der sogenannte Hauptsammler „Endenicher Bachkanal“ ist in einem schlechten baulichen Zustand und zudem hydraulisch überlastet. So ergaben es Untersuchungen des Tiefbauamtes der Bundesstadt Bonn. Die Bezeichnung des Kanals hat einen historischen Ursprung. In der Vergangenheit kanalisierte dieser den Endenicher Bach. Später wurde er als Mischwasserkanal umgewidmet. Weiterhin verläuft die bestehende Leitungstrasse des Sammlers teilweise auf Privatgrundstücken und sogar unter einem Gebäude hindurch, was die Zugänglichkeit für den Betrieb und die Unterhaltung des Kanals erschwert. Aus diesem Grund wurde für den Bereich eine neue Leitungstrasse gesucht und gefunden. Zukünftig wird die Hauptabwasserlast über die Richard-Wagner-Straße, Lisztstraße und den Wittelsbacherring bis zur Endenicher Straße geleitet.
ARGE-Polier Ingo Heidgen erläutert Prüfingenieur Marc Mielke die Vorgehensweise beim Umschluss der Hausanschlussleitungen an die provisorische Abwasserleitung.
Dort liegt bereits ein großer Hauptsammler mit einem Durchmesser von 2,20 m, an den der neue Kanal nach Fertigstellung angeschlossen wird. Zusätzlich erneuert das Tiefbauamt den Mischwasserkanal in der Humboldtstraße, der dann zukünftig in einer größeren Rohrdimension als Abschlagskanal für einen Teil der Abwasserlast dienen wird. Geplant wurde die Gesamtmaßnahme von ZPP Ingenieure AG, Niederlassung Köln. Da ein Teilstück der neuen Trasse unter einer Hauptverkehrsstraße sowie verkehrssensiblen Bereichen verläuft, wurde diese im bergmännischen Stollenvortrieb verlegt. Während der Kanal in der Richard-Wagner-Straße im offenen Kanalbau mit Rohren DN 2000 realisiert wurde, kommen beim grabenlos hergestellten Kanal in der Lisztstraße und dem Wittelsbacherring GFK-Rohre DN 1600 sowie DN 1200/1800 zum Einsatz. „Der bergmännische Stollenvortrieb wird heutzutage, vor allem wegen der hohen Baukosten, nicht mehr so häufig für den Kanalbau angewendet. Und auf einer Länge von gut 220 Metern in den großen Dimensionen ist dies schon etwas Besonderes“, resümiert Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Frömbgen, der als Bauleiter beim Tiefbauamt der Bundesstadt Bonn in Zusammenarbeit mit ZPP Ingenieure die Baumaßnahme von Auftraggeberseite überwacht.
Qualitätsgedanke steht im Fokus Qualität wird bei allen Kanalbaumaßnahmen in Bonn laut Frömbgen großgeschrieben: „Es ist in Bonn schon seit vielen Jahren so, dass die ausführenden Firmen den Nachweis der Eignung erbringen müssen, wenn sie an einer Ausschreibung teilnehmen wollen. Die Eignung ist durch Gütesicherung nachzuweisen.“ Über die verschiedenen Beurteilungsgruppen der Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 sei dies beispielsweise gegeben, da zur Erlangung der Gütezeichen unterschiedliche Aspekte wie die technische Leistungsfähigkeit und die Sicherstellung einer systematischen Gütesicherung bei der Ausführung der Arbeiten in die Bewertung einfließen. So werden unter anderem die fachtechnische Qualifikation des Personals sowie die technische Geräteausstattung regelmäßig geprüft.
Prüfingenieur Marc Mielke überzeugt sich vor Ort von der fachgerechten Ausführung des Stahlverzuges.
Für die Überprüfung der an der ARGE Hauptsammler West beteiligten Firmen ist Güteschutz-Prüfingenieur Dipl.-Ing. Marc Mielke zuständig: „Durch die regelmäßigen Besuche auf den Baustellen und auch an den Firmenstandorten machen wir Prüfingenieure uns immer ein aktuelles Bild über die Leistungsfähigkeit der Baufirmen und die Qualität der Ausführung. Sobald etwas zu beanstanden ist, wird dies im entsprechenden Prüfbericht festgehalten. Bei so einem großen Projekt wie hier in Bonn, läuft auf den Baustellen eigentlich alles nahezu reibungslos.“ Dem stimmt Frömbgen zu: „Dadurch, dass der Güteschutz die Firmen im Blick behält, können wir uns auf gute und gleichbleibende Qualität bei der Bauausführung verlassen.“ Bei dieser Maßnahme jetzt habe man für den offenen Kanalbau beispielsweise das Gütezeichen AK 1 und für den Stollenbau das Gütezeichen VO gefordert.
In bis zu sechs Metern Tiefe „Die ARGE hat sich als Bietergemeinschaft auf die Ausschreibung beworben und die einzelnen Aufgabenbereiche untereinander aufgeteilt“, erläutert Dipl.-Ing. Stephan Porrmann, ARGE-Bauleiter von DA Ingenieur-Bau. „Die Firma Wilhelm Fenners stellt in erster Linie eine Stollenbau-Kolonne und wir stellen die Kolonne für den offenen Kanalbau.“ Darüber hinaus war kurzzeitig auch eine weitere Stollenbau-Kolonne von DA Ingenieur-Bau im Einsatz, um eine zeitliche Verzögerung, die sich im Bauablauf an anderer Stelle ergeben hatte, aufzufangen. Der Vortrieb des Stollens mit einer lichten Höhe von ca. 2,20 Meter und einer lichten Breite von 1,80 Meter erfolgt mit Stabgitterbögen und Verzugblechen aus Stahl.
Der regelmäßige, konstruktive Austausch zwischen den Beteiligten ist für das Gelingen der Kanalbaumaßnahme in der Bonner Weststadt wichtig (v.l.n.r.): Güteschutz-Prüfingenieur Marc Mielke, Bauleiter des Tiefbauamtes der Bundesstadt Bonn Wolfgang Frömbgen, ARGE-Polier Ingo Heidgen und ARGE-Bauleiter Stephan Porrmann, beide von DA Ingenieur-Bau GmbH.
Fotos: Güteschutz Kanalbau
Neben der provisorischen Abwasserleitung zur Aufrechterhaltung der Abwasservorflut ist auch die Bewetterung im Stollenquerschnitt untergebracht. Die Ortsbrust wird in bis zu sechs Metern Tiefe von Hand abgebaut und das bindige Bodenmaterial mit Schubkarren abtransportiert. Da in der Lisztstraße bereits ein Abwasserkanal vorhanden ist, wird dieser während des Vortriebs sukzessive freigelegt und abgefangen. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Hausanschlussleitungen gelegt, die mit weiter voranschreitendem Stollenbau nacheinander an die provisorische Abwasserleitung umgeschlossen werden. Im Nachgang kann der vorhandene Kanal dann abschnittsweise abgebrochen werden. Sobald der Stollen komplett fertig gestellt ist, erfolgt der Einbau der GFK-Eiprofil-Rohre und die endgültige Anbindung der Hausanschlüsse. Der Ringraum zwischen Stollenwand und GFK-Kanal wird in einem abschließenden Schritt in drei Lagen mit zementgebundener Suspension, die in wenigen Tagen voll aushärtet, verfüllt.
Zwei Jahren bis zum Ziel „Die Gesamtmaßnahme ist im Januar 2020 gestartet und soll bis Weihnachten 2021 abgeschlossen sein. Der bergmännische Stollenvortrieb wird dabei sicherlich bis Mai 2021 laufen“, schätzt Frömbgen den weiteren zeitlichen Ablauf ein. Parallel erfolgen ebenfalls bis zum Frühjahr 2021 die Kanalbauarbeiten für den Abschlagskanal in der Humboldtstraße. Aktuell liege die ARGE im Zeitplan und man sei mit dem Verlauf der Baumaßnahme zufrieden. Eine Einschätzung, die Mielke teilt: „An der Ortsbrust und im Stollen war alles in Ordnung. Das Baufeld war sauber und aufgeräumt und das vorgeschriebene Sicherheitsequipment vorhanden. Ich bin sehr zufrieden mit der Baustelle und den Arbeiten von DA Ingenieur-Bau und Fenners.“ Knifflig werden am Ende laut Porrmann noch die Umbindungen des bestehenden Hauptsammlers an die neue Kanaltrasse. Aber auch diese Herausforderung werde das Team gemeinsam meistern, ist Mielke überzeugt. |