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Reform des Bauvertragsrechts gefährdet große Projekte

06.09.2016

Die von der Regierungskoalition geplante Reform des Bauvertragsrechts „gefährdet auch in Hessen und Thüringen die Bauwirtschaft massiv“, sie könnte den Bau öffentlicher Großprojekte erheblich verzögern oder gar zum Scheitern bringen, und ist schließlich verfassungswidrig. Dr. Burkhard Siebert, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Hessen-Thüringen, hat in Marburg im Hinblick auf die vor der 2. und 3. Lesung des Gesetzesentwurfs im Bundestag, die voraussichtlich noch im September erfolgt, vor massiven Belastungen für Bauunternehmen, dem Verlust von Arbeitsplätzen und dem weiteren Rückzug von Bauunternehmen vom Markt gewarnt. Anlass zur Kritik sei das geplante „Anordnungsrecht“, das dem Bauherren einseitig gegenüber dem Bauunternehmer eingeräumt werden soll, um ein Bauwerk in der Bauphase zu verändern. In der renommierten „Neue Juristische Wochenschrift (NJW)“ beschrieb Ulrich Schröder, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, die Reform wegen der drohenden Auswirkungen in einem Editorial sogar als „Fluch“, denn sie ebne einen Weg, auf dem noch mehr Großprojekte zum Scheitern gebracht werden könnten.

Auch Bernhard Hackner, Vorstand der Fritz Herzog AG Bauunternehmen aus Marburg, warnt davor, dass Konflikte, zeitliche Verzögerungen und letztlich der Stillstand bei einer Vielzahl regionaler und überregionaler Bauprojekte drohe. „Wir können so wichtige Maßnahmen wie beispielsweise den Lückenschluss der A 49 ohne verlässliche und funktionierende Rechtsgrundlagen nicht zügig und erfolgreich bauen.“

Bauindustrie begrüßt beabsichtigte Neuregelung zum Kaufrecht
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält nach Sieberts Schilderung zwei Komplexe Neuregelungen zum Kaufrecht und jenen zum Bauvertragsrecht. „Die beabsichtigten Neuregelungen zum Kaufrecht begrüßen wir“, sagt der Jurist. Danach soll es künftig so sein, dass der Bauunternehmer, sofern ihm mangelhaftes Material von einem Baustoffhändler verkauft wurde, von diesem Händler nicht nur die Materialkosten, sondern auch die – in aller Regel viel höheren – Ein- und Ausbaukosten erstattet bekommt. Siebert hierzu: „Es ist längst überfällig, dass Bauunternehmer zukünftig von Baustofflieferanten auch die Ein- und Ausbaukosten ersetzt bekommen, wenn ihnen mangelhaftes Baumaterial geliefert wurde. Hat ein Bauunternehmen beispielsweise mangelhafte Kanalrohre in der Straße verlegt, so sind die Ein- und Ausbaukosten häufig wesentlich höher als der reine Materialwert der Kanalrohre. Eine dringend zu behebende Ungerechtigkeit. Im Gesetzentwurf müsse allerdings hierzu noch eine Ergänzung aufgenommen werden, wonach die Verpflichtung zur Übernahme der Ein- und Ausbaukosten nicht durch abweichende Vereinbarungen umgangen werden kann. „Sonst könnten Baustofflieferanten die Verpflichtung zum Ersatz von Ein- und Ausbaukosten wieder aushebeln“, so Siebert.

Hiervon ist laut Siebert die Neuregelung des Bauvertragsrechts zu unterscheiden. Siebert versteht den Gesetzgeber, der dem Verbraucher, also dem privaten Bauherrn mehr Rechte einräumen möchte. Die Investition in beispielsweise ein Einfamilienhaus sei für viele häufig die größte Investition im Leben. „Deshalb ist es richtig, den Verbraucher zum Beispiel durch eine Baubeschreibungspflicht zu schützen. Die hierfür vorgesehenen Neuregelungen sind nachvollziehbar.

Staatliche und gewerbliche Auftraggeber müssen jedoch geschlossene Verträge halten
Bei Verträgen zwischen Bauunternehmen und der öffentlichen Hand und bei Bauverträgen mit gewerblichen Auftraggebern sehe die Welt jedoch anders aus: „Hier sind auf beiden Seiten Personen auf Augenhöhe tätig, die professionell Bauverträge abwickeln. Die vorgesehenen Neuregelungen, insbesondere das weite Anordnungsrecht des Auftraggebers, führten hier zu einer Ungleichgewichtslage. Deshalb müsse für diesen Bereich das geltende Gesetz unberührt in seiner bisherigen Fassung fortgelten. Das Anordnungsrecht führe hier zu massiven Störungen des Bauablaufes, zu zeitlichen Verzögerungen und letztlich zu Konflikten. Es sollte streng der Grundsatz befolgt werden: „Erst planen, dann bauen.“

Das Anordnungsrecht zwingt Bauunternehmen ein unabsehbares Risiko auf
Der seit Jahrtausenden bewährte Rechtsgrundsatz, dass einmal geschlossene Verträge zu halten seien (pacta sunt servanda) dürfe nicht mit einem Male ausgerechnet im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gekippt werden. Darum schlägt Siebert als Lösung vor, das Bauvertragsrecht nur für Verträge mit Verbrauchern neu zu regeln, für Verträge mit der öffentlichen Hand und im gewerblichen Bereich aber die bestehenden Regelungen beizubehalten. „Es wäre fahrlässig, der Bauwirtschaft in Zeiten, in denen wir in den Städten dringend bezahlbaren Wohnraum benötigen, in denen wir unsere Infrastruktur ertüchtigen müssen und in denen wir die Energiewende – auch durch eine bessere Gebäudequalität – stemmen wollen, durch das Anordnungsrecht ein unabsehbares Risiko aufzwingen“, sagt Siebert und zitiert ein Beispiel: „Einigen sich Bauherr und Bauunternehmer nicht über eine vom Bauherrn nach Vertragsabschluss gewünschte Änderung der vereinbarten Bauleistung, soll es nach dem Gesetzentwurf künftig möglich sein, dass der Auftraggeber beispielsweise eines Mehrfamilienhauses einseitig nachvertraglich gegenüber dem Bauunternehmer anordnen darf, dass von diesem ein weiteres im Vertrag nicht vorgesehenes Stockwerk zu errichten ist. Nach dem Gesetzentwurf bleibt vollkommen offen, welche Auswirkungen eine solche Anordnung auf die Vergütungsansprüche des Unternehmers und die Bauzeit hat.“

Erst planen, dann bauen
Siebert erinnert in diesem Zusammenhang als Extremfall an den Hauptstadtflughafen Berlin, dessen Fertigstellung sich durch ständige Änderungen während der Bauphase auf nicht absehbare Zeit verzögert und Mehrkosten zu Lasten der Allgemeinheit in Milliardenhöhe verursacht habe. Darum, sagt Siebert, folgere Ulrich Schröder in der Fachzeitschrift NJW auch: „Gerade diese baubegleitende Planung hat manches Großprojekt an den Rand des Scheiterns gebracht. Das Instrument der Änderungsanordnung ebnet diesen Weg und wirkt insofern eher als Fluch, denn als Segen, es verschiebt die vertragliche Balance empfindlich zu Lasten des Bauunternehmers.“

Nach einem Gutachten des Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt Universität Berlin schränkt das geplante Anordnungsrecht die Vertragsfreiheit des Bauunternehmers ein. Ein einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers vertrage sich nicht mit dieser Freiheit. Die geplante Regelung sei „mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit der Bauunternehmer unvereinbar und damit verfassungswidrig“.

  Quelle: Bauindustrieverband Hessen‐Thüringen e. V.


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