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Rohrleitungen müssen dicht sein!

04.06.2013

Eine Werkleistung kann auch dann mangelhaft sein, wenn sie den anerkannten Regeln der Technik entspricht, aber nicht funktionstauglich ist.

Dies hat das OLG Hamm in einem Urteil vom 27. September 2012 (Az.: 17 U 170/11) entschieden.

Der Fall: AN installiert 2003 in einem Neubau Wasserrohre aus Kunststoff mit Messingverbundstücken (sog. Fittings). Die Leistung hatte AN zuvor selbst geplant. Noch innerhalb der Gewährleistungsfrist kommt es zu drei Wasserschäden, die darauf zurückzuführen sind, dass das durch die Leitung geleitete Trinkwasser einen hohen Chloridanteil hat und dadurch die Messingverbundstücke beschädigt werden. Auf die Mängelrüge des AG weigert sich AN, die Kunststoffrohre auszutauschen. Daraufhin fordert AG 14.900,00 € Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung. AN verteidigt sich damit, er habe Materialien mittlerer Art und Güte verwendet. Die Wasserschäden seien auf einen unerwartet hohen Chloridgehalt des Grundwassers zurückzuführen, mit dem er nicht habe rechnen müssen, da zum Zeitpunkt der Planung die Chloridwerte deutlich niedriger gewesen seien.

Die Entscheidung: AG hat mit seiner Kostenvorschussklage Erfolg! Nach Auffassung des OLG Hamm entsprach die Leistung zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik. Eine Werkleistung ist nach der BGH-Rechtsprechung aber trotzdem mangelhaft, wenn sie nicht funktionstauglich ist. Ein Mangel kann daher auch dann gegeben sein, wenn zwar die anerkannten Regeln der Technik beachtet wurden, das Werk aber entweder nicht den Beschaffenheitsvereinbarungen oder den erkennbaren Bedürfnissen des AG entspricht oder sonst in seiner Gebrauchstauglichkeit eingeschränkt ist. Geschuldet sind nämlich nicht etwa nur ein den anerkannten Regeln der Technik entsprechendes, sondern vielmehr auch ein gebrauchstaugliches Werk, denn nur dies entspricht dem werkvertraglich vereinbarten Erfolg. Bestehen daher Undichtigkeiten im Rohrleitungssystem, obwohl dieses den bei Abnahme anerkannten Regeln der Technik entspricht, was hier durch die aufgetretenen Wasserschäden dokumentiert wird, so ist die Werkleistung nicht funktionstauglich, also mangelhaft. Dabei kommt es auf ein Verschulden oder auf eine fehlende Erkennbarkeit bei der Planung oder Ausführung nicht an. Vielmehr hat der Gesetzgeber dadurch, dass er den Werkvertrag erfolgsbezogen ausgestaltet hat, eine Risikoverteilung für unvorhersehbare Umstände (hier: die später erhöhten Chloridwerte im Trinkwasser) zu Lasten des Werkunternehmers vorgenommen. Mit anderen Worten: AN steht selbst dann für das mangelhafte Rohrleitungssystem ein, wenn er im Zeitpunkt der Planung und der Abnahme die anerkannten Regeln der Technik beachtet hat, diese sich jedoch nachträglich als falsch oder unzureichend erweisen.

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Fazit: Die hiesige Entscheidung wird einem Handwerker kaum zu vermitteln sein, entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sog. „funktionalen Herstellungsbegriff“. Handwerker verdrängen oft die Tatsache, dass sie nicht nur ein Werk schulden, dass den anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Herstellung (genau genommen: der Abnahme) entspricht, sondern dass dieses Werk darüber hinaus auch - jedenfalls während des Laufs der Gewährleistungsfrist - funktionstauglich sein muss. Dass eine Wasserleitung, die leckt, nicht funktionstauglich ist, liegt auf der Hand. Der Unternehmer haftet für die Funktionstauglichkeit seines Werkes während der Gewährleistungsfrist aber auch dann, wenn ihn an der mangelnden Funktionstauglichkeit keinerlei Verschulden trifft, weil er den Mangel im Zeitpunkt der Abnahme gar nicht erkennen konnte, etwa weil - wie im vorliegenden Fall - sich die Umweltbedingungen ändern oder aber weil im Zeitpunkt der Herstellung die anerkannten Regeln der Technik andere waren als zu dem Zeitpunkt, an dem der Mangel erstmals auftrat.

Diese Rechtsprechung zum funktionalen Mangelbegriff erscheint vor allem auch deshalb bedenklich, weil der Auftragnehmer den späteren Mangel nicht voraussehen, auf diesen also auch nicht hinweisen und so seiner Haftung entgehen kann.

Ihm wird also während des Laufs der Gewährleistungsfrist die Gefahr, dass „zufällig“ und unvorhersehbar ein Mangel auftritt, allein aufgebürdet. Dies mag man ungerecht finden. Das ändert aber nichts daran, dass es sich hier um eine gefestigte Rechtsprechung handelt, auf die sich bedauerlicherweise jeder Handwerker wird einstellen müssen.


  Quelle: RA Michael Seitz


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