zurück

Regeln und Prüfungsmaßstäbe bei Losaufteilung

08.06.2012

Die Vergabekammer Sachsen hat mit Beschluss vom 10. Februar 2012 - 1 / SVK/050-11 –
u. a. Folgendes entschieden.

RA_Werner_onlineRGB.jpg


1. Der Begriff des Fachloses knüpft an die bei der Auftragsausführung anfallenden Gewerke an, sofern diese sachlich abgrenzbar sind.

2. Das Gebot der Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose als Regelfall ließe bei einer abstrakten Betrachtungsweise zunächst den Schluss zu, dass jede größere Maßnahme in einzelne Arbeitsschritte und Bauetappen bzw. Leistungen zu zerlegen und daher in kleinteiligen Fachlosen zu vergeben wäre. Deshalb sind die auftraggeberseitigen Argumente für das Absehen von einer Fachlosvergabe zu bewerten, was einem reduzierten Prüfungsaufwand unterliegt.

3. Der mit einer fachlos- oder gewerkeweisen Vergabe allgemein verbundene Mehraufwand bleibt bei der Abwägung grundsätzlich unberücksichtigt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte mit EU-weiter Vorinformation bekannt gemacht, Straßenbauarbeiten inklusive der Errichtung von Lärmschutzwänden im Wege einer Gesamtvergabe zu vergeben. Dagegen rügte ein Bieter, dass die Leistung für die Lärmschutzwände als Fachlos ausgeschrieben werden müsse. In seiner Antwort auf das Rügeschreiben und später im Nachprüfungsverfahren begründete der AG die von ihm getroffene Entscheidung, die Lärmschutzwände nicht als gesondertes Fachlos auszuschreiben, wobei er sich auf den hohen öffentlichen und politischen Termin- und Zeitdruck berief. Insbesondere die Verkehrsbelastung zwinge dazu, die Ablaufplanung auch hinsichtlich der Bauzeit zu optimieren; es komme zu engen zeitlichen und technischen Verflechtungen bezüglich der einzelnen Fachbauleistungen, welche im Detail nicht durch die Ausführungsplanung vorgegeben bzw. terminlich festgeschrieben werden könnten. Dies berechtige vom Absehen einer losweisen Vergabe. Zudem erfordere die kleinteiligere Vergabe einen bedeutend höheren Überwachungsaufwand. Der AG führte weitere Gründe für die Ungeeignetheit der Losverteilung an.

Die Vergabekammer weist den Antrag des Bieters als unbegründet zurück und sieht die Gesamtvergabe als rechtmäßig an; der Antragsteller sei nicht in seinen Rechten aus § 97 Abs. 3 GWB verletzt.

Zwar sehe diese Norm ein „Regel-Ausnahme-Prinzip“ vor, wonach eine Fachlosvergabe im Sinne eines bieterschützenden und justiziablen vergaberechtlichen Gebots die Regel zu sein habe. Eine Gesamtvergabe dürfe nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch in Ausnahmefällen stattfinden. Der Verzicht auf eine Fachlosvergabe sei in einem solchen Fall detailliert und nachvollziehbar aktenkundig zu begründen. Dabei sei zunächst festzustellen, ob die Leistung sinnvoll teilbar sei, was insbesondere bei unterschiedlichen Gewerken regelmäßig anzunehmen sei. Ein Verzicht auf eine Fachlosvergabe sei grundsätzlich zulässig, aber in der Vergabedokumentation detailliert und nachvollziehbar im Wege einer sog. „Ex-ante-Betrachtung“ dazulegen und zu begründen. Dabei sei der Auftraggeber in solchen Fällen gehalten, vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen sich einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden Lösungsvarianten zu verschaffen und diese nicht gleichsam schon „ex-ante“ auszublenden. Nur so sei gewährleistet, dass die Beschaffung tatsächlich in der technisch und wirtschaftlich effizientesten Weise erfolge. Die hier vom AG genannten Gründe rechtfertigten die getroffene Entscheidung. Allerdings müsse der mit einer losweisen Vergabe verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand, auch mit Bezug auf die Gewährleistungsphase, grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Zwar habe hier der AG die Alternativbetrachtung nicht in der Vergabeakte expressis verbis niedergelegt. Eingedenk der Tatsache, dass sich das Verfahren noch im Stadium der Vorinformation befunden habe, erscheine dies jedoch gerechtfertigt. Nach Auffassung der Vergabekammer sei es geradezu lebensfremd, zu verlangen, dass ein öffentlicher Auftraggeber alle denkbaren Varianten eines alternativen Bauablaufs höchst vorsorglich durchdeklinieren und zur Vergabeakte nehmen müsse, um so der ihm obliegenden Dokumentationspflicht zu genügen.

Anmerkung:

Gerade bei der Entscheidung, ob eine Los- oder Gesamtvergabe gewählt werden soll, sind die öffentlichen Auftraggeber – auch nach ständiger Rechtsprechung – heute gezwungen, die Gründe, die das Absehen von einer losweisen Vergabe in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht rechtfertigen, in der Vergabeakte sorgfältig darzulegen. Die o. g. Entscheidung ist insbesondere für Auftraggeber von großem Interesse, da es diesen Hinweise gibt, wie eine objektiv nachvollziehbare Einschätzung in dieser Frage vorgenommen und dokumentiert werden muss und ob eventuell eine Reduktion der Dokumentationspflicht im Einzelfall in Betracht kommen kann.

 

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare