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Referenzleistung: Wann wurde sie „ausgeführt“?

19.10.2021

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 11.06.2021 – VK 2-53/21 – folgendes entschieden:

• Referenzleistungen müssen mit den ausgeschriebenen Leistungen nicht identisch sein, sondern die referenzierten Leistungen müssen jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich ist.

• Die „Ausführung“ der Referenzleistungen ist mangels verengender Präzisierungen zur „Ausführung“ in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen, ohne dass es auf einen möglicherweise vertragsrechtlich relevanten Abnahmezeitpunkt ankommt. Wortlautgemäß liegt dementsprechend eine ausgeführte Referenzleistungen dann vor, wenn sie in einer Art und Weise ins Werk gesetzt worden ist, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die entsprechende Leistungsfähigkeit des Bieters möglich ist.

• Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Referenzgeber dem Bieter eine entsprechende Referenzbescheinigung ausstellt und darin die entsprechende Leistung bestätigt. Auf dieser Grundlage kann der Auftraggeber nachvollziehen, ob die referenzierte Leistung in hinreichendem Maße ausgeführt worden ist.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Beschaffung und Installation von labortechnischen Anlagen europaweit im offenen Verfahren gem. EU VOB/A ausgeschrieben. In der Bekanntmachung (Ziff. IIII.1.3) wurden folgende Nachweise zur Bestimmung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vorgegeben: „Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu 3 abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, unter Benennung von Kontaktpersonen zur evtl. Prüfung der Referenz; Mindestanforderung: 3 Referenzen“. Bieter A, der sich zum Eignungsnachweis auf seine PQ berief, gab ebenso ein Angebot ab wie Bieter B, der Eigenerklärungen abgab. Auf Nachforderung des AG legte B vier Referenznachweise vor, auf denen die jeweiligen Referenzgeber bestätigten, dass die Referenzleistung auftragsgemäß durchgeführt worden sei.

Der AG betraute darauf ein Ingenieurbüro mit der Angebotsprüfung, das seine Ergebnisse in einem „Vergabevorschlag“ dokumentierte, u. a, dass die von B benannten Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung des aktuellen Verfahrens vergleichbar seien. Der AG informierte darauf im Vorabinfoschreiben den A davon, den Zuschlag auf das Angebot des B erteilen zu wollen. Dies rügte A, wobei er die Referenzen des B in Zweifel zog. Nach Nichtabhilfe seiner Rüge beantragte er Nachprüfung durch die VK.

Die VK gibt hier dem AG Recht. Dieser habe die Eignung des B im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der von B benannten Referenzen gemäß § 122 Abs. 1, 2 GWB, § 6a EU Nr. 3 Ziff. a) VOB/A fehlerfrei prognostiziert. Die der Prüfung zugrundgelegten 4 Referenzen seien berücksichtigungsfähig gewesen. Soweit A im Nachprüfungsantrag zur Referenz Y bemängelt habe, dieses Projekt werde erst im Kalenderjahr 2021 fertiggestellt und die Ausführungen des AG hätten ergeben, dass eine Abnahme erst im Mai 2021 stattfinde, so spreche dies nicht gegen die Berücksichtigung dieser Referenz. Ausweislich der Angaben der Referenzgeber seien die Arbeiten zwischen 2018 und Ende 2020 tatsächlich erbracht und damit „ausgeführt“ im Sinne von Ziff. III.1.3) der Auftragsbekanntmachung. Soweit dort vorgegeben sei, dass Angaben über „die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu drei abgeschlossenen Geschäftsjahren“ zu machen wären, sei für die Auslegung dieser Vorgaben auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen neutralen Bieters abzustellen. Die „Ausführung“ der Referenzleistungen sei mangels verengender Präzisierungen zur „Ausführung“ in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen, ohne dass es auf einen möglicherweise vertragsrechtlich relevanten Abnahmezeitpunkt ankomme. Wortlautgemäß liege dementsprechend eine ausgeführte Referenzleistung dann vor, wenn sie in einer Art und Weise ins Werk gesetzt worden sei, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die entsprechende Leistungsfähigkeit des Bieters möglich sei. Das sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Referenzgeber – wie hier – diesem Bieter eine entsprechende Referenzbescheinigung ausstelle und darin die entsprechende Leistung bestätige. Auf dieser Grundlage könne der AG nachvollziehen, ob die referenzierte Leistung in hinreichendem Maße ausgeführt worden sei. Das sei bei den von B benannten vier Referenzen, insbesondere auch bei der Referenz Y, geschehen. B habe auf das Nachforderungsschreiben des AG für alle vier Referenzen Bescheinigungen der Referenzgeber vorgelegt. Zudem seien alle vier Referenzen mit den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar i.S.v. § 6a EU Nr.3 Ziff. a) VOB/A. Der AG habe ausweislich des in der Vergabeakte dokumentierten Vergabevorschlags zutreffend einen wettbewerbsoffenen Auslegungsmaßstab für die Vergleichbarkeit zugrunde gelegt. Danach komme es nicht darauf an, dass die Referenzleistungen mit den ausgeschriebenen Leistungen identisch sein müssten, sondern die referenzierten Leistungen müssten jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich sei.

Diesen Maßstäben genügten alle vier von B benannten Referenzleistungen. Aus den von ihm benannten vier Referenzen gehe hinreichend hervor, dass er im relevanten Zeitraum in technisch-konzeptioneller und organisatorischer Hinsicht Aufträge ausgeführt habe, in denen er vor allem die Einrichtungen zur Medienversorgung aus Eigenfertigung realisiert bzw. ausgeführt habe, die den streitgegenständlich ausgeschriebenen Leistungen insbesondere hinsichtlich der funktional-technischen, qualitativen und organisatorischen Komplexität und Umfang ähnelten. Die Angaben in den in der Vergabeakte dokumentierten vier Referenzbescheinigungen bestätigten das. Aus ihnen gehe hervor, dass die Referenzgeber des B Lieferungen und Installationen von labortechnischen Anlagen ausdrücklich als „Komplettleistungen“ bestätigt hätten, welche der AG für die Vergleichbarkeit der Referenzen besonders betont habe. Dazu gehörten ausweislich der Referenzbescheinigungen auch die dort ausdrücklich aufgeführten Koordinierungen mit den anderen für die Installation der Medienversorgungseinrichtungen ausführenden Gewerke. Dies reiche als Grundlage für einen Rückschluss aus, ob B für die Ausführung der im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschriebenen Leistungen geeignet sei. Dass, wie A z.B. im Hinblick auf den unterschiedlichen Leistungsumfang von Referenz- und ausgeschriebenen Leistungen ausführe, im Einzelnen Unterschiede zwischen den referenzierten Leistungen und den im hiesigen LV definierten Aufgaben bestehen mögen, sei für die Vergleichbarkeit unerheblich.

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Anmerkung:
Die Forderung nach Vorlage von in der Vergangenheit ausgeführten Referenzleistungen und deren Prüfung ist bekanntlich ein ganz essentieller Punkt bei der Eignungsprüfung eines Bieters. Die o.g. Entscheidung gibt dabei im Tenor Nr. 1 die ständige Rechtsprechung wieder, wonach Referenzleistungen eben nicht „gleich“ zu sein haben.

Fraglich war aber sehr häufig, inwieweit denn eine Referenzleistung überhaupt gewertet werden darf, wenn diese vom (früheren) Auftraggeber noch gar nicht rechtswirksam abgenommen wurde. Wie die Entscheidung der VK Bund nun klarstellt, bedarf es gerade keiner vertraglichen Abnahme – es genügt vielmehr eine Realisierung soweit, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters gerade für die aktuell ausgeschriebene Bauleistung möglich ist (siehe Tenor Nr. 2).

  Quelle:


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