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Sanierung eines Kriegsschadens im Mindener Kanalnetz

29.11.2013

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Die Deformation des Sammlers unter dem Schwichowwall in Minden ist am dem Versatz im Mauerwerk in der Bildmitte deutlich erkennbar.

Der Zweite Weltkrieg ist zwar 68 Jahre her, aber mancherorts wird noch immer gekämpft – nämlich mit den Konsequenzen des Krieges. So 2013 in Minden, wo die SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH, Lage, die im Auftrag der Städtischen Betriebe Minden (SBM) Spätfolgen eines Bomben-Volltreffers auf den Abwasser-Hauptsammler am Schwichowwall beseitigte.

Der Abwasser-Hauptsammler unter dem Schwichowwall im Bereich der Mindener Altstadt gehörte schon vor dem zweiten Weltkrieg zu den Haupt-Adern des Mindener Abwassernetzes. Irgendwann gegen Ende des Krieges, als Minden wegen einer Bedeutung als Bahnknotenpunkt heftig bombardiert wurde, bekam das neun Meter tief liegende, gemauerte Eiprofil der Dimension 1200/1800 einen Volltreffer und stürzte auf fast 30 Meter Länge ein. Eiligst und unter Verwendung des unmittelbar verfügbaren Baumaterials wurde das Bauwerk so gut es ging, wieder geflickt und tat trotz struktureller Mängel und einer sichtbar gestörten Geometrie bis heute irgendwie seinen Dienst.

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Sprudelnde Quelle im Abwasserkanal: große Teile eines Oberflächengewässers drangen in das undichter Bauwerk ein und belasteten die Kläranlage erheblich mit Fremdwasser.

Routineinspektionen im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Selbstüberwachung ergaben aber in jüngerer Zeit nicht nur dringend sanierungsbedürftige Schäden. Höchste Priorität im Rahmen des Mindener Kanalsanierungsprogramms bekam der Sammler dadurch, dass er als einer der schwersten Fremdwasser-Fälle im gesamten Mindener Netz identifiziert wurde. Durch Brüche und Fehlstellen in dem kriegsversehrten Bauwerk drangen erhebliche Mengen Wasser aus einem 20 Meter entfernt verlaufenden Bach in den Untergrund ein. Der zu Teilen unterirdisch „umgeleitete“ Bach belastete die Kläranlage mit sinnlos eingeleitetem Frischwasser und den Etat mit entsprechenden Kosten. Immerhin ging es unter dem Schwichowwall um ein Fremdwasservolumen von schätzungsweise 40 Kubikmeter pro Stunde, welches sich jährlich auf unglaubliche 350 Tausend Kubikmeter summierte. Exaktere Daten soll eine noch 2013 abgeschlossene Messung im Vorher-Nachher-Vergleich erbringen. Angesichts der massiven Infiltrationen drohte tendenziell auch Einsturzgefahr.

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An den Bohrungen für die Injektionslanzen zeigte sich überdeutlich, welcher Grundwasserdruck auf dem Sammler am Schwichowwall lastet.

Bei der Entwicklung eines Sanierungskonzeptes für diese Schadstelle (in einem ansonsten weitestgehend schadensfreien Sammler) zogen die Planer der städtischen Betriebe Minden einen namhaften Experten zu Rate. Dipl.-Ing. Volker Schmidt aus Lage ist ein bundesweit bekannter Experte für die baulichen Probleme großer Abwasserbauwerke und wird mit seinem Unternehmen, der SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH immer wieder gerufen, wenn und wo im Untergrund wirklich „haarige“ Probleme gelöst werden müssen – und in diese Kategorie gehörte der Mindener Bombenschaden auch nach Schmidts erster Einschätzung ohne Zweifel. An irgendein Standard-Verfahren der Kanalsanierung war hier gar nicht zu denken – an die offene Erneuerung der maroden Strecke jedoch ebenso wenig angesichts der Lage im Verkehrsraum.

Abdichtung gegen Wassereinbruch und Sicherstellung der dauerhaften Standsicherheit waren die Kernziele des Sanierungskonzeptes, das die SMG erfolgreich realisierte. SMG kann auf eine lange Referenzliste ähnlicher schwieriger, aber erfolgreich gelöster Aufgaben zurückblicken und verbindet die ingenieurtechnisch-planerische Kompetenz mit der baulichen Erfahrung bei der Umsetzung. Hinzu kam die Eilbedürftigkeit dieses Falles.

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Injektionslanzen wurden bis weit hinter die Wand des Bauwerks vorgetrieben, damit das Material seine abdichtende Wirkung schon im weiteren Umfeld der undichten Wand entfalten konnte.

Die Sanierungslösung setzte auf die Verpressung des Sammlers mit einem zweikomponentigen intensiv schäumenden und schnell reagierenden PUR-Harz. Dieser Harztyp lässt sich ausschließlich mit zwei-Wege Injektionsanlagen injizieren. Vorab galt es jedoch, diesen wichtigen Sammler so trocken zu legen, dass darin erfolgreich und sicher gearbeitet werden konnte. Dazu hängte man als Bypass zwei innen liegende Wasserhaltungs-Stränge von 300 bzw. 200 mm Nennweite an den Wänden des Bauwerks auf. Während die Leitung DN 300 auf den maximalen Trockenwetterabfluss ausgelegt war, wurde die kleinere Leitung als Reserve für ein moderates Niederschlagsereignis vorgehalten. Im Starkregenfall hätte das Bauwerk allerdings geräumt werden müssen. Eine weitere Vorleistung zum Projekt war die sorgfältige Begutachtung der Örtlichkeit durch Experten des Kampfmittelräumdienstes, um eine Konfrontation der Sanierer mit Blindgängern im Untergrund auszuschließen.

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Injektionslanzen wurden bis weit hinter die Wand des Bauwerks vorgetrieben, damit das Material seine abdichtende Wirkung schon im weiteren Umfeld der undichten Wand entfalten konnte.

Die Vorgehensweise zielte darauf ab, die Spezialharze einerseits ins Umfeld der Trasse zu verpressen, dort Hohlräume zu verfüllen und den Wasserfluss schnellst möglich zum Stehen zu bringen. Zum anderen sollte das Material die eigentliche Substanz des Bauwerkes durchdringen, Risse und Kavernen verfüllen und das Bauwerk so stabilisieren. Um diese Wirkungen zu erreichen, setzte man zwei Techniken ein. Im Sohlbereich wurden Rammverpresslanzen mittels Rammblock bis weit hinter die Kanalwand vorgetrieben. Die Austrittsöffnungen in den Lanzen wurden so platziert, dass das Material etwa einen Meter jenseits der Wand austrat und dort seine Wirkung entfaltete. So war eine großräumige Durchdringung der Rohrbettung gewährleistet. Um die Wand selbst abzudichten und zu stabilisieren, benutzte man in dichtem Raster versenkte Bohrpacker, die bis zur halben Tiefe der Wand reichten und jeweils diagonal in das Mauerwerk eingeführt wurden. Sowohl Lanzen als auch Packer wurden mittels luftbetriebener zwei-Wege Injektionsanlage über Hochdruckschläuche mit Harz beschickt. Insgesamt verfüllte SMG im Laufe von vier Wochen rund 10 Kubikmeter Hohlräume in und um die Schadstelle, was das ganze Ausmaß der Problematik deutlich macht.

Risse oberhalb des Kämpfers wurden im folgenden Arbeitsgang mit Mörtel verpresst, um die Standsicherheit des Sammlers endgültig wieder her zu stellen. Nachdem der Wassereinbruch vollständig gestoppt und das Bauwerk erfolgreich trocken gelegt war, wendeten sich die Experten einem weiteren Problem zu: Der Sammler hatte im Bereich der Sohle einen markanten Unterbogen entwickelt, der sich günstiger Weise nicht im Scheitel des Bauwerks wieder fand. So konnte im letzten Arbeitsgang der Unterbogen mit Beton ausgeglichen werden, in den man eine Steinzeug-Gerinneschale zur Verbesserung der Hydraulik bettete.

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Verlegung eines Steinzeug-Gerinnes in dem begradigten Unterbogen des Bauwerks.

Nach insgesamt 5 Wochen Arbeitszeit konnte SMG erfolgreichen Vollzug melden, der vom Auftraggeber nach der Abnahmebegehung in vollem Umfang bestätigt wurde. Der Sammler Schwichowwall steht stabil, ober- und unterirdisch läuft wieder alles so ab, wie es soll - und die Kläranlage Minden ist um mehrere hunderttausend Kubikmeter Fremdwasser entlastet. Der wirtschaftliche Aspekt dieser Entlastung ist geeignet, die Sanierungsmaßnahme vollständig gegen zu finanzieren und darüber hinaus den Abwasserhaushalt deutlich zu entlasten. Kein Wunder, dass die städtischen Betriebe Minden sich in höchstem Maße zufrieden mit Durchführung und Resultat der Sanierungsmaßnahme zeigen. Ein Lob, das SMG-Geschäftsführer Volker Schmidt postwendend „kontert“: Die hoch komplexe Baumaßnahme wäre kaum so erfolgreich lösbar gewesen ohne die mustergültigen Vor- und Zuarbeiten der SBM-Mitarbeiter in allen Projektphasen: „Bei einer solchen Herausforderung ist es schon sehr wichtig, auf der anderen Seite einen Partner zu haben, mit dem man jederzeit Hand in Hand zusammen arbeiten kann.“ Schmidt ist im übrigen nicht nur stolz auf die erfolgreiche Problemlösung, sondern auch seinen hoch motivierten Mitarbeitern dankbar, die diese anspruchsvolle Aufgabe souverän gelöst haben. „Aber“, fügt er seinem Fazit hinzu: „so und nicht anders kenne ich ja meine Männer!“

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Oberflächlich eher unspektakulär: Die Baustelle am Schwichowwall aus der Perspektive der Verkehrsteilnehmer.

Fotos: www.smg-kanalsanierung.de

  Quelle: www.resinnovation.de


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