Ein den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) entsprechendes Werk ist gleichwohl mangelhaft, wenn es nicht der vereinbarten Beschaffenheit oder den erkennbaren Bedürfnissen des Auftraggebers entspricht oder wenn es in seiner Funktionstauglichkeit eingeschränkt ist. Dies hat das OLG München mit Beschluss vom 27.03.2020 (Az.: 20 U 4425/19 Bau) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 10.03.2021 (Az.: VII ZR 58/20) zurückgewiesen.
Der Fall: AN baut für AG eine Solarthermieanlage in eine bestehende Heizungsanlage ein. Die Parteien hatten vereinbart, dass diese Anlage der Optimierung der vorhandenen Heizungsanlage unter ökologischen Gesichtspunkten dienen soll. AN schlägt den Einbau eines Durchlauferhitzers vor, dem stimmt AG zu. Welche Einbauschritte im Einzelnen vereinbart wurden, bleibt streitig. AG rügt Mängel. In erster Instanz stellt ein Sachverständiger fest, dass das Brauchwasser der Anlage zum Teil mit Strom erhitzt werden muss, was energetisch nicht sinnvoll sei, hierzu hätte besser eine Wärmepumpe eingesetzt werden müssen. AN trägt hingegen vor, die jetzt eingebaute Anlage verursache erheblich geringere jährliche Heizkosten als die umgebaute Bestandsanlage und entspreche den a. a. R. d. T. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung fordert AG Vorschuss für die Mängelbeseitigung. Das Landgericht gibt dieser Klage weitgehend statt.
Die Entscheidung: Das OLG München weist die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurück, da sie keinerlei Aussicht auf Erfolg habe. Zwar entspreche die Anlage so, wie AN sie gebaut habe, den anerkannten Regeln der Technik. Die Parteien hätten jedoch vereinbart, dass die Anlage "unter ökologischen Gesichtspunkten optimiert" werden solle. Dieser Anforderung werde die von AN gebaute Anlage nicht gerecht, denn zur Erhitzung des Wassers werde Strom benötigt, was durch den Einbau einer Wärmepumpe hätte vermieden werden können. Die Anlage entspreche mithin nicht der vereinbarten Beschaffenheit und sei daher mangelhaft.
Fazit: Viele Bauunternehmer meinen, ein Werk könne nicht mangelhaft sein, wenn es den a. a. R. d. T. entspricht. Dies ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Die a. a. R. d. T. stellen vielmehr lediglich den Mindeststandard dar. Die Parteien können sehr wohl einen höheren als diesen Mindeststandard und auch eine ganz bestimmte Beschaffenheit vereinbaren. Diese hat das OLG München hier allein darin gesehen, dass die Anlage "unter ökologischen Gesichtspunkten optimiert" werden sollte, was nach Auffassung des Sachverständigen nicht geschehen war. Daneben kann ein den a. a. R. d. T. entsprechendes Werk auch dann mangelhaft sein, wenn es für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder übliche Funktion nicht taugt, also nicht "funktioniert". Beispiel: Ein Dach, durch das es hinein regnet, ist auch dann mangelhaft, wenn es allen anerkannten Regeln der Technik entspricht, denn ein solches Dach "funktioniert" nicht. Schließlich können die Parteien auch eine von den a. a. R. d. T. abweichende, "schlechtere" Lösung wählen. Von Seiten des AN setzt eine solche Vereinbarung jedoch stets voraus, dass er den Bauherren auf die Abweichung hingewiesen und ihn über alle daraus resultierenden, möglichen Nachteile aufgeklärt hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Bauherr die "schlechtere“ Bauausführung ausdrücklich wünscht. |